Das „Porr“-Urteil des EuGH vom 17.11.2022

 – C-238/21: Bodenmaterial, Nebenprodukt und Abfallende

am 17.11.2022 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) unter dem Aktenzeichen C-238/21 für die Praxis äußerst relevante Vorlagefragen zu den Begriffen des Abfalls, des Nebenprodukts und des Endes der Abfalleigenschaft beantwortet. Damit liegt jetzt die erste Entscheidung des EuGH zu diesen Definitionen in Bezug auf ausgehobenes Bodenmaterial vor.

Das Ausgangsverfahren zwischen der Porr Bau GmbH und der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung findet vor dem österreichischen Landesverwaltungsgericht Steiermark statt.

Die EuGH-Entscheidung beantwortet die Fragen, ob es Art. 6 Abs. 1 der europäischen Abfallrahmenrichtlinie 2008/98/EG (AbfRRL) entgegensteht, wenn nach einer nationalen Regelung

  1. das Abfallende nur dann eintritt, bis Abfälle oder Altstoffe oder die aus ihnen gewonnenen Stoffe unmittelbar als Substitution von Rohstoffen oder von aus Primärrohstoffen erzeugten Produkten verwendet werden oder sie zur Wiederverwendung vorbereitet wurden, und
  2. wenn nein: das Abfallende für Aushubmaterial frühestens durch die Substitution von Rohstoffen oder aus Primärrohstoffen erzeugten Produkten eintreten kann, und
  3. wenn nein: das Abfallende für Aushubmaterial dann nicht eintreten kann, wenn Formalkriterien, die keinen umweltrelevanten Einfluss auf die durchgeführte Maßnahme haben, nicht oder nicht vollständig eingehalten werden, obwohl das Aushubmaterial die für den vorgesehenen konkreten Verwendungszweck einzuhaltenden Grenzwerte (Qualitätsklasse) nachweislich unterschreitet.

Die Antworten des EuGH werden für den Umgang mit Bodenmaterial und anderen mineralischen Ersatzbaustoffen in Deutschland Bedeutung haben, weil sie rechtssicher die Möglichkeiten eröffnen, (1.) Bodenmaterial auch dann als Nicht-Abfall zu qualifizieren, wenn es jenseits der Baustelle verwendet werden soll/muss, und (2.) das Abfallende für Bodenmaterial und andere mineralische Ersatzbaustoffe zu bejahen, wenn sie güteüberwacht für eine bestimmte Verwendung hergestellt werden.

Quelle: Franßen & Nusser Rechtsanwälte PartGmbB

Das dazu gehörige Fachseminar ist in der Seminarwelt des IWU Magdeburg auffindbar.