BVerwG: Aktuelle Rechtsprechung zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen

Das Umweltinformationsrecht gibt Bürgern die Möglichkeit, bei Behörden umweltrelevante Informationen nachzufragen. Die Praxis des auf Transparenz u. Teilhabe gerichteten Informationsanspruchs nach dem Umweltinformationsgesetz (UIG) weist jedoch mehr und mehr Fälle auf, in denen ein konkurrierendes Unternehmen bei einer Behörde Daten über einen Wettbewerber abfragt. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu jüngst anhand eines praktischen Falles aus der Glasindustrie einige wegweisende Aussagen dazu getroffen, ob und inwieweit konkurrierende Unternehmen über das Instrument des Umweltinformationsanspruchs sensible Daten Ihrer Wettbewerber erlangen können (BVerwG, Urteil v. 24. September 2009, Az. 7 C 2.09).

In dem konkreten Fall begehrte ein Unternehmen Einsichtnahme bei der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) in die Zuteilungsbescheide eines Wettbewerber und wollte sich dadurch über die Kapazität der Anlagen des konkurrierenden Unternehmens, deren Emissionsverhalten im Einzelnen, die Inputstoffe, technische Prozesse und weiteres informieren. Daten also, die in jeder Branche als sensibel gelten dürften. Die Herausgabe der begehrten Informationen durch die DEHSt hätte Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Situation des Wettbewerbers, die technische Qualität seiner Anlagen, seine Produktpolitik sowie auf Investitionsvorhaben ermöglicht.

Das BVerwG hat nunmehr in einer grundlegenden Entscheidung wichtige Aussagen zum Umfang des Anspruchs auf Umweltinformation getroffen. Im Ergebnis hat es dem Ausforschungsbegehren des Antragstellers einen Riegel vorgeschoben, gleichwohl aber die Voraussetzungen des UIG-Anspruchs weit ausgelegt. Danach ist es grundsätzlich zulässig, dass nicht nur Bürger, sondern auch Unternehmen (und zwar auch solche derselben Branche) Informationen über die Umwelt bei einer Behörde einsehen dürfen. Auch der Begriff der „Umweltinformationen“ ist weit zu verstehen und umfasst beispielsweise nicht nur allgemeine Daten über Luft- oder Wasserqualitäten, sondern auch ganz konkret Genehmigungsbescheide oder sonstige Verwaltungsakte und Informationen, die auch nur mittelbar oder entfernt mit der Umwelt im Zusammenhang stehen. Eine Begrenzung des Umweltinformationsanspruchs etwa darauf, dass der Antragsteller ein konkretes Umweltschutzanliegen verfolgt oder sich in sonstiger Weise den Zielen des Umweltschutzes widmet, besteht nicht. Nur im Extremfall kann ein Antrag ausnahmsweise als „offensichtlich rechtsmissbräuchlich“ abgelehnt werden, wenn etwa die Antragsbearbeitung – zum Beispiel wegen des Umfangs des Antrags – die Behörde lahm legen würde.

Das BVerwG hat jedoch die meisten der von dem antragstellenden Unternehmen über seinen Wettbewerber begehrten Informationen als schützenswerte Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gewertet. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UIG sieht ausdrücklich den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen vor.

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im wesentlichen technisches Wissen; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen. Ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis setzt danach neben dem Mangel an Offenkundigkeit der zugrunde liegenden Informationen ein berechtigtes Interesse des Unternehmens an deren Nichtverbreitung voraus. Ein solches Interesse besteht, wenn die Offenlegung der Informationen geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen der Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so Wettbewerbspositionen des Unternehmens nachteilig zu beeinträchtigen. Dieses Interesse muss der „Geheimnisträger“, also das betroffene Unternehmen, gegenüber der Behörde, die von dem konkurrierenden Unternehmen ausgeforscht werden soll, anzeigen.

Dabei ist der Begriff der „Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse“ nach der Auslegung des BVerwG weit zu verstehen: Es kommt nicht allein darauf an, dass die begehrten Informationen schon als solche Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse darstellen, sondern es genügt, dass die offenzulegenden Informationen ihrerseits Rückschlüsse auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zulassen. Hier genügt bereits die Möglichkeit von Rückschlüssen auf wettbewerbsrelevante Umstände, die das betroffene Unternehmen berechtigterweise dem Wettbewerber gerade nicht offenbaren will, um die eigene Wettbewerbsposition nicht nachteilig zu beeinflussen.

Keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind dagegen solche Informationen, die ohnehin schon bekannt: Dies betrifft typischerweise Angaben zum Namen eines Betriebes oder zur Anschrift des Unternehmens. Die Herausgabe solcher Informationen kann regelmäßig nicht unter dem Aspekt des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses verweigert werden. Ebenso verhält es sich mit Daten, die ohnehin bereits – beispielsweise in auf gesetzlichen Vorgaben basierenden Internetauftritten von Behörden – veröffentlicht sind, wie beispielsweise Angaben zu bestimmten Emissionen nach dem PRTR-Register. Als öffentlich bereits zugänglich hat das BVerwG im übrigen auch solche Informationen eingestuft, die etwa im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens öffentlich ausgelegt worden sind. Vor diesem Hintergrund ist daher zu empfehlen, bereits im Genehmigungsverfahren Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse kenntlich zu machen. Dies ist gesetzlich ausdrücklich zugelassen (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 1 BImSchG) und entfaltet offenkundig Schutzwirkung weit über das Genehmigungsverfahren hinaus.

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

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