Zum Verhältnis des europäischen Abfallverbringungsrechts zum deutschen Recht

BayVGH, Beschluss vom 27.03.2017 – 20 CS 16.2404

Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes bekräftigt, dass die Vorschriften der europäischen Abfallverbringungsverordnung (VVA) in ihrem Anwendungsbereich aufgrund des Anwendungsvorrangs des Europarechts nationalem bundes- und landesabfallrechtlichen Regelungen vorgehen. Die VVA gilt als EU-Verordnung in den Mitgliedstaaten unmittelbar (Art. 288 Abs. 2 AEUV), sodass diese ergänzende Ausführungsvorschriften oder zusätzliche Vorschriften nur dann erlassen können, wenn dies in der VVA ausdrücklich angelegt ist oder wenn Vorschriften im Einzelfall nur einen Rahmen setzen, den die Mitgliedstaaten sodann durch eigene nationale Bestimmungen ausfüllen können.

Praktisch relevant wurde die Frage des Anwendungsvorrangs in der vorliegenden Entscheidung in Bezug auf die behördliche Zuständigkeit für den Erlass einer Anordnung zur Beseitigung mineralischer Abfälle, die zuvor aus Italien und der Schweiz (nach Maßgabe der Art. 2 Nr. 35 lit. c) und e) VVA) illegal nach Deutschland verbracht wurden. Die Abfälle lagerten auf dem ehemaligen Betriebsgelände einer insolventen Anlagenbetreiberin, deren immissionsschutzrechtliche Genehmigung zum Betrieb einer Anlage zur thermischen und mechanischen Behandlung von kontaminierten mineralischen Abfällen widerrufen wurde, nachdem gegen den Hauptgesellschafter und Geschäftsführer der Betreiberin wegen Betrugs und unerlaubten Umgangs mit gefährlichen Abfällen ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden war (und dieser schließlich auch verurteilt wurde).

Das Landratsamt nahm daraufhin den Hauptgesellschafter und Geschäftsführer persönlich für die Beseitigung der Abfälle auf Grundlage der landesrechtlichen Regelung des § 31 Abs. 1 BayAbfG in Anspruch. Dieser bestritt jedoch unter anderem die Zuständigkeit des Landratsamtes, da aufgrund der Regelung des Art. 24 Abs. 3 VVA die zuständige Behörde am Bestimmungsort dafür zu sorgen habe, dass die betreffenden Abfälle auf umweltgerechte Weise verwertet oder beseitigt werden. Dies sei nach der landesrechtlichen Zuweisung (was zutreffend ist) jedoch die Regierung von Oberbayern und nicht das örtliche Landratsamt. Das erstinstanzliche Verwaltungsgericht sah den Anwendungsbereich der VVA allerdings nicht (mehr) als eröffnet an, da die Beseitigungsanordnung insbesondere aufgrund des bereits mehrere Jahre zurückliegenden Verbringungsvorgangs mit diesem in keinerlei Zusammenhang mehr stünde. Mangels Einschlägigkeit der VVA greife daher der Anwendungsvorrang des Europarechts nicht ein.

Dem widersprach der Bayerische VGH. Insbesondere sei das Kriterium des Zeitablaufs zu unbestimmt, um die Geltungsbereiche der VVA und des nationalen Abfallrechts voneinander abzugrenzen. Ebenso wenig könne aus der nationalen Vorschrift des § 1 Abs. 4 AbfVerbrG die Reichweite der europäischen VVA bestimmt werden. Inwieweit die Beseitigungsanordnung daher mit der Verfbringung „verbunden“ sei – wie es § 1 Abs. 4 AbfVerbrG formuliert – sei daher nicht erheblich. Der Anwendungsbereich des Art. 24 Abs. 3 VVA sei daher weiterhin eröffnet, sodass der Anwendungsvorrang des Europarechts greife.

Quelle: KOPP-ASSENMACHER & NUSSER

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