Das moderne Umweltinformationsrecht in Deutschland ist völker- und europarechtlich vorgegeben und ermöglicht Dritten einen weitreichenden Zugang zu den bei öffentlichen Stellen vorliegenden Umweltdaten. Hierzu gehören prinzipiell auch sämtliche Akten, die bei den Immissionsschutzbehörden zu nach BImSchG genehmigten und überwachten (Industrie-)Anlagen geführt werden, wie etwa die Genehmigungsakte und Betriebsakte. Begehrt ein (beliebiger) Dritter Einsicht in diese Akten, ist der betroffene Anlagenbetreiber zwar von der Behörde anzuhören, doch sind die möglichen Einwände des Betreibers begrenzt. Von der prinzipiellen Herausgabe sämtlicher Umweltinformationen kennt das Umweltinformationsrecht nur wenige Ausnahmen. Macht der Betroffene eine der Ausnahmen geltend, muss er dies zudem gut begründen.
Die praktisch wichtigste Ausnahme liegt in der Geltendmachung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen durch den Anlagenbetreiber. Kann der betroffene Anlagenbetreiber plausibel und nachvollziehbar darlegen, dass das Informationsersuchen ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis betrifft, muss die Behörde die Herausgabe der entsprechenden Daten verweigern.
Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hatte in zweiter Instanz über die Klage einer Bauschuttrecyclinganlage zu entscheiden. Nachbarn der Anlage hatten sich zu einer Bürgerinitiative formiert und die Immissionsschutzbehörde um die Herausgabe sämtlicher zu der Anlage existierender Akten ersucht. Hiergegen wehrte sich der Kläger. Er machte geltend, die Akten enthielten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Dies gelte zum einen mit Blick auf sämtliche Daten zur Betriebsorganisation (die konkrete Anlagengliederung, die Kombination der Maschinen etc.) und zum anderen mit Blick auf die zugelassenen Einzelkapazitäten. Beide Daten unterfielen der vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Definition, wonach Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse neben einem Mangel an Offenkundigkeit insoweit ein berechtigtes Interesse des Betroffenen an der Nichtverbreitung der Informationen voraussetzen, als die Verbreitung eine Schwächung der Wettbewerbsposition zur Folge haben könnte. In diesem Sinne argumentierte der Kläger, die Herausgabe der Einzelkapazitäten gebe Dritten Auskunft über seine Wettbewerbsfähigkeit. Das konkrete Wissen um die Einzelkapazitäten könne ein Wettbewerber etwa nutzen, um eigene Angebote zu kalkulieren oder Standortentscheidungen zu treffen. Ähnlich argumentierte der Kläger zu den Daten zur Betriebsorganisation.
Das Oberverwaltungsgericht wies die Klage ab. Die Darlegungen des Klägers seien zu pauschal gehalten. In Bezug auf die Betriebsorganisation hätte der Kläger detailliert darlegen müssen, inwieweit sich die Betriebsorganisation verschiedener Bauschuttrecyclinganlagen unterscheide und warum die Betriebsorganisation des Klägers besondere Vorteile im Wettbewerb aufweise. Im Übrigen handele es sich bei der Betriebsorganisation um Daten über Emissionen. Derartige Daten seien nach § 9 Abs. 1 Satz 2 Umweltinformationsgesetz (UIG) immer herauszugeben, gleich ob es sich um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse handele oder nicht. Vorliegend – so das Oberverwaltungsgericht – habe die Betriebsorganisation unmittelbaren Einfluss auf die Staub- und Lärmemissionswerte der relevanten Quellen. Ohne deren Kenntnis sei es Dritten nicht möglich, zu beurteilen, in welchem Umfang Emissionen aus der Anlage unmittelbar in die Umwelt gelangen.
Auch in Hinsicht auf die Einzelkapazitäten entschied das Gericht, ihnen sei nicht die Qualität von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen beizumessen. Denn auch insoweit sei der Vortrag des Klägers zu pauschal gehalten.
Anmerkung:
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts schafft hohe Hürden für die Darlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Legt der Drittbetroffene nicht anhand konkreter, detaillierter und einzelfallbezogener Beispiele die Bedeutung der betroffenen Information für seine Wettbewerbsstellung dar, soll nicht von einem Betriebs- und Geschäftsgeheimnis auszugehen sein. Der in der Praxis ohnehin oft große – und aufgrund der gesetzlichen Fristen in ausgesprochen kurzer Zeit zu bewältigende – Aufwand bei der Sichtung und Schwärzung von Unterlagen im Rahmen der Anhörung wird angesichts des vom Oberverwaltungsgericht geforderten hohen Begründungsaufwands noch einmal beträchtlich vergrößert. Dies ist nicht sachgerecht. Der Entscheidung mangelt es an dem notwendigen Augenmaß bei der Auslegung der Ausnahmevorschrift zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Genügen muss eine Glaubhaftmachung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.
Die Entscheidung liegt allerdings grundsätzlich auf der Linie des Europäischen Gerichtshofs und zahlreicher anderer deutscher Gerichte, die einen möglichst weitgehenden Informationszugang und eine möglichst enge Anwendung der entgegenstehenden Ausnahmen propagieren.
Quelle: KOPP-ASSENMACHER & NUSSER
Das dazu gehörige Fachseminar ist in der Seminarwelt des IWU Magdeburg auffindbar.