Wertstoffgesetz – erste Inhalte

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat am 18.07.2012 ein „Thesenpapier zur Fortentwicklung der haushaltsnahen Wertstofferfassung“ vorgelegt. Das Bundesministerium formuliert auf der Grundlage der Erkenntnisse aus den vorangegangenen Forschungsvorhaben bzw. Planspielen 9 Thesen, die den Rahmen für die Diskussion um die konkrete zukünftige Regelung der einheitlichen Wertstofferfassung abstecken sollen. Insoweit und auf der Grundlage weiterer Erkenntnisquellen zeichnen sich erste Inhalte des Wertstoffgesetzes ab.

Kreislaufwirtschaftsgesetz

Bekanntlich enthält das bereits am 01.03.2012 in Kraft getretene Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) in §·10 Abs.·1 Nr.·3 eine Ermächtigungsgrundlage für die Einführung einer sog. einheitlichen Wertstofftonne oder einer einheitlichen Wertstofferfassung. Namentlich ist die Bundesregierung ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise und mit Zustimmung des Bundesrates ein Regelwerk zu schaffen, um Anforderungen an das Bereitstellen, Überlassen, Sammeln und Einsammeln von Abfällen durch Hol- und Bringsysteme, jeweils auch in einer einheitlichen Wertstofftonne oder durch eine einheitliche Wertstofferfassung in vergleichbarer Qualität, gemeinsam mit gleichartigen Erzeugnissen oder mit auf dem gleichen Weg zu verwertenden Erzeugnissen, die jeweils einer verordneten Rücknahme nach §·25 KrWG unterliegen, festzulegen. Eine mit dieser Regelung korrespondierende Vorschrift findet sich in §·25 Abs.·2 Nr.·3 KrWG, der Ermächtigungsgrundlage zum Erlass von Rechtsverordnungen zur Regelung von Rücknahme- und Rückgabepflichten im Rahmen der Verwirklichung der Produktverantwortung.

Den Ermächtigungsgrundlagen ist unschwer zu entnehmen, dass der Gesetzgeber im Rahmen des KrWG zu den streitigen Fragen, wer die Organisationshoheit über die einheitliche Wertstofftonne bzw. die einheitliche Wertstofferfassung hat und wie entsprechende Regelungen näher auszugestalten sind, nicht Stellung nimmt.

Inhalte Wertstoffgesetz – Thesenpapier 

Die von dem Bundesumweltministerium am 18.07.2012 vorgelegten Thesen lauten wie folgt:

  • Einheitliche Wertstofferfassung – leicht verständlich und ökologisch sinnvoll
  • Haushaltsnähe und Flächendeckung – mit Berücksichtigung lokaler Gegeben­heiten
  • Wettbewerb fördert Innovation und senkt Kosten
  • Produktverantwortung als tragendes Prinzip
  • Transparenz für alle Beteiligten
  • Hohe ökologische Anforderungen unverzichtbar
  • Verursachergerechtigkeit verbessern
  • Bürgerfreundlichkeit gewährleisten
  • Last but not least: Kosteneffizienz

Bereits die Überschriften der einzelnen Thesen zeigen, dass nähere inhaltliche Vorgaben für ein künftiges Wertstoffgesetz dem Thesenpapier grundsätzlich nicht zu entnehmen sind, zumal das Papier nach eigener Bekundung des Bundesumweltministeriums erst die Grundlage für die Diskussion über konkrete Inhalte sein soll. Einzig unter der These „Transparenz für alle Beteiligten“ enthält das Thesenpapier die Inhalte, dass das zukünftige Wertstofferfassungssystem und seine Finanzierung für alle Verbraucherinnen und Verbraucher sowie für die teilnehmenden Hersteller, Vertreiber und Entsorgungsunternehmen transparent ausgestaltet sein soll. Darüber hinaus wird die mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattete „Zentrale Stelle“ als maßgebliches Element bezeichnet, um u.a. als Registerstelle der wesentlichen Marktteilnehmer zu fungieren. Ferner wird unter der These „Verursachergerechtigkeit verbessern“ angedeutet, dass „Aus­weichreaktionen bzgl. der Systembeteiligungspflicht“ entgegengewirkt werden soll, in dem zum Beispiel im Bereich der Begriffsdefinitionen Modifikationen vorgenommen werden und ein Zurückdrängen von missbräuchlich genutzten Instrumenten, zum Beispiel „teilweise bei Branchenlösungen“, erfolgt. Auch insoweit soll die „Zentrale Stelle“ ein wesentliches Element sein bzw. eine Kontrollfunktion innehaben. Gänzlich offen lässt das Thesenpapier jedoch die äußerst umstrittene Frage der zukünftigen Trägerschaft des Erfassungssystems.

Für den Fall, dass es zu einer entsprechenden Gesetzgebung kommen sollte, scheint festzustehen, dass der Erlass eines Wertstoffgesetzes beabsichtigt ist, nicht jedoch einer Wertstoffverordnung. Dieser Umstand ist der Tatsache geschuldet, dass nach den Erfahrungen mit dem Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) offenbar daran gedacht ist, eine neutrale „Zentrale Stelle“ einzurichten. Vorbild ist insoweit offenbar die Gemeinsame Stelle nach §·14 ElektroG, die von dem Umweltbundesamt mit hoheitlichen Rechten gem. §·17 ElektroG beliehen wurde. Nach Art.·87 Abs.·3 Satz·1 Grundgesetz ist allerdings für die Neugründung von Bundesoberbehörden eine Regelung durch Bundesgesetz notwendig. Der Gesetzgeber will offenbar insoweit einen sicheren Weg wählen, da vorherrschend die Auffassung vertreten wird, dass auch für die Übertragung von neuen Aufgaben an bestehende Bundesoberbehörden, namentlich das Umweltbundesamt, eine Regelung durch Bundesgesetz notwendig ist.

Im Nachgang zu dem Forschungsvorhaben „Evaluierung der Verpackungsverordnung“ und dem darauf basierenden Planspiel, bestehend aus 3 Teilvorhaben, kristallisieren sich aber auch über das Thesenpapier hinausgehende Inhalte eines zukünftigen Wertstoffgesetzes heraus. Kommuniziert werden diese Inhalte zur Zeit maßgeblich über Fachaufsätze und Vorträge der zuständigen Vertreter des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Dementsprechend lassen diese Verlautbarungen weitere Rückschlüsse auf die möglichen Inhalte des zu erwartenden Referentenentwurfs zu. Was im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens aus dem Referentenentwurf wird, insbesondere wenn bereits fest steht, dass auch der Bundesrat an dem Gesetzgebungsverfahren zu beteiligen ist, ist nach den Erfahrungen mit dem KrWG bekanntlich offen.

Bei der Zentralen Stelle könnte es sich um eine Einrichtung der Inver­kehrbringer handeln, die nach dem Vorbild der Stiftung Elektro-Altge­räte Register eine mit hoheitlichen Aufgaben beliehene Stiftung des Privatrechts ist. Selbstverständlich muss die Stiftung neutral gegenüber allen betroffenen Wirtschaftsbeteiligten sein und über entsprechend besetzte Organe verfügen. Als Aufgaben der „Zentralen Stelle“ kommen die Entgegennahme der Registrierungen der Erstinverkehrbringer der Verpackungen und der stoffgleichen Nichtverpackungen in Betracht, die Entgegennahme und Prüfung von Vollständigkeitserklärungen und ggf. auch die Genehmigung von „Branchenlösungen“. Genau wie die Stiftung Elektro-Altgeräte Register darüber befindet, ob und inwieweit Elektrogeräte in den An­wendungsbereich des ElektroG fallen, könnte die „Zentrale Stelle“ auch Einzelfallentscheidungen zu Verpackungsarten, Systembeteiligungspflichten u. ä. fällen. Darüber hinaus könnte die „Zentrale Stelle“ als Ausschreibungsplattform dienen, die Aufteilung der Nebenentgelte vornehmen bzw. die Marktanteile der dualen Systeme berechnen.

Wie bereits ausgeführt, sind weitere Detailregelungen zur Zeit offen und bedürfen noch der Diskussion. Dabei ist zu erwarten, dass die Frage, wer Träger der Wertstofftonne wird, politisch zu entscheiden ist. In diesem Rahmen muss dann auch die Reichweite der jeweiligen Zuständigkeit der öffentlich-rechtli­chen bzw. der privaten Entsorgungsträger geklärt werden, namentlich ob und inwieweit sie sich auf das Sammeln, Sortieren und/ oder Verwerten der im Rahmen der einheitlichen Wertstofferfassung an­fallenden Abfälle bezieht.

Zusammenfassung und Ausblick
 

Obwohl erste Inhalte eines zukünftigen Wertstoffgesetzes absehbar sind, bleibt das Gesetzgebungsverfahren abzuwarten. Mit Sicherheit ist davon auszugehen, dass die Inhalte, wie sie zunächst im Rahmen des Referentenentwurfs des zuständigen Bundesumweltministeriums vorgeschlagen werden im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens Veränderungen erfahren werden. Insofern ist zur Zeit auch völlig offen, wann mit dem Inkrafttreten eines neuen Wertstoffgesetzes gerechnet werden kann.

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte