Der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangene Entscheidung des OVG NRW lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Antragstellerin im gerichtlichen Verfahren, ein Unternehmen der Entsorgungsbranche, beantragte bei der Antragsgegnerin, einer Bezirksregierung, eine Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz für die Abnahme, Lagerung und Aufbereitung von gebrauchtem Gleisschotter und gebrauchten Betonschwellen [Ziffer 8.11 Spalte 2 b) bb), 8.12 Spalte 2 a) und 8.12 Spalte 2 b) des Anhangs zur 4. BImSchV] auf einem ehemaligen Bahnhofsgelände in der beigeladenen Gemeinde. Die Anlieferung des Gleisschotters sollte per Bahn erfolgen. 90 % des Anlageninputs sollten Abfälle der Deutschen Bahn AG sein.
Im Flächennutzungsplan der Gemeinde war der Vorhabenstandort als nach Eisenbahnrecht gewidmete Fläche dargestellt. Nach Stellung des BImSchG-Antrages fasste die Gemeinde den Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans, der auch den von der Antragstellerin gewählten Vorhabenstandort erfasste. Vorgesehen waren gewerbliche Folgenutzungen, denen sich das Vorhaben der Antragstellerin aber nicht zuordnen ließ. Parallel zur Planaufstellung betrieb die Gemeinde ein Freistellungsverfahren nach § 23 des Allgemeinen Eisenbahngesetztes (AEG) mit dem Ziel, die Fläche des Plangebiets aus dem eisenbahnrechtlichen Planungsvorbehalt zu entlassen, um sie der von ihr beabsichtigten Bauleitplanung zugänglich zu machen.
Die Gemeinde erhob im Rahmen der Trägerbeteiligung Einwände gegen die beantragte BImSchG-Genehmigung, weil das Vorhaben der Antragstellerin die erforderliche Bahnbetriebsbezogenheit vermissen lasse, seiner Zulassung über § 35 Abs. 2 BauGB wegen der entgegenstehenden Ausweisung im Flächennutzungsplan (Eisenbahnfläche) öffentliche Belange entgegenstünden, und das Vorhaben sich schließlich nicht in den beabsichtigten Bebauungsplan einordnen lasse. Das ebenfalls beteiligte Eisenbahnbundesamt hatte dagegen keine Bedenken gegen das Vorhaben der Antragstellerin.
Nachdem die Gemeinde ihr gemeindliches Einvernehmen nach § 36 BauGB versagt hatte, stellte die Antragsgegnerin das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren auf Antrag der Gemeinde gemäß den §§ 14, 15 BauGB für 6 Monate ruhend und ordnete die sofortige Vollziehung an. Gegen diese Ruhendstellung richtete sich der Antrag der Antragstellerin im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. Sie verfolgt das Ziel, die weitere Bearbeitung ihres immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsantrages zu gewährleisten. Im Mittelpunkt der gerichtlichen Entscheidung stehen daher zwangsläufig prozessuale Voraussetzungen der Anfechtbarkeit der Zurückstellung eines Baugesuchs gemäß §§ 14, 15 BauGB sowie deren materiell-rechtlichen Wirksamkeitsvoraussetzungen.
Gleichzeitig äußert sich das Gericht, und dies stellt den Schwerpunkt dieses Beitrags dar, zu Fragen der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit der Ansiedlung und des Betriebs von Entsorgungsunternehmen auf Eisenbahnflächen, die dem AEG unterfallen:
Dass das Vorhaben der Antragstellerin auf einer nach Eisenbahnrecht gewidmeten Fläche angesiedelt und die Deutsche Bahn mit ihren Abfällen, die 90 % des Anlageninputs ausmachen sollten, Hauptkunde sein sollte, reichte dem Gericht nicht, um das Vorhaben als Bahnanlage einzustufen, die dem eisenbahnrechtlichen Planungsvorbehalt genügt und daher bauplanungsrechtlich nach § 38 BauGB zulässig ist. Unter Berufung auf Rechtsprechung und Lehrmeinungen des juristischen Schrifttums gelangt das Gericht zu der Aussage, dass weder auf dem Bahngelände angesiedelte Gewerbebetriebe wie ein Schrottplatz oder die Lagerhalle eines privaten Gewerbebetriebes der Metall- und Rohstoffverwertung, die zum Güterumschlag von der Straße auf die Schiene genutzt werden soll, noch eine Abfalldeponie, deren Abfälle dem Eisenbahnbetrieb entstammen, als Bahnanlagen im Sinne des AEG zu werten und damit bauplanungsrechtlich auf einer nach Eisenbahnrecht gewidmeten Fläche ohne Weiteres zulässig sind. Vielmehr stellten sie bahnfremde Nutzungen dar, deren bauplanungsrechtlicher Zulässigkeit § 38 BauGB entgegensteht (Rn. 37 – 47). Im Fall des § 38 BauGB wird die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens – hier Ansiedlung oder Betrieb eines Entsorgungsunternehmens – nicht nach den §§ 34, 35 BauGB beurteilt. Zwar kann die Gemeinde Bauleitplanung betreiben; aber auch dann entsteht wirksames Baurecht erst mit der Entlassung der betroffenen Fläche aus dem Regime des Eisenbahnrechts.
Daraus folgt aus der Sicht des Gerichts, dass die Zulassung bahnfremder Nutzungen auf privilegiertem Bahngelände die Aufhebung der bahnrechtlichen Zweckbestimmung durch einen Verwaltungsakt nach § 23 AEG (sogenannte Freistellung) voraussetzt. Antragsberechtigte des Freistellungsverfahrens sind u.a. Grundstückseigentümer sowie Gemeinden der betroffenen Flächen, nicht aber Entsorgungsunternehmen, sofern sie nicht Eigentümer sind. Eine Freistellung sei, so das Gericht, ausnahmsweise entbehrlich, wenn das Bahngelände ersichtlich wegen offen zu Tage liegender Funktionslosigkeit nicht mehr für den Bahnbetrieb genutzt werden könne. Das Gericht hat das Verfahren zum Anlass genommen, die Voraussetzungen eines Freistellungsverfahrens nach § 23 AEG darzulegen. Bei § 23 AEG handele es sich um eine gebundene Entscheidung. Bestehe für Betriebsanlagen der Eisenbahn kein Verkehrsbedürfnis mehr und sei langfristig eine Nutzung der Eisenbahninfrastruktur nicht mehr zu erwarten, habe etwa eine Gemeinde als Antragsstellerin einen gebundenen Anspruch auf Freistellung. Möglich sei auch eine Teilfreistellung, so dass sämtliche Flächen bis auf betriebsnotwendige Anlagen wie Gleise, Weichen und signaltechnische Anlagen freigegeben werden müssten.
Insgesamt verdeutlicht die Entscheidung, dass die Erteilung einer Genehmigung gem. dem BImSchG/ Bauordnungsrecht für den Betrieb eines Entsorgungsunternehmens auf nach Eisenbahnrecht gewidmeten Bahnflächen regelmäßig nicht in Betracht kommt. Vielmehr ist zunächst die Herauslösung der in Frage stehenden Fläche aus dem eisenbahnrechtlichen Planungsvorbehalt erforderlich. Sodann ist zu prüfen, ob das Vorhaben ausnahmsweise schon nach § 34 BauGB bauplanungsrechtlich zulässig ist, andernfalls nach § 35 BauGB. Letzteres wird in der Regel daran scheitern, dass der Flächennutzungsplan – so auch im vom OVG NRW entschiedenen Fall – die Fläche nach wie vor für Eisenbahnzwecke ausweist. Dann bleibt nur, das erforderliche Planungsrecht im Wege der Bauleitplanung zu schaffen. Einen Anspruch hierauf hat der Vorhabenträger nicht. Die planende Gemeinde muss daher das Vorhaben des Entsorgungsunternehmens am Standort unterstützen. Ist einmal hierfür die politische Bereitschaft bei der Gemeinde geschaffen, so hat diese, das zeigt die Entscheidung des OVG NRW, unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, eine entsprechende Fläche auch gegen den Willen der eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsbehörde aus dem eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsvorbehalt herauszulösen und einer wirksamen Bauleitplanung zuzuführen.
Praxishinweis
Es sind immer wieder Konstellation anzutreffen, in denen die Deutsche Bahn AG bzw. ihre Gesellschaften Entsorgungsunternehmen die Nutzung von gewidmeten Bahnflächen durch Abschluss entsprechender Verträge zivilrechtlich ermöglichen. Regelmäßig obliegt es nach diesen Verträgen aber dem Entsorgungsunternehmer, sich um die erforderlichen behördlichen Genehmigungen zu bemühen. Dass diese wegen der eisenbahnrechtlichen Planfeststellung in aller Regel nicht erteilt werden können, fällt dann auf die Entsorgungsunternehmen zurück. Diese haben ein Grundstück, dass sie zwar zivilrechtlich, aber nicht öffentlich-rechtlich nutzen können. Entsorgungsunternehmen ist daher anzuraten, bei der beabsichtigten Ansiedlung ihrer Unternehmen auf Bahnflächen größte Vorsicht walten zu lassen und ggf. hiervon Abstand zu nehmen. Denn es ist zur dauerhaften Schaffung von rechtssicherem Bauplanungsrecht in der Regel unabdingbar, dass die Vorhabenfläche, sei es freiwillig, oder aber unter den Voraussetzungen des § 23 AEG, aus dem Vorbehalt des eisenbahnrechtlichen Fachplanungsrechts entlassen wird, um sodann der Genehmigungsbehörde eine bauplanungsrechtliche Beurteilung am Maßstab der §§ 34, 35 BauGB oder eines Bebauungsplanes zu ermöglichen. Solange entsprechendes Baurecht nicht geschaffen ist, kann für das Entsorgungsunternehmen am Standort keine Genehmigung erwirkt werden.
Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte