Prüfungsmaßstab im gerichtlichen Eilverfahren einer Nachbargemeinde gegen großflächigen Möbelhandel

Mit Beschluss vom 02.12.2016 (Az.: 7 B 1344/16) hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) festgelegt, welcher Maßstab im Rahmen einer summarischen Prüfung im Eilverfahren hinsichtlich der Klage einer Nachbargemeinde gegen einen großflächigen Möbelhandel anzusetzen ist.

Zu klären war die Frage, ob die klagende Gemeinde durch die erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Möbelhauses in der Nachbargemeinde in eigenen Rechten verletzt ist. In Betracht hat das OVG NRW insoweit lediglich eine Verletzung von § 2 Abs. 2 Nr. 1 Baugesetzbuch (BauGB) gezogen.

Nach dieser Vorschrift sind Bauleitpläne benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen; dabei können sich Gemeinden auch auf die ihnen durch Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen sowie auf Auswirkungen auf ihre zentralen Versorgungsbereiche berufen, § 2 Abs. 2 Satz 2 BauGB. Die Vorschrift ist eine gesetzliche Ausformung der gemeindlichen Planungshoheit und eine besondere Ausprägung des Abwägungsgebotes. Sie schließt das Recht ein, sich gegen Planungen anderer Gemeinden zur Wehr zu setzen, welche die eigene Planungshoheit rechtswidrig beeinträchtigen.

Die in § 2 Abs. 2 Satz 2 BauGB statuierte Abstimmungspflicht findet unmittelbare Anwendung nur bei der Aufstellung von Bauleitplänen. Es gibt allerdings Fallkonstellationen, in denen die Rechtsprechung den Anwendungsbereich der Vorschrift ausweitet. In Verfahren, in denen eine Nachbargemeinde gegen eine Baugenehmigung vorgeht, kann § 2 Abs. 2 Satz 2 BauGB dann Rechtswirkungen entfalten, wenn die Gemeinde unter Missachtung der Vorschrift für ein materiell abstimmungspflichtiges Vorhaben „die Weichen in Richtung Zulassungsentscheidung gestellt hat“.

Dies wurde in der Vergangenheit bereits für Genehmigungsentscheidungen hinsichtlich Einkaufszentren im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1 Baunutzungsverordnung (BauNVO) angenommen, insofern sie als „sonstiger Belang“ einer Genehmigung im Außenbereich nach § 35 Abs. 2 BauGB entgegenstehen oder bei Bestehen eines Bebauungsplans dessen Festsetzungen widersprechen.

Geht es hingegen nicht um die Abwehr eines Einkaufszentrums im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO, sondern „nur“ um die Genehmigung eines großflächigen Einzelhandelbetriebs, ist nach der Rechtsprechung des OVG NRW für die Annahme eines aus § 2 Abs. 2 BauGB abgeleiteten Abwehranspruchs erforderlich, dass im Einzelfall ein interkommunaler Abstimmungsbedarf festgestellt werden kann, weil unmittelbare städtebauliche Auswirkungen gewichtiger Art auf die jeweilige Nachbargemeinde zu besorgen sind. Hierzu muss sich jedoch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren bei summarischer Prüfung hinreichend beurteilen lassen, ob das genehmigte Vorhaben zu unlösbaren städtebaulichen Auswirkungen gewichtiger Art im Bereich der Nachbargemeinde führt.

Im konkreten Fall hat das OVG NRW klargestellt, dass die Feststellung eines derartigen Verstoßes nach einer ersten Durchsicht der vorliegenden Gutachten nicht erfolgen konnte und die diesbezügliche Prüfung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleibt. Es hat daher eine allgemeine Interessenabwägung vorgenommen und dabei insbesondere den Interessen der Standortgemeinde und des Betreibers an der Verwirklichung des großflächigen Möbelhandels (städtebauliche Belange, Sicherung von Arbeitsplätzen) Vorrang eingeräumt.

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

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