Am 22.09.2021 hat die Bundesregierung eine Novelle der Bioabfallverordnung (BioAbfV) beschlossen, mit der unter anderem Vorgaben der Abfallrahmenrichtlinie (AbfRRL) in nationales Recht umgesetzt werden. Die Novelle dient vorrangig dem Ziel, den Eintrag von (Mikro-)Kunststoffen und anderen Fremdstoffen in die Umwelt im Rahmen der bodenbezogenen Verwertung von gesammelten Bioabfällen deutlich zu reduzieren. Durch die verschärften Vorgaben der neuen BioAbfV sollen in gesammelten Bioabfällen und verpackten Bioabfällen enthaltene Kunststoffabfälle bereits frühzeitig aus den Behandlungsprozessen herausgehalten werden. Für das Inkrafttreten der weit reichenden Änderungen der BioAbfV gelten allerdings lange Übergangsfristen.
Mit der Novelle wird der Anwendungsbereich der BioAbfV erweitert. Bisher galt die Verordnung nur für die Verwertung von Bioabfällen auf landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen und gärtnerisch genutzten Böden. Diese Einschränkung wird im Zuge der Novellierung gestrichen, mit der Folge, dass die Vorgaben der BioAbfV zukünftig für jede Anwendung in und auf Böden gelten. Außerdem wird klargestellt, dass die BioAbfV auch für verpackte Bioabfälle gilt. Diese Abfälle stellen eine neue Kategorie in der BioAbfV dar, die auch in die Gewerbeabfallverordnung (GewAbfV) aufgenommen wird, die zusammen mit der BioAbfV novelliert wird. Der Umgang mit verpackten Bioabfällen ist zukünftig in § 4a GewAbfV n.F. geregelt. Danach sind verpackte Bioabfälle, insbesondere verpackte Lebensmittelabfälle, vor dem Recycling oder der sonstigen stofflichen Verwertung einer gesonderten Verpackungsentfrachtung oder für eine bodenbezogene Verwertung einer Behandlung gemäß BioAbfV zuzuführen.
Zentrale Vorschrift der novellierten BioAbfV ist der neu eingefügte § 2a BioAbfV n.F. Dieser richtet sich an Entsorgungsträger, Erzeuger und Besitzer (Abs. 1) sowie Aufbereiter, Bioabfallbehandler und Gemischhersteller (Abs. 2). Erfasst sind somit alle Akteure, die mit der Bioabfallsammlung sowie der Zusammenstellung, Aufbereitung, Behandlung und Herstellung bioabfallhaltiger Gemische befasst sind. Allein die Regelung in Absatz 1 richtet sich dabei auch an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger.
In Absatz 3 werden die zukünftig geltenden Kontrollwerte für die maximale Belastung mit Kunststoffen in den zu behandelnden Bioabfällen festgelegt. Dabei werden abhängig von der Herkunft und der Beschaffenheit der Bioabfälle drei Fallgruppen unterschieden.
Grundsätzlich gilt für (unverpackte) Bioabfälle in flüssiger, schlammiger und pastöser Form sowie für verpackte Bioabfälle in flüssiger, schlammiger, pastöser und fester Form, dass der Anteil an Gesamtkunststoffen mit einem Siebdurchmesser von mehr als 2 Millimetern einen Kontrollwert von 0,5 Prozent bezogen auf die Trockenmasse des Materials nicht überschreiten darf. Dies bezieht sich auf Bioabfälle, die vom Aufbereiter zur Abgabe, vom Bioabfallbehandler für die Zuführung zur jeweils ersten Behandlung und vom Gemischhersteller für die Herstellung von Gemischen bestimmt sind.
Die BioAbfV sieht zwei Ausnahmen von diesem grundsätzlichen Kontrollwert von 0,5 Prozent bezogen auf die Trockenmasse des Materials vor. Eine Ausnahme bezieht sich auf Bioabfälle in fester Form. Für diese gilt zwar auch ein Kontrollwert von 0,5 Prozent, allerdings bezogen auf die Frischmasse des Materials und nicht auf die Trockenmasse. Es verändert sich also die Bezugsgröße des Kontrollwertes, während der Kontrollwert an sich mit 0,5 % gleichbleibt.
Eine zweite Ausnahme gilt für Bioabfälle in fester Form aus der getrennten Sammlung von privaten Haushaltungen und des angeschlossenen Kleingewerbes. Hier darf der Anteil der Gesamtkunststoffe einen Kontrollwert von 1 Prozent der Trockenmasse nicht überschreiten. In diesem Fall verändert sich nicht die Trockenmasse als Bezugsgröße, sondern der Kontrollwert verdoppelt sich. Diese Erhöhung des Kontrollwertes ist dem Umstand geschuldet, dass bei den genannten Abfällen nach dem gegenwärtigen Stand der Technik aufgrund der sehr heterogenen Zusammensetzung und der hohen Feuchtigkeit eine Fremdstoffentfrachtung zur Einhaltung des Regel Gesamtkunststoff-Kontrollwerts von 0,5 Prozent nicht möglich ist.
In Bezug auf die festgelegten Werte ist zu berücksichtigen, dass es sich um Kontrollwerte für den Erfolg der gegebenenfalls erforderlichen Fremdstoffentfrachtung und den Input zum ersten Behandlungsprozess handelt. Diese Werte stellen also keine Grenzwerte dar, durch deren Überschreitung Maßnahmen ausgelöst würden. Anders als bei Überschreitung eines Grenzwertes darf der Bioabfall bei Überschreitung des Kontrollwertes weiter in dem Behandlungsprozess verbleiben. Auch stellt die Überschreitung der Kontrollwerte bei der Abgabe der Bioabfälle durch den Entsorgungsträger, den Erzeuger oder den Besitzer keine Ordnungswidrigkeit dar.
Die Feststellung der Kontrollwerte und damit der Fremdstoffbelastung erfolgt durch Aufbereiter, Bioabfallbehandler und Gemischhersteller bei jeder Anlieferung auf Grundlage einer Sichtkontrolle (Abs. 4). Das Ergebnis der Sichtkontrolle bestimmt die weiteren Maßnahmen, die die beteiligten Akteure zur Erfüllung der Fremdstoffanforderungen durchzuführen haben. Ergeben sich bei dieser Kontrolle Anhaltspunkte dafür, dass bei Bioabfällen ein Fremdstoffanteil von 3 Prozent bezogen auf die Frischmasse des Materials überschritten wird, können der Aufbereiter, der Bioabfallbehandler und der Gemischhersteller vom Anlieferer die Rücknahme der Bioabfälle verlangen. Den Anlagenbetreibern steht also ein Zurückweisungsrecht zu.
An dieser Stelle besteht allerdings eine Diskrepanz. Gemäß § 2a Abs. 3 Satz 4 BioAbfV n.F. dürfen Bioabfälle in fester Form aus der getrennten Sammlung von privaten Haushalten nur einen Fremdstoffanteil von 1 % haben. Das Zurückweisungsrecht greift aber erst bei 3 % bezogen auf die Frischmasse ein. Liegt der Fremdstoffanteil zwischen 1 und 3 % können Aufbereiter, Behandler und Gemischhersteller die Bioabfälle also nicht zurückweisen, sondern tragen die Verantwortung für eine erforderliche Fremdstoffentfrachtung. Soweit sich bei übernommenen Bioabfällen bei der Sichtkontrolle Anhaltspunkte für eine Überschreitung der Kontrollwerte ergeben, haben nämlich grundsätzlich der Aufbereiter, der Bioabfallbehandler und der Gemischhersteller bei der Aufbereitung, vor der weiteren Behandlung und Gemischherstellung eine Fremdstoffentfrachtung durchzuführen. Konkrete Vorgaben, wie die Fremdstoffentfrachtung technisch auszusehen hat, werden nicht gemacht.
Ein Zurückweisungsrecht besteht zudem nur, soweit nichts anderes zwischen der entsorgungspflichtigen Gebietskörperschaft und dem (privaten oder kommunalen) Bioabfallbehandler vereinbart worden ist. Es besteht also die Möglichkeit für den Aufbereiter, den Bioabfallbehandler und den Gemischhersteller, auf das Zurückweisungsrecht zu verzichten. Dies ist für den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger vorteilhaft, da in diesem Fall nicht er die Verantwortung für eine Fremdstoffentfrachtung trägt. Die Möglichkeit auf das Zurückweisungsrecht zu verzichten könnte daher zur Folge haben, dass der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger einen solchen Verzicht bei künftigen Ausschreibungen zur Voraussetzung macht, mit der Folge, dass das Zurückweisungsrecht leerliefe.
Geregelt ist in § 2a Abs. 4 BioAbfV n.F. außerdem die Verpflichtung von Aufbereitern, Bioabfallbehandlern und Gemischherstellern, übernommene verpackte Bioabfälle, insbesondere verpackte Lebensmittelabfälle, von anderen Bioabfällen getrennt zu halten und vor einer Vermischung sowie
der weiteren Aufbereitung, Behandlung und Gemischherstellung eine gesonderte Verpackungsentfrachtung durchzuführen. Unklar ist, ob es sich bei der gesonderten Verpackungsentfrachtung nur um eine besondere Form der Fremdstoffentfrachtung handelt oder ob es nach der Verpackungsentfrachtung noch einer gesonderten Fremdstoffentfrachtung bedarf.
Neben den Kontrollwerten in § 2a BioAbfV n.F. wird mit der Novelle in § 3 Abs. 4 BioAbfV n.F. auch der höchstzulässige Fremdstoffgehalt im für die Aufbringung oder für die Gemischherstellung abgabefertigen Bioabfallmaterial (Gärrückstand, Kompost) an die Vorgaben der Düngemittelverordnung angepasst. Grund dafür ist, dass bodenbezogen zu verwertende Bioabfälle immer auch dem Düngerecht unterliegen. Der Anteil an Fremdstoffen mit einem Siebdurchgang von mehr als 1 Millimeter darf nach der Novellierung bezogen auf die Trockenmasse bei plastisch verformbaren Kunststoffen nur 0,1 % und bei den sonstigen Fremdstoffen (insbesondere Glas, Metalle, plastisch nicht verformbare Kunststoffe) 0,4 % betragen.
§ 2a Abs. 6 BioAbfV n.F. sieht vor, dass die Behörde im Einzelfall den Aufbereiter, den Bioabfallbehandler oder den Gemischhersteller verpflichten kann, Bioabfälle auf ihren Anteil an Gesamtkunststoffen zu untersuchen. Vergleichbare Maßnahmen gegen den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, den Erzeuger oder den Besitzer sind nicht vorgesehen.
Die Bundesregierung hat den Entwurf der Novelle der BioAbfV im September der EU-Kommission zur Notifizierung eingereicht. Nach Ablauf der dreimonatigen Stillhaltefrist wird sich der Bundesrat voraussichtlich zu Beginn des kommenden Jahres mit der Novelle befassen. Im Anschluss soll die Novelle im ersten Halbjahr 2022 im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Für das Inkrafttreten der Änderungen der BioAbfV sieht die Novelle allerdings eine Übergangsfrist von 12 Monaten vor. Davon abweichend treten die Regelungen des neugefassten § 2a BioAbfV n.F., also die Kontrollwerte und das Zurückweisungsrecht, sogar erst 36 Monate nach der Verkündung in Kraft.
Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte
Das dazu gehörige Fachseminar ist in der Seminarwelt des IWU Magdeburg auffindbar.