Kommunale Eigengesellschaft – kein Dritter im Erschließungsrecht – Urteil des BVerwG vom 01.12.2010

Dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.12.2010 (9 C 08.09) zufolge ist eine Gesellschaft des Privatrechts, die von der Gemeinde ganz oder mehrheitlich beherrscht wird, nicht Dritter im Sinne von § 124 Abs. 1 BauGB.

 

Die Kläger erwarben ein Grundstück von der Gemeinde, das von der Beklagten als Erschließungsgesellschaft, deren einzige Gesellschafterin die beigeladene Gemeinde war, auf der Grundlage eines Erschließungsvertrags mit der Gemeinde erschlossen worden ist. Der Erschließungsgesellschaft war die Erschließung eines Neubaugebiets und die Umlegung der Erschließungskosten auf die Eigentümer der unbebauten Grundstücke übertragen worden.

 

In dem Grundstückskaufvertrag hatten sich die Kläger verpflichtet, in den Erschließungsvertrag einzutreten. Daraufhin hatten sie Abschlagszahlungen auf die Erschließungskosten geleistet. Mit ihrer Klage forderten sie diese Zahlungen zurück, weil sie ohne Rechtsgrund erfolgt seien. In den Vorinstanzen (VG Stuttgart, Urteil vom 08.11.2007 – VG 2 2707/07 –; VGH Mannheim, Urteil vom 23.10.2009 – VGH 2 S 424/08 –) wurde die Klage abgewiesen.

 

Die Revision hatte Erfolg. Das Gericht erkannte den Erschließungsvertrag als nichtig. Im Wesentlichen wurde das Urteil auf folgende Erwägungen gestützt:

 

Die Erschließung der Grundstücke im Gemeindegebiet als Aufgabe der Gemeinde folge aus § 123 Abs. 1 BauGB. Die dadurch entstandenen Kosten der Gemeinde, abzüglich des Eigenanteils der Gemeinde in Höhe von 10 % des beitragsfähigen Aufwands, werden durch Erschließungsbeiträge gemäß §§ 127 ff. BauGB gedeckt.

 

Die Aufgabe der Erschließung könne durch Vertrag von der Gemeinde auf einen Dritten übertragen werden. Dieser sogenannte Erschließungsträger rechne die ihm entstandenen Kosten im Rahmen eines privatrechtlichen Rechtsgeschäfts gegenüber den Eigentümern bzw. Käufern der im Erschließungsgebiet gelegenen Grundstücke ab. Der Erschließungsträger sei an die für die Gemeinde geltenden Einschränkungen des Beitragsrechts nicht gebunden.

 

Diese Rechtslage sei zur Ausweisung und Schaffung von Bauland durch Gesetzesänderung geschaffen worden. Dabei habe der Gesetzgeber den privaten Erschließungsunternehmer als Investor vor Augen gehabt. Die gemeindliche Erschließungsgesellschaft sei damit nicht vergleichbar. Sie sei kein Dritter im Sinne von § 124 Abs. 1 BauGB. Ihre Einschaltung würde darauf hinauslaufen, dass die Gemeinde „im Mantel eines Privaten“ vertraglich die Erschließungskosten auf die Eigentümer bzw. Käufer abwälzen könnte, ohne an die Begrenzungen im Beitragsrecht gebunden zu sein.

 

Unabhängig von diesen Erwägungen hat das Gericht die Vertragsgestaltung im konkreten Einzelfall beanstandet. Danach hatte sich die Gemeinde umfangreiche Befugnisse vorbehalten, die ein unbeschränktes Recht zur Selbstvornahme bedeuteten, so dass es schon an einer „Übertragung“ im Sinne von § 124 Abs. 1 BauGB fehlte.

 

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

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