Kein Rechtsschutz des örE gegen gewerbliche Sammlungen

Mit Beschluss vom 19.06.2017 – 20 B 16.2248 – hat der VGH München (VGH) die Berufung eines öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers (örE) gegen eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung, mit der der Klage eines gewerblichen Sammlers gegen eine Untersagungsverfügung stattgegeben worden war, als unzulässig verworfen. Nach Ansicht des VGH war der örE durch die Entscheidung nicht beschwert, da ihm weder durch die bundesrechtlichen Überlassungspflichten noch durch die Aufgabenzuweisung im bayerischen Landesrecht subjektive Rechte eingeräumt würden. Die Regelungen bestünden vielmehr allein im öffentlichen Interesse.

Das verwaltungsgerichtliche Rechtsschutzsystem in Deutschland ist, von einigen hier nicht weiter interessierenden Ausnahmen abgesehen, auf den Schutz subjektiver Rechte ausgerichtet. So kann etwa einen Verwaltungsakt nur anfechten, wer geltend machen kann, durch diesen in eigenen Rechten verletzt zu sein; ein bloßes Interesse an der Aufhebung eines Verwaltungsakts genügt hierfür nicht. Ob und inwieweit eine gesetzliche Regelung Betroffenen subjektive Rechte einräumt, ist daher eine entscheidende Vorfrage für die bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten. Besondere Fragen ergeben sich dabei, wenn es sich bei dem Betroffenen um einen Hoheitsträger handelt. Denn diese nehmen in erster Linie Aufgaben im öffentlichen Interesse wahr, ohne dass mit dieser Aufgabenwahrnehmung regelmäßig eine subjektive Rechtsstellung einhergeht.

Vor diesem Hintergrund ist seit einiger Zeit auch die Frage umstritten, ob einem örE durch die abfallrechtlichen Überlassungspflichten (§ 17 Abs. 1 Kreislaufwirtschaftsgesetz – KrWG) und die damit im Zusammenhang stehenden Beschränkungen gewerblicher Sammlungen (§ 17 Abs. 3 KrWG) subjektive Rechte eingeräumt werden, welche er gegebenenfalls gerichtlich durchsetzen kann. Diese Frage stellt sich insbesondere in drei Konstellationen, nämlich erstens, wenn die zuständige Behörde die Untersagung einer gewerblichen Sammlung abgelehnt hat und der örE eine solche Untersagung gerichtlich erzwingen will – was insbesondere vorkommt, wenn die zuständige Behörde und der örE unterschiedlichen Verwaltungsträgern angehören –, zweitens, wenn der örE zu einem gerichtlichen Verfahren gegen eine Untersagung beigeladen werden soll, und drittens, wenn ein beigeladener örE gegen eine für den gewerblichen Sammler günstige Entscheidung des Gerichts Rechtsmittel einlegen will.

Der Entscheidung des VGH vom 19.06.2017 liegt die letztgenannte Konstellation zugrunde: Die Altmetallsammlung des betroffenen Sammelunternehmens wurde im November 2012 durch das Landratsamt Miltenberg untersagt. Hiergegen erhob das Unternehmen Anfechtungsklage beim VG Würzburg, die Erfolg hatte und zur Aufhebung der Untersagungsverfügung führte. Der betroffene örE, der zu dem Verfahren beigeladen worden war, legte gegen dieses Urteil Berufung ein, die vom VGH nunmehr wegen fehlender Beschwer als unzulässig verworfen wurde.

Nach Auffassung des VGH fehlt es an dem für eine materielle Beschwer erforderlichen Eingriff in subjektiv-öffentliche Rechte des beigeladenen örE. Solche ergäben sich weder durch die bundesgesetzliche Überlassungspflicht nach § 17 Abs. 1 KrWG noch durch die Zuweisung der Entsorgungsaufgabe als Pflichtaufgabe des eigenen Wirkungskreises durch das bayerische Landesrecht.

Die Überlassungspflicht für Abfälle aus privaten Haushaltungen bestehe ebenso wie die Ausnahmen von dieser Überlassungspflicht ausschließlich im öffentlichen Interesse; eine Zuerkennung subjektiver öffentlicher Rechte an den örE sei dadurch nicht bezweckt. Daran ändert es nach Auffassung des VGH auch nichts, dass der Gesetzgeber in § 17 Abs. 3 Satz 2 KrWG im Wege einer widerleglichen Vermutung ein einer gewerblichen Sammlung entgegenstehendes Überwiegen von öffentlichen Interessen bei einer Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des örE normiert hat. Denn bei der „Planungssicherheit“ und der „Organisationsverantwortung“ handele es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe, die nach der gesetzlichen Konzeption die Erforderlichkeitsschwelle im europarechtlichen Sinn definieren und konkretisieren. Sie könnten – so der VGH – die grundlegende Konzeption, die allein im öffentlichen Interesse und nicht im subjektiven Interesse des örE bestehe, nicht verändern.

Nach Ansicht des VGH lässt sich eine Verletzung des beigeladenen örE in eigenen Rechten auch nicht damit begründen, dass mit einer Pflicht normalerweise ein Recht korrespondiere. Der VGH bezweifelt schon, ob ein derart weiter Grundsatz überhaupt Geltung beanspruche. Jedenfalls sei für § 17 KrWG anerkannt, dass mit der Pflicht, die aus privaten Haushaltungen stammenden Abfälle dem örE zu überlassen, ein Anspruch des privaten Abfallerzeugers oder -besitzers auf Abnahme solcher Abfälle durch den örE korrespondiere. Dass daraus auch ein Recht des örE folgen müsse, ist nach Auffassung des VGH keinesfalls zwingend und widerspräche der gesetzgeberischen Konzeption.

Etwas anderes ergäbe sich nicht aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur sog. Irrelevanzschwelle. Auch wenn aus dieser Irrelevanzschwelle eine vergleichsweise günstige Position für die örE abzuleiten wäre, sei dies allein ein faktischer Reflex, begründe aber kein subjektives Recht.

Aus der Pflicht zur Beteiligung des betroffenen örE im Anzeigeverfahren (§ 18 Abs. 4 KrWG) ergibt sich nach Auffassung des VGH ebenfalls kein subjektives Recht, da diese Bestimmung allein der Informationsgewinnung der für die Untersagung einer gewerblichen Sammlung zuständigen Behörde diene.

Schließlich verneint der VGH eine subjektive Rechtsstellung aufgrund der landes-rechtlichen Aufgabenzuweisung. Durch diese würden den Landkreisen zwar im Allgemeinwohl liegende Pflichtaufgaben zugewiesen, diese würden dadurch aber nicht zu subjektiven Rechten. Eine Beeinträchtigung der übertragenen Aufgaben durch gewerbliche Sammlungen führe damit zwar möglicherweise zu einer durch die zuständigen Behörden im Rahmen des Gesetzes abzuwehrenden Beeinträchtigung des Allgemeinwohls, nicht jedoch zu einer im Wege eines Rechtsmittels abzuwehrenden subjektiven Rechtsverletzung.

Mit seiner begrüßenswerten Entscheidung hat sich der VGH einer Rechtsprechungslinie angeschlossen, die bisher bereits vom OVG Münster (Beschl. v. 08.04.2014, 20 E 547/13) und vom OVG Magdeburg (Urt. v. 17.03.2016, 2 L 45/14) vertreten wurde. Die Gegenposition wird – abgesehen von einer unbestimmten Vielzahl von Fällen, in denen eine unreflektierte Beiladung des betroffenen örE erfolgt ist – soweit ersichtlich nur in einem Zwischenurteil des VG Leipzig vom 18.11.2016 (1 K 1681/14) vertreten. Zu der Frage ist gegenwärtig allerdings ein Revisionsverfahren beim Bundesverwaltungsgericht anhängig, das voraussichtlich zu einer abschließenden Klärung führen wird.

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

Das dazu gehörige Fachseminar ist in der Seminarwelt des IWU Magdeburg auffindbar.