Immissionsschutz bei planfestgestellten Steinbrüchen

Vorhaben wie die Erweiterung von Steinbrüchen sind unter bestimmten Voraussetzungen planfeststellungsbedürftig. Dann gilt der Grundsatz der Abwägung. Dies hat zur Folge, dass es der Planfeststellungsbehörde trotz prognostizierter Einhaltung der Richtwerte der TA Lärm durch den beantragten Steinbruchbetrieb möglich ist, die Interessen des Steinbruchbetreibers an einer Ausschöpfung der Richtwerte mit Blick auf den Schutz der Wohnbevölkerung im Wege der Abwägung zu überwinden und durch immissionsschutzrechtliche Nebenbestimmungen zum Planfeststellungsbeschluss Betriebsbeschränkungen anzuordnen. Anders als bei Genehmigungen nach dem BImSchG, die bei Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen gebunden zu erteilen sind, besteht trotz Erfüllung der materiellen immissionsschutzrechtlichen Anforderungen durch das Vorhaben für den Vorhabenträger lediglich ein Anspruch auf abwägungsfehlerfreie Planfeststellung, nicht aber auf Zulassung des Vorhabens unter Ausschöpfung der Richtwerte. Vorhabenträger sollten diesem Umstand bereits im Rahmen der Antragstellung im Planfeststellungsverfahren Rechnung tragen.

Gegenstand des jüngst veröffentlichten Urteils des OVG NRW vom 30.04.2010 – 20 A 3379/07 – ist das Vorhaben der Klägerin, einem Unternehmen zur Gewinnung von Kalkstein und anschließenden Weiterverarbeitung in Kalkwerken, einen von ihr betriebenen Steinbruch zu erweitern und einen weiteren neu aufzuschließen. Beabsichtigt war eine Abgrabung bis unterhalb des natürlichen Grundwasserstandes (Nassabgrabung). Nach Abschluss der Abgrabungen sollte durch das wiederansteigende Grundwasser eine offene Wasserfläche hergestellt werden. Der Neuaufschluss des Steinbruchs sollte bis auf 600 m an eine Wohnsiedlung heranreichen. Der Kalkstein sollte durch Sprengarbeiten gewonnen werden. Die nach Sprengungen bei übergroßen Gesteinsstücken, den sog. Knäppern, vor der Weiterverarbeitung erforderliche Nachzerkleinerung sollte unter Einsatz eines Knäppergeräts, d.h. eines Baggers mit Hydraulikhammer, oder einer Fallkugel, oder durch Bohr- und Sprengarbeiten erfolgen. Als Betriebszeit war der Zeitraum von 6 – 22 Uhr von montags bis samstags geplant. Der gewonnene Kalkstein war für Verarbeitungsanlagen der Klägerin sowie ein geplantes Zementwerk bestimmt.

Im wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahren für das Vorhaben gem. § 31 Abs. 2 WHG a.F., dessen Durchführung wegen der Nassabgrabung erforderlich war, erließ die beklagte Planfeststellungsbehörde diverse immissionsschutzrechtliche Nebenbestimmungen. Danach sind, anders als von der Klägerin beantragt, Arbeiten samstags nur zwischen 8 – 17 Uhr zulässig. Samstags dürfen zudem nur Gewinnungssprengungen durchgeführt werden; die Knäpperzerkleinerung durch Bohr- und Sprengarbeiten ist dagegen unzulässig.

Gegen diese Nebenbestimmung richtete sich die Verpflichtungsklage der Klägerin. Ihr Ziel war, eine Erweiterung der Zulassungswirkung des Planfeststellungsbeschlusses über dessen bisherigen Regelungsgehalt hinaus zu erreichen, indem die samstägliche Betriebszeit wie beantragt auf 6 – 22 Uhr erweitert wird und das Verbot von samstäglichen Sprengungen zum Zwecke der Knäpperzerkleinerung entfällt. Zur Begründung führte die Klägerin im Wesentlichen an, dass ausweislich der vorgelegten Lärmimmissionsprognosen der zeitlich und um bestimmte Sprengarten erweiterte Samstagsbetrieb die maßgeblichen Richtwerte der TA Lärm im angrenzenden Wohngebiet einhält. Daher sei sichergestellt, dass die Nachbarschaft keinen erheblichen Lärmimmissionen ausgesetzt werde. Weil die maßgeblichen immissionsschutzrechtlichen Vorgaben abschließend seien, komme ihre Verschärfung im Wege der Abwägung im Rahmen des wasserrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses nicht in Betracht.

Das OVG NRW hat auf die Zulässigkeit des Verpflichtungsbegehrens der Klägerin erkannt, indes die Klage als unbegründet abgewiesen. Hierzu hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Zwar würden die aus der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbedürftigkeit der Steinbrüche (§ 4 Abs. 1 Satz 1 und 3 BImSchG i.V.m. Nr. 2.1 Spalte 1 des Anhangs zur 4. BImSchV) folgenden materiellen Anforderungen des Immissionsschutzrechts an das Vorhaben, hier zum Lärmschutz, im Rahmen der wasserrechtlichen Planfeststellung nicht verdrängt. Dass, wie durch die Lärmprognosen dargelegt, der Betrieb des Steinbruchs samstäglich zwischen 6 – 22 Uhr einschließlich der Durchführung von Zerkleinerungssprengungen die materiellen Anspruchsvoraussetzungen einer immissionsschutzrechtlich gebundenen Genehmigungsentscheidung gem. § 6 Abs. 1 BImSchG erfüllt und das Vorhaben daher immissionsschutzrechtlich genehmigungsfähig ist, lasse aber nicht das mit der wasserrechtlichen Planfeststellungsbedürftigkeit einhergehende Erfordernis der planerischen Abwägung entfallen. Denn der Betrieb der Steinbrüche würde einzig durch den wasserrechtlichen Planfeststellungsbeschluss als einheitlicher Gesamtentscheidung über die Vereinbarkeit des Vorhabens zugelassen, die immissionsschutzrechtliche Genehmigung insoweit lediglich konzentriert. Daher sei es der Planfeststellungsbehörde grundsätzlich möglich gewesen, der Klägerin im Rahmen der für die wasserrechtliche Planfeststellung erforderlichen Abwägung trotz nachweislicher Einhaltung der Lärmrichtwerte der TA Lärm über Nebenbestimmungen aufzugeben, den Samstagsbetrieb einzuschränken.

Die dahin lautende Entscheidung sei auch frei von Abwägungsfehlern erfolgt. Denn die Planfeststellungsbehörde durfte ein besonderes Schutzbedürfnis der Anwohner des nahegelegenen Wohngebietes an Samstagen in den Abwägungsprozess einstellen. Zwar seien Samstage nach den Regelungen der TA Lärm oder des Feiertagsgesetzes NRW den übrigen Werktagen (Montag bis Freitag) gleichgestellt, so dass sich insoweit keine besondere Schutzbedürftigkeit ergebe. Es sei indes inzwischen gesellschaftliche Realität und allgemein anerkannt, dass Samstage für Berufstätige vielfach arbeitsfrei seien, mit der Folge, dass sie zur Erholung und Freizeitgestaltung genutzt würden. Hierzu würden aber gerade Wohngrundstücke stärker in Anspruch genommen als an anderen Werktagen. Außerdem habe die Klägerin im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens selbst bekundet, Sprengungen an Samstagen nach Möglichkeit vermeiden zu wollen, und zudem die von ihr im gerichtlichen Verfahren behaupteten Produktionsausfälle durch die samstäglichen Betriebsbeschränkungen nicht hinreichend substantiiert. Insgesamt sei die in der streitigen Nebenbestimmung festgesetzte Betriebsbeschränkung objektiv vertretbar und auch sonst verhältnismäßig, sodass die Beklagte letztlich das samstägliche Ruhebedürfnis der Wohnbevölkerung abwägungsfehlerfrei den betrieblichen Interessen der Klägerin überordnen konnte, indem sie die streitgegenständlichen Nebenbestimmungen erließ.

Von Interesse ist die Entscheidung, als sie einmal mehr den Unterschied zwischen einem jeglicher Abwägung entzogenen, gebundenen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung nach dem BImSchG einerseits und eine Anspruch auf eine lediglich (aber immerhin) abwägungsfehlerfreie Entscheidung im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens andererseits verdeutlicht: Gilt im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren der Grundsatz, dass Richtwerte ausgeschöpft werden können und dies einer Genehmigungserteilung nicht entgegensteht, so kann im Gefolge einer fehlerfreien planfeststellungsrechtlichen Abwägung trotz prognostizierter Einhaltung der Immissionsrichtwerte dem Vorhabenträger ein verminderter Betriebsumfang aufgezwungen werden.

Die Entscheidung zeigt zudem, dass es für Vorhabenträger angezeigt ist, sich vor Einleitung des Planfeststellungsverfahrens Klarheit über den Tätigkeitsumfang zu verschaffen, den sie planfestgestellt haben möchten, und dies im Planfeststellungsverfahren zu artikulieren. Hätte die Klägerin im vorliegenden Fall die betrieblichen Erfordernisse eines erweiterten Samstagsbetriebs rechtzeitig belastbar dargestellt, so hätte die Planfeststellungsbehörde jedenfalls erheblich mehr argumentativen Aufwand betreiben müssen, um die von ihr gewählte Nebenbestimmung zu rechtfertigen.

Im Ergebnis provoziert die Entscheidung ein Gefühl wertungsmäßiger Unstimmigkeit: Denn es ist allein der Umstand, dass das Vorhaben wasserrechtliche Berührungspunkte aufweist (Nassabgrabung), der eine höhere Gewichtung immissionsschutzrechtlicher Belange der Wohnbevölkerung im Wege der Abwägung zulässt. Wäre das Vorhaben allein nach BImSchG zu beurteilen gewesen, wäre die Wohnbevölkerung, die gleichermaßen wie für das wasserrechtliche Planfeststellungsverfahren beantragt vom Lärm betroffen worden wäre, von einer vermehrten Lärmbelästigung an Samstagen nicht verschont worden. Die die Planfeststellungsbedürftigkeit auslösenden, durch das Vorhaben der Klägerin berührten wasserrechtlichen Belange können jedenfalls im Ergebnis wertungsmäßig nicht ausreichen, immissionsschutzrechtlich ein höheres Schutzbedürfnis der Wohnbevölkerung zu begründen, als es bei einer BImSchG-Genehmigung ohne wasserrechtliche Bezüge zu gewährleisten gewesen wäre.

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

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