Konkurrenz wasserwirtschaftlicher Vorhaben

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat sich in einem Urteil vom 02.02.2010 (B V 08.1113, NVwZRR 2010, 677 ff.) mit der wasserbehördlichen Auswahlentscheidung zwischen konkurrierenden wasserwirtschaftlichen Vorhaben beschäftigt. Seine Erkenntnisse betreffen zusammentreffende Vorhaben der Wasserkraftnutzung und sind für den Rechtsschutz wie auch für die Schranken des wasserrechtlichen Bewirtschaftungsermessens beachtenswert. Dies gilt nicht nur in Bayern, sondern bundesweit.

Der „Kampf ums Wasser“ kann von existenzieller Bedeutung sein, wenn die verfügbaren Wasserrressourcen knapp sind und wasserwirtschaftliche Vorhaben mehrerer Antragsteller miteinander konkurrieren. Das Wasserhaushaltsgesetz (neuer wie alter Fassung) trifft keine Regelung für den wasserrechtlichen Konkurrentenstreit. Jedoch enthalten alle Landeswassergesetze Bestimmungen, die der Konkurrenz wasserrechtlicher Erlaubnis- oder Bewilligungsanträge gelten. So bestimmt § 28 LWG NRW: Treffen Anträge auf Zulassung von Gewässerbenutzungen zusammen, die sich auch bei Festsetzung von Nebenbestimmungen ganz oder teilweise gegenseitig ausschließen, so ist die Bedeutung der beabsichtigten Benutzung für das Wohl der Allgemeinheit maßgebend. Ausführlicher und differenzierter regelt Art. 19 BayWG die wasserwirtschaftliche Konkurrenz: Treffen mehrere Erlaubnisoder Bewilligungsanträge zusammen, die sich gegenseitig ausschließen, so entscheidet „zunächst die Bedeutung der beabsichtigten Benutzung für das Wohl der Allgemeinheit unter besonderer Berücksichtigung der wasserwirtschaftlichen Auswirkungen“ (Art. 19 Satz 1 BayWG). Stehen mehrere beabsichtigte Benutzungen hiernach einander gleich, so gebührt „zunächst dem Antrag des Gewässereigentümers, sodann demjenigen Antrag der Vorzug, der zuerst gestellt wurde“ (Art. 19 Satz 2 BayWG). Soweit durch Vertrag oder förmlichen Bescheid eine Erlaubnis oder Bewilligung in Aussicht gestellt ist, darf sie einem Dritten nicht erteilt werden, es sei denn, dass der durch die Inaussichtstellung Begünstigte zustimmt (Art. 19 Satz 3 BayWG).

Auf dieser Grundlage hat sich der BayVGH in dem Urteil v. 02.02.2010 in bemerkenswerter Weise zum wasserrechtlichen Konkurrentenstreit geäußert. Seine Aussagen münden in drei Leitsätze, die über Bayern hinaus Beachtung verdienen.

Der erste Leitsatz mutet aus der Perspektive des Rechtsschutzes auf den ersten Blick befremdlich an: Die Auswahlentscheidung nach Art. 19 Satz 1 BayWG stellt hiernach keinen Verwaltungsakt dar. Gewiss wurde schon in der bisherigen Kommentarliteratur die Auffassung vertreten, dass Art. 19 Satz 1 und 2 BayWG keine formelle (Vor-)Entscheidung der Wasserbehörde regele; über die Rangfolge der gestellten Anträge werde vielmehr inzidenter – wenn auch eigens begründungsbedürftig – „durch die Entscheidung über die Anträge überhaupt entschieden“ (so Knopp, in: Sieder/Zeitler, BayWG, Art. 19 Rn. 11). Diese Aussage könnte man so verstehen, dass die wasserbehördlichen Entscheidungen über die konkurrierenden Erlaubnis- oder Bewilligungsanträge insgesamt als Verwaltungsakte zu deuten seien und folglich allein mit einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage zum Gegenstand eines Verwaltungsrechtsstreits gemacht werden könnten. Jedenfalls kann derjenige, dessen Erlaubnis- oder Bewilligungsantrag abgelehnt wird, eine verwaltungsprozessuale Verpflichtungsklage erheben und zur Begründung geltend machen, seinem Antrag habe der Vorzug gebührt. Ob er einen Erlaubnis- oder Bewilligungsbescheid, der zugunsten seines Konkurrenten ergangen ist, als drittbelastenden Verwaltungsakt anfechten kann, könnte mithin zumindest erwägenswert erscheinen.

Der BayVGH hat in seinem Urteil v. 02.02.2010 indessen einen anderen Weg eingeschlagen. Er sieht die Entscheidung nach Art. 19 Satz 1 BayWG als behördliche Verfahrenshandlung i.S. von § 44 a Satz 1 VwGo an, gegen die der Betroffene grundsätzlich nur gleichzeitig mit den gegen die abschließende Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen vorgehen kann. Damit wird der Rechtsschutz auf den Weg der allgemeinen Leistungsklage verwiesen und scheinbar zeitlich hinausgeschoben.

Auch der zweite Leitsatz, der dem Urteil des BayVGH vorangestellt ist, scheint die Macht der Wasserbehörde zu stärken. Dieser kommt – so der Gerichtshof – bei der Auswahlentscheidung zwischen konkurrierenden Vorhaben ein Beurteilungsspielraum zu.

Erst der dritte Leitsatz des Urteils wendet das Bild: Hat die Auswahlentscheidung unzumutbare Auswirkungen auf den unterlegenen Vorhabenträger, so steht ihm nach dem Urteil des BayVGH die allgemeine Leistungsklage offen. Der Vollzug der Auswahlentscheidung steht in einem solchen Fall nach Ansicht des Gerichtshofs der Vollstreckung i.S. des § 44 a Satz 2 VwGO gleich. Als entscheidend sieht der Gerichtshof an, dass der Vollzug der Auswahlentscheidung nicht zu einem für den unterlegenen Konkurrenten unzumutbaren Zustand führen darf. Der verfassungsrechtlich durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistete Rechtsschutz darf hiernach nicht zu unzumutbaren Nachteilen führen, die in einem späteren Gerichtsverfahren nicht mehr vollständig zu beseitigen sind. Deshalb kann es bei verfassungskonformer Auslegung des § 44 a Satz 2 VwGO geboten sein, Rechtsbehelfe gegen die Auswahlentscheidung als vorausgehende Verfahrenshandlung zuzulassen, soweit der Rechtsschutz gegen den abschließenden Verwaltungsakt (im Ausgangsfall gegen einen wasserrechtlichen Planfeststellungsbeschluss) nicht ausreicht, um eine Rechtsverletzung effektiv abzuwehren (so der BayVGH unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerfG und des BVerwG).

Die auf den ersten Blick gewunden anmutende Konstruktion des Rechtsschutzes über die allgemeine Leistungsklage und § 44 a Satz 2 VwGO entpuppt sich damit als wasserrechtsadäquates Instrument des rechtzeitigen und effektiven Rechtsschutzes für den unterlegenen Konkurrenten.

Die rechtsschutzfreundliche Stoßrichtung des Urteils wird durch die Ausführungen des BayVGH zur Begründetheit der allgemeinen Leistungsklage bestätigt. Nach der Erkenntnis des Gerichtshofs war die Auswahlentscheidung der Wasserbehörde trotz des administrativen Beurteilungsspielraums rechtswidrig, weil

 

− die behördliche Entscheidung aufgrund einer unzutreffenden wasserwirtschaftlichen Bewertung des Vorhabens des begünstigten Unternehmens eine Konkurrenzsituation unterstellte, obwohl das bevorzugte Vorhaben nach sachverständigen Äußerungen von vornherein (wegen unzulässigen Schwellbetriebs) nicht gestattungsfähig war,

 

− das Vorhaben des unterlegenen (und nunmehr klagenden) Konkurrenten von der Wasserbehörde bei ihrer Auswahlentscheidung ohne Rechtsfehler als grundsätzlich gestattungsfähig angesehen worden war und

 

− das Vorhaben des begünstigten Unternehmens – anders als das planerisch unveränderte Vorhaben des unterlegenen Konkurrenten – zwischenzeitlich mehreren wesentlichen Änderungen unterzogen worden war, so dass die Auswahlentscheidung (unabhängig von der fehlenden Gestattungsfähigkeit des bevorzugten Vorhabens) jedenfalls gegenstandslos (obsolet) geworden war.

 

Zusammenfassung

 
Die Konkurrenz wasserwirtschaftlicher Vorhaben, z.B. solcher der Wasserkraftnutzung, ist durch die Vorschriften der Landeswassergesetze über das Zusammentreffen von Erlaubnis- oder Bewilligungsanträgen verrechtlicht. Bei der erforderlichen Auswahlentscheidung zwischen den konkurrierenden Vorhaben verfügt die Wasserbehörde zwar über einen Beurteilungsspielraum. Sie unterliegt hierbei jedoch der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Für deren Ausübung hat der BayVGH in prozessualer wie in materiellrechtlicher Hinsicht rechtsschutzfreundliche, bundesweit gültige Wege aufgezeigt.

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