Fehler bei der Umweltverträglichkeitsprüfung

Erweiterte Möglichkeiten zur Aufhebung von Genehmigungen und sonstigen behördlichen Entscheidungen?

 

Mit Beschluss vom 12.01.2012 – 7 C 20.11 hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, welche u.a. die Vereinbarkeit von Regelungen des deutschen Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG) zur Beachtlichkeit von Fehlern bei der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) mit europäischen Recht zum Gegenstand haben. Von der Antwort des EuGH wird abhängen, ob – über die sogenannte „Trianel- Entscheidung“ des EuGH hinaus – die Möglichkeiten, bestimmte behördliche Entscheidungen auf der Grundlage des UmwRG aufzuheben, (nochmals) erweitert werden.

 

Das UmwRG ermöglicht es (Umwelt) Vereinigungen, Bewilligungen, Erlaubnisse, Genehmigungen, Planfeststellungsbeschlüsse und sonstige behördliche Entscheidungen, für die eine UVP nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) durchgeführt werden muss, vor den Verwaltungsgerichten anzugreifen. Gleiches gilt etwa auch für bestimmte Genehmigungen und Entscheidungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG).

 

Die Voraussetzungen, unter denen Vereinigungen erfolgreich die Aufhebung der vorbenannten behördlichen Entscheidungen verlangen können, hatte der EuGH – auf Ersuchen des Oberverwaltungsgerichts des Landes NRW – mit Urteil vom 12.03.2011 – C-115/09 („Trianel“) erweitert. Gemäß § 2 Abs. 5 Nr. 1 UmwRG ist der Rechtsbehelf einer Vereinigung nur dann begründet, wenn die angegriffene behördliche Entscheidung gegen Normen des Umweltrechts verstößt, die Rechte Einzelner begründen (sogenannte drittschützende Vorschriften). Ein Verstoß gegen rein objektive, nicht auch drittschützende Normen des Umweltrechts reicht dagegen nicht. § 2 Abs. 5 Nr. 1 UmwRG ist insoweit aus der Sicht des EuGH mit den unionsrechtlichen Vorgaben des UmwRG nicht vereinbar. Vereinigungen müssten vielmehr Verstöße gegen jedwedes objektives Umweltrecht rügen können, das unionsrechtlichen Ursprungs ist. Welche Konsequenzen diese Entscheidung hat, sei an einem Beispiel verdeutlicht: Vereinigungen sind von nun an nicht mehr darauf beschränkt, Verstöße beispielsweise gegen (drittschützende) Immissionsrichtwerte der TA Lärm einzuklagen, sondern sie sind auch berechtigt, die (in der Regel nichtdrittschützenden) Emissionswerte der 17. BImSchV (Verordnung über die Verbrennung und die Mitverbrennung von Abfällen), sofern sie unionsrechtlich vorgegeben sind, einzuklagen. Damit einher geht eine nicht zu unterschätzende Erweiterung der Klagemöglichkeiten von (Umwelt)Vereinigungen gegen behördliche Entscheidungen.

 

Mit seinem Beschluss vom 12.01.2012 – 7 C 20.11 hat das BVerwG dem EuGH u.a. Fragen zur Vereinbarkeit von Regelungen des UmwRG zur Handhabung fehlerhafter UVP mit Unionsrecht vorgelegt. Die Vorinstanz – das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (OVG) – hatte über die Rechtmäßigkeit eines wasserrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses zu entscheiden, mit welchem eine Hochwasserrückhaltung auf einer Fläche von ca. 327 ha genehmigt werden sollte. Von der Planfeststellung betroffen waren in erster Linie landwirtschaftlich genutzte Grundstücke und Waldflächen. Geklagt hatten u.a. eine Gemeinde, weil die geplanten Rückhalteräume Teile ihres Gemeindegebietes erfassten, sowie eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die im Geltungsbereich des Planfeststellungsbeschlusses Obst und Gemüse anbaut. Die Kläger rügten u.a. inhaltliche Mängel der für den Planfeststellungsbeschluss durchgeführten UVP. Ihre Klage blieb ohne Erfolg.

 

Im Rahmen der gegen die Entscheidung des OVG gerichteten Revision vor dem BVerwG kommt es aus Sicht des BVerwG u.a. darauf an, ob § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG mit unionsrechtlichen Vorgaben vereinbar ist. Nach dieser Vorschrift kann eine behördliche Entscheidung nur aufgehoben werden, wenn die erforderliche UVP bzw. die erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls über die UVP-Pflichtigkeit nicht durchgeführt worden und auch nicht nachgeholt worden ist. Inhaltliche Mängel einer durchgeführten UVP berechtigen dagegen nicht zur Aufhebung der Entscheidung. Insoweit hat das BVerwG Zweifel an der Vereinbarkeit des § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG mit den maßgeblichen unionsrechtlichen Vorgaben geäußert und daher den EuGH um Entscheidung der Frage ersucht, ob auch inhaltliche Mängel einer UVP zur Aufhebung der angegriffenen behördlichen Entscheidung verpflichten.

 

Bejahendenfalls ist aus Sicht des BVerwG vom EuGH die – weitere – Frage zu klären, ob die ständige Rechtsprechungspraxis der deutschen Gerichte, wonach Verfahrensmängel – dazu zählen auch Mängel einer UVP – nur dann zur Rechtswidrigkeit der behördlichen Entscheidung führen, wenn die konkrete Möglichkeit besteht, dass die angefochtene Entscheidung ohne den Verfahrensmangel anders ausgefallen wäre, mit Unionsrecht vereinbar ist. Aus dieser Rechtsprechungspraxis ergab sich bei entsprechender Verteidigung der vor Gericht angegriffenen behördlichen Entscheidung bisher die Möglichkeit, die Aufhebung der behördlichen Entscheidung wegen Fehlerhaftigkeit der UVP zu vermeiden.

 

Sollte der EuGH darauf erkennen, dass § 4 Abs. 1 Satz 1 UmwRG und die vorbenannte Rechtsprechungspraxis nicht mit europäischem Recht vereinbar sind, so würden sich hieraus erhebliche Weiterungen der gerichtlichen Überprüfbarkeit von fehlerhaft durchgeführten UVP und der damit begründeten gerichtlichen Aufhebungsmöglichkeiten behördlicher Entscheidungen ergeben. Diese Weiterungen wären dabei nicht nur auf Klagen von (Umwelt)Vereinigungen beschränkt, sondern würden wegen der Regelung in § 4 Abs. 3 UmwRG in jedem Klageverfahren gegen eine behördliche Entscheidung Geltung beanspruchen, die eine mit inhaltlichen Mängeln behaftete UVP zum Gegenstand hat.

 

Die Entscheidung des EuGH ist daher mit Spannung zu erwarten. Von Relevanz ist sie für Anlagenbetreiber und im weitesten Sinne Vorhabenträger, deren Anlagen/Vorhaben UVP-pflichtig sind.

 

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

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