Seit dem 01.03.2010 „sollen“ (statt „können“) die zuständigen Behörden den Betreibern von Abfallentsorgungsanlagen die Leistung einer Sicherheit auferlegen. §§ 12 Abs. 1 Satz 2 und 17 Abs. 4a Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) sind somit aus Sicht der Anlagenbetreiber verschärft worden. In der Praxis werden aktuell vor allem Fragen der angemessenen Höhe der Sicherheitsleistung sowie des insolvenzfesten Sicherungsmittels diskutiert. In einigen Bundesländern kommt als Sicherungsmittel die Patronatserklärung in Betracht. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung im Land Brandenburg hat nun einen ministeriellen Erlass bestätigt, der die Nutzung dieses Sicherungsmittels praktisch ausschließen dürfte.
In Eilentscheidungen des Verwaltungsgerichts (VG) Frankfurt (Oder) (Beschluss vom 05.11.2011, 5 L 197/11) und des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 21.12.2011, 11 S 62.11) ging es um die Frage, unter welchen Bedingungen der Betreiber einer Abfallentsorgungsanlage zur Leistung einer Sicherheit zur Sicherstellung der Pflichten nach § 5 Abs. 3 BImSchG auf die Beibringung einer „harten“ Patronatserklärung zurückgreifen dürfe.
§ 5 Abs. 3 BImSchG bestimmt, dass genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten, zu betreiben und stillzulegen sind, dass auch nach einer Betriebseinstellung von der Anlage oder dem Anlagengrundstück keine schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorgerufen werden können, vorhandene Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet oder ohne Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit beseitigt werden und die Wiederherstellung eines ordnungsgemäßen Zustandes des Betriebsgeländes gewährleistet ist. Typischerweise wird hierfür von den Behörden die Hinterlegung einer selbstschuldnerischen Bankbürgschaft präferiert.
Im Vollzugserlass des Ministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg (MUGV) vom 18.10.2010 („Sicherheitsleistungen bei Abfallentsorgungsanlagen“) wird ausdrücklich auch die „harte“ Patronatserklärung als mögliches Sicherungsmittel erwähnt. Bei einer „harten“ Patronatserklärung haftet der Patron bei Insolvenz des Schuldners, für den er die Erklärung abgegeben hat, bürgenähnlich neben dem Schuldner. Die Patronatserklärung sei jedoch nur dann anzuerkennen, so der Erlass, wenn sie hinreichend werthaltig sowie insolvenzfest sei und dem unmittelbaren Zugriff der Behörde unterliege. Regelmäßig komme es dabei auf die Bonität und Solvenz des Patrons an.
In einem weiteren Erlassschreiben des MUGV vom 11.04.2011 heißt es dann, dass Patronatserklärungen nur dann anerkannt würden, wenn der Patron über eine Bonität entsprechend IFD-Rangstufe I, Ausfallrate bis 0,3, verfüge. IFD ist die Abkürzung für die „Initiative Finanzstandort Deutschland“, einem Zusammenschluss von Banken, Sparkassen und Verbänden, der in einer Broschüre konkrete Ratingstufen definiert hat, die jeweils eine Bandbreite von Ausfallwahrscheinlichkeiten wiedergeben. Durch die Zuordnung zu einer Ratingstufe soll sich erkennen lassen, mit welcher mittleren Wahrscheinlichkeit eine Bank oder Sparkasse aufgrund historischer Erfahrungen damit rechnet, dass ein Kreditnehmer während des kommenden Jahres ausfallen könnte. Die Kreditgeber können damit den Kreditzins berechnen. Insgesamt werden sechs Ratingklassen gelistet, von Ratingstufe I mit „sehr guter bis guter Bonität“ bis hin zu Ratingklasse VI mit „sehr hohem Risiko“.
In dem Entscheidungsfall hatte ein in einem konzernartigen Verbund geführtes Tochterunternehmen zur Leistung der behördlich geforderten Sicherheit eine Patronatserklärung der führenden Gesellschaft beigebracht. Die zuständige Behörde akzeptierte dieses Sicherungsmittel jedoch nicht und begründete dies unter anderem damit, dass die Patronatserklärung nicht werthaltig genug sei, weil der Patron lediglich der Ratingklasse III der IFD zuzuordnen sei. Die Ratingklasse III beschreibt Unternehmen mit „befriedigender bzw. noch guter Bonität.“ Im gerichtlichen Eilverfahren begehrte die betroffene Anlagenbetreiberin die Akzeptanz des von ihr statt einer Bankbürgschaft vorgelegten Sicherungsmittels. Sie konnte mittels eines Testats des Wirtschaftsprüfers des Patrons nachweisen, dass der Patron über ausreichend Vermögen verfüge, den durch die Patronatserklärung gesicherten Betrag leisten zu können. Das testierte Eigenkapital des Patrons überstieg den Betrag der Sicherheitsleistung um mehr als das Hundertfache, die testierte Bilanzsumme war fünfhundertfach größer als die geforderte Sicherungsleistung.
Sowohl das VG Frankfurt (Oder) als auch das OVG Berlin-Brandenburg gaben jedoch der Behörde recht: Zwar sei die „harte“ Patronatserklärung grundsätzlich ein taugliches Sicherungsmittel, jedoch habe das MUGV ermessenslenkend konkretisieren und klarstellen dürfen, dass nur bei einem Nachweis der höchsten Ratingstufe nach der „IFD-Broschüre“ eine „harte“ Patronatserklärung anzuerkennen sei. Einen Anspruch auf Anerkennung der von der Antragstellerin vorgelegten „harten“ Patronatserklärung mit entsprechendem Bonitätsnachweis durch Wirtschaftsprüfertestat lehnten die Gerichte ab.
Die Entscheidungen und die ihr zugrundliegende Vollzugspraxis haben weitreichende Folgen. „Harte“ Patronatserklärungen können im Land Brandenburg damit praktisch nicht zum Zuge kommen. Denn selbst umsatz- und ertragsstarke Unternehmen weisen nur in den seltensten Fällen eine Bonität der höchsten Ratingstufe (z.B. AAA) nach. In der Entsorgungswirtschaft ist dies eher unüblich; Ausnahmen mögen die Regel bestätigen. Die ursprünglich im Runderlass vom 18.10.2010 eröffnete Möglichkeit, die Sicherheitsleistung durch eine „harte“ Patronatserklärung beibringen zu können, ist durch die anschließende „Klarstellung“ des MUGV vom 11.04.2011 ad absurdum geführt worden. Damit geht das Land Brandenburg im Vergleich zu anderen Bundesländern, die für die Akzeptanz von Konzernbürgschaften oder Patronatserklärungen auf ein jährlich zu erneuerndes Wirtschaftsprüfertestat abstellen, einen Sonderweg und verschlechtert somit die Wettbewerbslage der privaten Entsorgungswirtschaft des Landes. Der Umstand, dass gleichzeitig die kommunale Entsorgungswirtschaft von der Leistung einer Sicherheit grundsätzlich befreit ist, schafft weitere Wettbewerbsverzerrungen (und entbehrt angesichts der Kassenlage in den meisten Kommunen des Landes Brandenburg nicht einer gewissen Komik).
Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte