Entzug eines Entsorgungsfachbetriebszertifikats

Das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen hat in einem aktuellen Beschluss vom 19.12.2012 – 14 L 1242/12 – entschieden, dass es keine Rechtsgrundlage für eine gegen einen Zertifizierer gerichtete Anordnung der zuständigen Behörde gibt, einem überwachten Unternehmen das Zertifikat als Entsorgungsfachbetrieb zu entziehen.

In dem dem Beschluss zugrundeliegenden Sachverhalt hatte die zuständige Behörde einem zertifizierten Entsorgungsfachbetrieb die Zuverlässigkeit abgesprochen und mittels einer Anordnung die Technische Überwachungsorganisation (Zertifi­zierer) verpflichtet, dem Unternehmen das Zertifikat als Entsorgungsfachbetrieb zu entziehen, und die sofortige Vollziehung angeordnet. Zu Unrecht, wie nunmehr das VG Gelsenkirchen entschied. Für eine Anordnung gegenüber der technischen Überwachungsorganisation fehle es an einer rechtlichen Grundlage. Der Gesetzgeber des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) habe sowohl die Zertifizierung als „Entsorgungsfachbetrieb“ als auch den Entzug dieser Zertifizierung aus dem staatlichen Wirkungsbereich weitgehend ausgegliedert und der privaten Überwachung übertragen. Auch die systematische Auslegung des § 56 KrWG, dessen Abs. 8 ein hoheitliches Einschreiten nur in den Fällen vorsehe, in denen die Überwachungsorganisation das Zertifikat entzogen habe, das betreffende Unternehmen den entsprechenden Aufforderungen zur Rückgabe des Zertifikats durch die Überwachungsorganisation jedoch nicht nachgekommen sei, spreche dafür, dass in anderen Fällen eine Entzugsmöglichkeit gegenüber dem Zertifizierer nicht angenommen werden könne. Auch aus dem übrigen Regelungsgefüge ergebe sich keine dahin lautende Ermächtigung. Für eine auf die Verpflichtung der Überwachungsorganisation zum Widerruf des Zertifikats gerichtete Ordnungsverfügung bestehe kein Bedürfnis.

Der Entscheidung ist zuzustimmen. Bereits vor Erlass des KrWG war umstritten, ob eine Ermächtigungsgrundlage für Anordnungen gegenüber der zertifizierenden technischen Überwachungsorganisation bestand, die einen „Durchgriff“ auf den zertifizierten Betrieb ermöglichte. Das VG Düsseldorf (Urt. v. 11.02.2002 – 17 K 2839/01, Rn. 14) war der Ansicht, dass § 14 Abs. 4 Nr. 2 Entsorgungsfachbetriebe­verordnung (EfbV) „wesensnotwendig eine Befugnis der zuständigen Behörde zur Verpflichtung einer technischen Überwachungsorganisation zur Wahrnehmung ihrer Verpflichtung“ voraussetze. Demgegenüber war das VG Berlin (Urt. v. 14.09.2005 – 10 A 111.05) der Ansicht, dass sich „weder dem Wortlaut des § 14 Abs. 4 Nr. 2 EfbV, […] noch den diese Vorschriften betreffenden Begründungen […] entnehmen“ ließe, dass Behörden einen Verwaltungsakt gegenüber der technischen Überwachungsorganisation, mit dem auf den zertifizierten Betrieb durch­ge­griffen wird, erlassen können. Die Literatur ist der Ansicht des VG Berlin gefolgt (Blümcke/Cosson, AbfallR 2006, 133, 135 ff.; vgl. im Übrigen die Nachweise bei Schomerus, AbfallR 2009, 174, 179 b. Fn. 63).

Der Gesetzgeber des KrWG hat mit der Regelung in § 56 Abs. 8 KrWG auf den Streit zwischen dem VG Düsseldorf einerseits und dem VG Berlin und der Literatur andererseits reagiert. Es hat nunmehr eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage für einen „Durchgriff“, also für eine Anordnung gegenüber dem zertifizierten Betrieb in § 56 Abs. 8 Satz 2 KrWG geschaffen. Hiernach gilt, dass wenn der Betrieb der Aufforderung der technischen Überwachungsorganisation, das Zertifikat zurückzugeben und das Überwachungszeichen nicht weiter zu führen, nicht innerhalb einer gesetzten Frist nachkommt, die zuständige Behörde dem Betrieb das erteilte Zertifikat und die Berechtigung zum Führen des Überwachungszeichens entziehen sowie die weitere Verwendung der Bezeichnung „Entsorgungsfachbetrieb“ untersagen kann. Voraussetzung für den Erlass einer behördlichen Anordnung ist damit, dass eine Aufforderung der technischen Überwachungsorganisation vorliegt. Die Prüfung und Beurteilung, ob die Voraussetzungen für einen Entsorgungsfachbetrieb vorliegen, obliegt so weiterhin der technischen Überwachungsorganisation. Die nunmehr gesetzlich vorgesehene Ermächtigungsgrundlage dient dem Zweck, die technische Überwachungsorganisation durch eine behördliche Anordnung zu unterstützen. Denn anderenfalls könnte die technische Überwachungsorganisation für den Fall, dass der zertifizierte Betrieb der Aufforderung, das Zertifikat zurückzugeben, nicht nachkommt, nur den ordentlichen Rechtsweg beschreiten und die Rückgabe des Zertifikats so erwirken. Der Umstand, dass eine Ermächtigungsgrundlage für eine Anordnung gegenüber der technischen Überwachungsorganisation nicht geschaffen wurde, spricht im Umkehrschluss durchschlagend dafür, dass der Gesetzgeber die Überwachungsbefugnisse nicht auf die Behörde verlagern wollte und der Behörde insoweit gerade keine Anordnungsbefugnis zugestanden wird.

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert