Die Novellierung der Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV): Was sich ab November ändern könnte und warum das wichtig ist

Eine bevorstehende Novellierung der Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV), die voraussichtlich im November 2025 in Kraft treten wird, steht vor der Tür und bringt potenzielle Änderungen für die Abfallwirtschaft in Deutschland mit sich. Die AVV ist das Herzstück der rechtskonformen Abfalldeklaration und -klassifizierung, da sie das bundeseinheitliche Abfallverzeichnis mit den sechsstelligen Abfallschlüsselnummern enthält. Jede Anpassung dieser Verordnung hat weitreichende Auswirkungen auf Abfallerzeuger, Entsorger und Behörden. Es ist entscheidend, die möglichen Änderungen zu verstehen, um die Einhaltung der Vorschriften auch zukünftig zu gewährleisten.


1. Warum wird die AVV novelliert?

Die AVV basiert auf der Europäischen Abfallliste (EAL). Anpassungen der EAL auf europäischer Ebene, neue wissenschaftliche Erkenntnisse über bestimmte Stoffeigenschaften oder die Notwendigkeit, auf neue Abfallströme zu reagieren, können eine Überarbeitung der nationalen Verordnung erforderlich machen. Häufige Gründe für Novellierungen sind:

  • Anpassung an EU-Recht: Die Europäische Union überprüft und aktualisiert regelmäßig ihre Abfallgesetzgebung und -listen, um auf technologische Entwicklungen, neue Umweltziele oder das Aufkommen neuer Schadstoffe zu reagieren. Die AVV muss diese Vorgaben in nationales Recht umsetzen.
  • Klarstellung und Präzisierung: Manchmal sind die bestehenden Abfallschlüssel nicht eindeutig genug oder führen in der Praxis zu Interpretationsschwierigkeiten. Eine Novelle kann hier für mehr Rechtssicherheit sorgen.
  • Berücksichtigung neuer Abfallströme: Die Wirtschaft und neue Technologien erzeugen ständig neue Abfallarten, die im bestehenden Verzeichnis noch nicht adäquat abgebildet sind.
  • Verbesserung der Kreislaufwirtschaft: Neue Abfallschlüssel oder die Anpassung bestehender Definitionen können darauf abzielen, das Recycling und die Verwertung bestimmter Abfälle zu erleichtern oder zu fördern, indem beispielsweise bestimmte Stoffe als Wertstoffe besser identifizierbar werden.

2. Mögliche Schwerpunkte einer AVV-Novellierung

Ohne den genauen Wortlaut der geplanten Novelle zu kennen, lassen sich anhand vergangener Anpassungen und aktueller Entwicklungen in der Abfallwirtschaft mögliche Schwerpunkte ableiten:

  • Neue Abfallschlüssel für komplexe Produkte: Die zunehmende Komplexität von Produkten, insbesondere im Bereich Elektronik, Batterien oder Verbundwerkstoffen, kann die Einführung neuer Abfallschlüssel erforderlich machen, die eine spezifischere Erfassung und somit eine gezieltere Behandlung oder Verwertung ermöglichen.
  • Anpassung der Gefährlichkeitskriterien: Die Einstufung von Abfällen als gefährlich (mit Sternchen *) ist von zentraler Bedeutung für die Entsorgungskette (z.B. Nachweisverordnung (NachwV), eANV). Änderungen in der Bewertung von Schadstoffen oder neuen Erkenntnissen über deren Risikopotenzial könnten dazu führen, dass Abfälle anders eingestuft werden. Dies kann bedeuten, dass bisher nicht gefährliche Abfälle als gefährlich gelten oder umgekehrt.
  • Spezifizierung bei Baustoffen und Mineralabfällen: Dieser Bereich ist oft Gegenstand von Diskussionen, da er große Mengen umfasst und Potenziale für Recycling birgt. Präzisierungen bei der Deklaration von teils schadstoffbelasteten Bau- und Abbruchabfällen, Bodenaushub oder Straßenaufbruch sind denkbar.
  • Regelungen für neue Technologien und Wertstoffe: Die Entwicklung neuer Recyclingverfahren oder die Identifizierung bisher nicht genutzter Wertstoffströme kann eine Anpassung der AVV erforderlich machen, um diese Ströme rechtssicher als Abfälle zu klassifizieren oder um ihre Verwertung zu erleichtern.
  • Klarstellungen zu Mischabfällen: Die korrekte Deklaration von Abfallgemischen ist oft eine Herausforderung. Eine Novelle könnte hierzu präzisere Anweisungen oder neue Schlüsselnummern bereitstellen.

3. Auswirkungen der Novellierung auf die Praxis

Eine Novellierung der AVV ist kein rein administrativer Akt, sondern hat direkte und weitreichende Konsequenzen für alle Akteure der Abfallwirtschaft:

  • Für Abfallerzeuger:
    • Überprüfung bestehender Deklarationen: Alle relevanten Abfallströme müssen anhand der neuen AVV überprüft und gegebenenfalls neu eingestuft werden.
    • Anpassung von Prozessen: Interne Prozesse zur Abfallerfassung, -trennung und -lagerung müssen möglicherweise angepasst werden.
    • Neue Analyseerfordernisse: Geänderte Gefährlichkeitskriterien können neue Abfallanalysen erforderlich machen, um die korrekte Einstufung zu belegen.
    • Finanzielle Auswirkungen: Eine Änderung der Einstufung (z.B. von nicht gefährlich zu gefährlich) kann höhere Entsorgungskosten nach sich ziehen.
  • Für Entsorger:
    • Anpassung von Genehmigungen: Entsorgungsanlagen müssen ihre Annahmegenehmigungen überprüfen und gegebenenfalls an die neuen Abfallschlüssel und -einstufungen anpassen.
    • Schulung des Personals: Mitarbeiter im Annahmebereich und in der Sortierung müssen mit den neuen Regelungen vertraut gemacht werden.
    • Systemanpassungen: Softwarelösungen für die Abfallerfassung, Dokumentation und das eANV müssen aktualisiert werden.
  • Für Behörden:
    • Informationspflicht: Die Behörden müssen Unternehmen über die Änderungen informieren und Hilfestellungen bei der Umsetzung leisten.
    • Anpassung von Vollzugspraktiken: Überwachungs- und Genehmigungsverfahren müssen an die neuen Vorgaben angepasst werden.
    • Erhöhter Prüfungsaufwand: Insbesondere in der Übergangsphase kann es zu einem erhöhten Klärungs- und Prüfungsaufwand kommen.

4. Empfehlungen für Unternehmen

Um gut auf die mögliche Novellierung der AVV vorbereitet zu sein, sollten Unternehmen folgende Schritte ergreifen:

  1. Frühzeitige Informationsbeschaffung: Aktive Verfolgung der Gesetzgebungsverfahren über Fachmedien, Branchenverbände und offizielle Bekanntmachungen des Bundesumweltministeriums (BMUV) oder der Landesumweltämter.
  2. Bestandsaufnahme der Abfallströme: Eine aktuelle Übersicht über alle anfallenden Abfallarten und deren bisherige Deklaration ist unerlässlich.
  3. Fachliche Expertise nutzen: Bei Unsicherheiten sollten externe Abfallberater oder akkreditierte Labore konsultiert werden. Auch der Austausch mit dem zuständigen Entsorger ist ratsam.
  4. Interne Kommunikation und Schulung: Betroffene Mitarbeiter (z.B. in Produktion, Logistik, Einkauf, Umweltmanagement) müssen über die Änderungen informiert und geschult werden.
  5. Anpassung der Dokumentation: Alle relevanten Unterlagen, von der internen Abfallerfassung bis zu den externen Nachweisen, müssen rechtzeitig an die neuen Vorgaben angepasst werden.

Fazit

Die bevorstehende Novellierung der Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) ab November 2025 ist ein wichtiger Schritt zur Anpassung des deutschen Abfallrechts an aktuelle Entwicklungen und Erfordernisse. Sie unterstreicht die dynamische Natur des Umweltrechts und die Notwendigkeit für Unternehmen, stets auf dem neuesten Stand zu bleiben. Eine proaktive Auseinandersetzung mit den Änderungen und eine sorgfältige Umsetzung sind entscheidend, um weiterhin eine rechtskonforme, sichere und nachhaltige Abfallwirtschaft zu gewährleisten und potenzielle Risiken für Unternehmen und Umwelt zu minimieren.