Die dezentrale Abwasserentsorgung spielt in vielen ländlichen Regionen, Randlagen kleiner Siedlungen und Einzelstandorten eine zentrale Rolle. Dort, wo der Anschluss an die öffentliche Kanalisation wirtschaftlich oder technisch nicht machbar ist, bilden Kleinkläranlagen und abflusslose Gruben die wesentlichen Entsorgungsoptionen. Moderne Anforderungen an Gewässerschutz, Hygiene und Betriebssicherheit haben die technischen und rechtlichen Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahren erheblich weiterentwickelt.
1. Rechtlicher Rahmen
1.1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG)
Das WHG verpflichtet Betreiber, Abwasser so zu beseitigen, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird. Es gilt das Verschmutzerprinzip (§ 9 WHG) und das Gebot zur schadlosen Ableitung in ein Gewässer oder den Untergrund nur nach Reinigung nach Stand der Technik.
1.2 Landeswassergesetze und kommunale Satzungen
Die konkrete Ausgestaltung der dezentralen Entsorgung erfolgt auf Landes- und kommunaler Ebene:
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Abwassersatzungen definieren Anschluss-, Benutzungs- oder Befreiungspflichten.
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Viele Kommunen schreiben bestimmte Anlagentypen oder Mindestreinigungsstufen vor.
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Betreiber benötigen häufig eine Einleitgenehmigung bzw. wasserrechtliche Erlaubnis.
1.3 DIN-Normen und technische Regeln
Zu den zentralen Normen gehören:
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DIN EN 12566 (mehrteilig: Bau, Bemessung, Betrieb von Kleinkläranlagen)
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DIN 4261 (Kleinkläranlagen nationaler Standard)
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DWA-A 221 / DWA-A 222 (Bemessung, Betrieb, Sanierung)
1.4 Überwachungspflichten
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Betriebs- und Wartungspflicht durch Fachkundige
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Eigenkontrolle (z. B. Schlammspiegel, Anlagenzustand)
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Regelmäßige Wartung (meist 2–3× jährlich)
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Mess- und Prüfpflichten bei Anlagen mit Ablaufklasse N, C, D, +H, +P
1.5 Abflusslose Gruben – Sonderfall
Abflusslose Gruben sind reine Sammelbehälter ohne Reinigungsfunktion. Sie sind rechtlich nur zulässig:
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wenn eine Kläranlage unzumutbar ist,
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bei temporärer Nutzung (z. B. Wochenendhäuser) oder
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in Wasserschutzgebieten, die strenge Anforderungen haben.
Die ordnungsgemäße Abfuhr durch einen zertifizierten Entsorger und der Nachweis nach Nachweisverordnung / Kommunalsatzung sind Pflicht.
2. Technische Grundlagen
2.1 Anlagentypen im Überblick
(1) Kleinkläranlagen
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Mehrkammergruben (Grundstufe)
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Belebungsanlagen (SBR-Anlagen)
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Festbettanlagen
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Tropfkörperanlagen
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Membranfiltrationsanlagen (MBR)
Moderne Systeme arbeiten hochautomatisiert, stromsparend und erreichen Ablaufwerte mit:
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Stickstoffreduktion (Nitrifikation/Denitrifikation)
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Phosphatfällung
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Hygienisierung (UV, Filtration)
(2) Abflusslose Gruben
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Aus Beton oder Kunststoff
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Absolut wasserdicht, überwachungsfähig
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Mit Füllstandsmesser oder Alarmsystem
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Regelmäßige Entsorgung Pflichten
3. Bemessung und Auslegung
3.1 Bemessungsgrundlagen nach DIN EN 12566
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Bemessung erfolgt in EW (Einwohnerwerten)
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Wasseranfall ca. 120–150 L/EW·d
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Schlammraum: mind. 0,4–0,6 m³/EW
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Ablaufklassen orientieren sich am Gewässerschutzbedarf
3.2 Standortbezogene Anforderungen
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Bodenbeschaffenheit (Sickerfähigkeit, Grundwasserstände)
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Hochwasserschutz
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Schutzzonen nach TrinkwV und Schutzzonenverordnungen
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Zugang für Wartung und Entsorgung
4. Betrieb, Wartung und Hygiene
4.1 Pflichten der Betreiber
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Regelmäßige Wartungsverträge
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Überprüfung aller Aggregate (Gebläse, Belüfter, Pumpen)
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Messung des Schlammspiegels
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Funktionsprotokolle führen
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Störmeldungssysteme bei technischen Anlagen
4.2 Ablaufwerte
Typische Ablaufparameter:
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CSB
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BSB₅
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Ammonium / Nitrat
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Phosphor
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Keimzahlen (bei sensiblen Bereichen)
4.3 Häufige Probleme
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Unterdimensionierung
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Fehlerhafte Belüftung oder Pumpenausfälle
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Überschussschlamm nicht regelmäßig abgefahren
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Eintrag von Fremdstoffen (Desinfektionsmittel, Fette, Chemikalien)
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Grundwasserzutritt → hydraulische Überlastung
5. Abflusslose Gruben – technische und wirtschaftliche Herausforderungen
Vorteile:
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Geringe Investitionskosten
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Keine Reinigungstechnik erforderlich
Nachteile:
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Sehr hohe Betriebskosten (Abfuhrkosten)
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Hoher CO₂-Fußabdruck
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Risiko bei Undichtigkeiten
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Verpflichtende Füllstandsüberwachung
Viele Kommunen streben daher die Ablösung durch Kleinkläranlagen an.
6. Zukunftstrends und Entwicklungen
6.1 Digitalisierung
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Fernüberwachung per App
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Online-Diagnose und Wartungsplanung
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Betriebsdatenarchivierung für Behördennachweise
6.2 Energiearme Kleinklärsysteme
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Feinstfiltertechnik
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Schwerkraftsysteme ohne elektrische Aggregate
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Naturnahe Anlagen (Pflanzenkläranlagen)
6.3 Strengere Anforderungen durch Gewässerschutz
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Mikroschadstoffreduktion
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Hygienisierungstechnologien
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Neue EU-Vorgaben zu Kleinanlagen in Überarbeitung
Fazit
Dezentrale Abwasserentsorgung bleibt ein unverzichtbarer Bestandteil der Wasserwirtschaft, insbesondere im ländlichen Raum. Moderne Kleinkläranlagen ermöglichen eine hochwertige Abwasserreinigung und erfüllen heutige Gewässerschutzanforderungen zuverlässig. Abflusslose Gruben spielen dagegen nur noch eine Ausnahmerolle, vor allem in sensiblen Schutzgebieten oder bei zeitweiser Nutzung.
Rechtlich wie technisch ist die Entwicklung geprägt von:
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steigenden Umweltstandards,
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mehr Betreiberpflichten,
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Digitalisierung im Anlagenbetrieb und
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zunehmender behördlicher Überwachung.
Das dazu gehörige Fachseminar ist in der Seminarwelt des IWU Magdeburg auffindbar.
