Der Geschäftsführer einer GmbH (und seine Rechtsnachfolger) als Verursacher einer Altlast

Bayerischer VGH, Urteil vom 30.01.2018 – 22 B 16.2099

Die Kläger sind Ende der 1980er Jahre Eigentümer eines Grundstücks geworden, auf dem zu dieser Zeit von der Beigeladenen – einer GmbH – eine „Müllkippe“ betrieben wurde, auf der auch mit gefährlichen Abfällen umgegangen wurde. Auch nach der Übergabe des Grundstücks an die Kläger gestatte eine beschränkte Dienstbarkeit der Beigeladenen die Fortsetzung der Nutzung. Der Geschäftsführer der Beigeladenen verstarb im Jahr 2008, wobei dessen Ehefrau als Alleinerbin dessen Gesamtrechtsnachfolgerin wurde. Die zuständige Behörde ordnete die Durchführung von Detailuntersuchungen zunächst gegen die beigeladene GmbH an, welche die Untersuchungskosten aufgrund ihrer finanziellen Situation nur zu einem sehr geringen Anteil tragen konnte. Daraufhin nahm die zuständige Behörde die Kläger in Anspruch und verpflichtete diese zur Durchführung der Detailuntersuchungen. Hiergegen wenden sich die Kläger im hiesigen Verfahren. Dabei lieferte die Behörde erst im gerichtlichen Verfahren eine Begründung, welche den Geschäftsführer der Beigeladenen sowie dessen Ehefrau als mögliche Störer in Betracht zog.

Die Klage hat Erfolg, da die Untersuchungsanordnung rechtswidrig war. Hier lagen zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der Kläger auf Grundlage von § 9 Abs. 2 BBodSchG vor. Allerdings war die Störerauswahl ermessensfehlerhaft. Die Behörde hätte in Erwägung ziehen müssen, dass der Geschäftsführer der Beigeladenen persönlich als Verursacher in Frage kommt. Das Handeln des Geschäftsführers einer GmbH wird dieser zwar im Rahmen der Organhaftung als eigenes Handeln zugerechnet. Daneben kann aber das Handeln des Geschäftsführers auch dessen persönliche Verantwortlichkeit nach sich ziehen. Dies hat das Gericht im vorliegenden Fall mit der Begründung angenommen, dass es dem Geschäftsführer der Beigeladenen als Alleingeschäftsführer oblegen hätte, Organisationsmaßnahmen zu ergreifen, um etwaige Rechtsverstöße, die zu einer schädlichen Bodenveränderung führen können, zu verhindern. Soweit Organisationsverstöße nicht zu vermeiden sind, etwa weil sich einzelne Mitgesellschafter über die vom Geschäftsführer ergriffenen Maßnahmen hinwegsetzen, muss der Geschäftsführer ggf. sein Amt niederlegen. Die persönliche Verantwortlichkeit des Geschäftsführers der Beigeladenen leitet das Gericht sodann aus dem Unterlassen hinreichender Sicherungsmaßnahmen gegen Ablagerungen durch Dritte her. Dementsprechend ist die Ehefrau des Geschäftsführers der Beigeladenen mit dem Tod ihres Mannes Gesamtrechtsnachfolgerin des Verursachers geworden und ist somit auch mögliche Störerin im Sinne des BBodSchG. Die Ehefrau hätte daher im Rahmen der Störerauswahl als Verantwortliche in Betracht gezogen werden müssen. Diese Erwägungen sind im streitgegenständlichen Bescheid jedoch unterblieben.

Das Nachschieben einer Begründung zur Störerauswahl, welche die Ehefrau des Geschäftsführers als Rechtsnachfolgerin des Verursachers in Betracht zieht, konnte hier nicht mehr berücksichtigt werden. Das Nachschieben von Ermessenserwägungen im gerichtlichen Verfahren ist unter strengen Voraussetzungen möglich, welche in dieser Konstellation jedoch nicht vorliegen. Ein Nachschieben von Gründen ist nur zulässig, soweit der Verwaltungsakt nicht in seinem Wesen verändert wird und die Rechtsverteidigung des Klägers dadurch nicht erschwert wird. Durch das Nachliefern der Begründung zur Störerauswahl wird hier jedoch die gesamte Störerauswahl ausgetauscht. Da die Kläger hierauf im gerichtlichen Verfahren erneut reagieren müssten, wäre ihre Verteidigung erheblich beeinträchtigt worden.

Anmerkung: Im Hinblick auf die persönliche Verantwortlichkeit eines Geschäftsführers ist die Entscheidung des Bayerischen VGH nicht neu. Der Bayerische VGH bezieht sich insbesondere auf ein Urteil des OVG Nordrhein-Westfalen, das bereits im Jahr 2012 ähnlich entschieden hatte (Urt. v. 21.11.2012 – 16 A 85/09). Allerdings wird durch das Urteil auch noch einmal deutlich, dass die persönliche Verantwortlichkeit des Alleingeschäftsführers vermittelt über § 4 Abs. 3 BBodSchG (Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers) auf tatbestandlicher Ebene zu einer Vielzahl weiterer Störer – nämlich dessen Erben – führen kann. Die Störerauswahl ist vor diesem Hintergrund fehleranfällig, weil die Behörde für eine ermessensfehlerfreie Störerauswahl zunächst alle tatbestandlich in Betracht kommenden Störer ermitteln muss, um zwischen diesen vor dem Hintergrund einer effektiven Gefahrenabwehr eine Auswahlentscheidung treffen zu können.

 

Auffällig ist, dass das Gericht die Verhaltensverantwortlichkeit des Geschäftsführers der beigeladenen GmbH zwar in erster Linie aus einem Unterlassen herleitet, dabei jedoch die verletzte Rechtspflicht nicht konkret benennt. Vielmehr belässt das Gericht es bei der Feststellung, dass Rechtsverstöße Dritter durch den Geschäftsführer nicht verhindert wurden. U.a. der VGH Mannheim hatte in einem Urteil aus dem Jahr 2001 (Urt. v. 19. September 2001 – 10 S 259/01) eine konkrete Herleitung der verletzten Rechtspflicht gefordert, indem er entschied, dass eine Verhaltensverantwortlichkeit durch ein ursächliches Unterlassen nur dadurch begründet werden kann, dass eine auf einer öffentlich-rechtlichen Norm beruhende Rechtspflicht zum Handeln verletzt wird.

Quelle: KOPP-ASSENMACHER & NUSSER

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