Der Altanschluss im europäischen Rechtsrahmen (Wasserversorgung oder Abwasserbeseitigung)

Das Verwaltungsgericht Potsdam (VG) hat sich in seinem Beschluss vom 06.03.2012 – 8 L 816/11 – mit der Frage befasst, ob die Erhebung von Anschlussbeiträgen für ein Grundstück, dass vor dem 03.10.1990 im Gebiet der damaligen DDR an eine leitungsgebundene öffentliche Einrichtung der Wasserversorgung oder Abwasserbeseitigung angeschlossen wurde, gegen Normen des Europäischen Rechts verstößt. Die Antragstellerin hat in dem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Erhebung eines Anschlussbeitrags für ihr vor dem 03.10.1990 an eine Abwasserentsorgungsanlage angeschlossenes Grundstück u.a. geltend gemacht, dass die Erhebung von Altan­schließerbeiträgen gegen das Eigentumsrecht nach Art. 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) verstößt. Außerdem soll die Erhebung von Altanschließerbeiträgen gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 21 (1) EU-GR-Charta verstoßen und das Bürgerrecht auf gute Verwaltung nach Art. 41 EU-GR-Charta verletzen.

 

Das VG hat die zur Abwehr eines nach § 8 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg (KAG) erhobenen Anschlussbeitrags aufgeworfenen europarechtlichen Fragen eingehend geprüft.

 

Es hat einen Verstoß gegen das Eigentumsrecht nach Art. 17 EU-GR-Charta mit der Begründung verneint, dass nach Art. 17 (1) Satz 1 EU-GR-Charta jede Person das Recht hat, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben. Durch die Erhebung eines Anschlussbeitrags wird nach Auffassung des VG die durch Art. 17 (1) Satz 1 EU-GR-Charta geschützte Verfügungsgewalt über das Grundstück nicht berührt. Das Gericht weist außerdem darauf hin, dass die Nutzung des Eigentums gesetzlich geregelt werden kann, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist (Art. 17 (1) Satz 3 EU-GR-Charta). § 8 KAG sei eine solche gesetzliche Regelung, weil der Anschlussbeitrag die Gegenleistung für die Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung und den damit verbundenen wirtschaftlichen Vorteil des Eigentümers durch eine verbesserte Erschließung und Bebaubarkeit des Grundstücks darstelle.

 

Das Diskriminierungsverbot des Art. 21 EU-GR-Charta sei ebenfalls nicht verletzt. Eine Diskriminierung der schon vor dem 03.10.1990 im Beitrittsgebiet lebenden Bevölkerung gegenüber der im alten Bundesgebiet lebenden Bevölkerung sei zu verneinen, da es an einer Vergleichbarkeit der Ausgangslage fehle. Infolge der im Einigungsvertrag vorgezeichneten Rechtsangleichung im Beitrittsgebiet mussten die häufig jahrzehntelang nur eingeschränkt instand gehaltenen Ent­wässerungsanlagen ertüchtigt wer­den; außerdem waren die bisher zuständigen zentralen Aufgabenträger zu entflechten und den nunmehr zuständigen Kommunen zu übertragen. Diese historisch betrachtet einmalige Ausgangslage lässt nach Auffassung des VG eine diskriminierende Behandlung gerade in dem von der Antragstellerin gewählten Zusammenhang mit der so genannten Altan­schließerproblematik nicht erkennen. Eine Diskriminierung von Alt­anschließern liege auch nicht darin, dass das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht an einen nach Meinung der Antragstellerin „willkürlich“ festgelegten Zeitpunkt des Inkrafttretens der ersten rechtswirksamen Satzung geknüpft ist. Das VG weist hier zutreffend darauf hin, dass die Wirksamkeit einer Beitragssatzung keineswegs in das Belieben der abgabenerhebenden Behörde gestellt wird, sondern sich nach objektiv-rechtlichen gesetzlichen Vorgaben bemisst und außerdem auch in anderen Bundesländern wie z.B. Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpom­mern oder Baden-Württemberg Voraussetzung für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht ist.

 

Das weiter angeführte Bürgerrecht auf gute Verwaltung gilt nach dem Wortlaut des Art. 41 (1) Satz 1 EU-GR-Charta für die Organe und Einrichtungen der Europäischen Union; hierzu gehören die kommunalen Aufgabenträger der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung in der Bundesrepublik Deutschland aber nicht.

 

Im Ergebnis erteilt das VG damit dem Versuch, die Erhebung von Anschlussbeiträgen für altangeschlossene Grundstücke unter europarechtlichen Aspekten zu verhindern, eine klare Absage. Die Erhebung von Altanschließerbeiträ­gen verstößt damit nicht gegen europäisches Recht.

 

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

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