Blendwirkung von Dachziegeln kann rechtswidrige Eigentumsbeeinträchtigung darstellen

Mit Urteil vom 09.07.2019 (24 U 27/18) hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm eine nachbarrechtliche Abwehrklage abgewiesen, die auf Beseitigung und künftige Unterlassung der von dem Dach eines Nachbarhauses ausgehenden Lichtreflexionen gerichtet war.

Die Kläger machten als Grundstückseigentümer einen eigentumsrechtlichen Abwehranspruch geltend, weil sie sich durch die von den Dachziegeln des Nachbarhauses ausgehendenden Lichtreflexionen in ihrem Grundstückseigentum unzumutbar beeinträchtigt fühlten.

Nach den gerichtlichen Feststellungen beeinträchtigen die von den Dachziegeln des Nachbarhauses ausgehenden Lichtreflexionen zwar das Grundeigentum der Kläger. Da es sich bei den Lichteinwirkungen um im Sinne des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB „ähnliche“, mit der Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch und Erschütterungen vergleichbare Einwirkungen von einem Nachbargrundstück handelt, gilt indes der Wesentlichkeitsmaßstab des § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB und kann der Nachbar daher nicht jede Einwirkung verbieten.

In Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegte verbindliche Richtwerte, deren Überschreitung Indizwirkung für eine wesentliche Beeinträchtigung zukommt (§ 906 Abs. 1 Satz 2, 3 BGB), lagen für die Beurteilung der in Rede stehenden Lichtreflexionen nicht vor. Das OLG Hamm hat jedoch die in vereinzelten landesrechtlichen Regelwerken festgelegte zulässige Lichtstärke von Photovoltaikanlagen in die Beurteilung einbezogen. Dabei ist das OLG Hamm entsprechend § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB davon ausgegangen, dass in der Regel von einer erheblichen Beeinträchtigung auszugehen ist, wenn die nach diesen Regelwerken zulässige Lichtstärke erreicht wird. Nach den gerichtlichen Feststellungen kann auch bei Vorliegen einer Lichtstärke, die unter dem in den betreffenden Regelwerken festgelegten Wert liegt, von einer wesentlichen Beeinträchtigung auszugehen sein. Ob eine Beeinträchtigung wesentlich ist, richtet sich nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen, wobei es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankommt. Berücksichtigungsfähige Einzelfallumstände können die Blendwirkung, die Intensität der Lichtreflexe und die daraus resultierende Einschränkung in der Grundstücksnutzung, aber auch die Dauer und Häufigkeit der Beeinträchtigung darstellen.

Den Klägern steht nach Auffassung des OLG Hamm weder ein Anspruch auf Beseitigung gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, noch ein Anspruch auf künftige Unterlassung gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB zu, weil die von den Dachziegeln des Nachbarhauses ausgehenden Lichtreflexionen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme die Benutzung des Grundstücks nicht im vorstehenden Sinne „wesentlich“ beeinträchtigen (§ 906 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Kläger sind daher zur Duldung der Lichteinwirkungen verpflichtet (§ 1004 Abs. 2 BGB).

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

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