Die biologische Vielfalt – die Biodiversität – beschreibt die gesamte Mannigfaltigkeit des Lebens auf der Erde, umfassend die Vielfalt der Arten, der Gene und der Ökosysteme. Angesichts der globalen Biodiversitätskrise ist der Schutz dieser Vielfalt nicht nur eine ethische, sondern eine existenzielle Notwendigkeit. Der Artenschutz ist dabei das zentrale rechtliche Instrument, um diesem Verlust entgegenzuwirken und die komplexen Wechselwirkungen zwischen Mensch und Natur zu sichern.
1. Die fundamentale Bedeutung der biologischen Vielfalt
Die Bedeutung der Biodiversität lässt sich am besten über die sogenannten Ökosystemleistungen (Ecosystem Services) verstehen. Dies sind die vielfältigen Leistungen, die natürliche Systeme der Menschheit unentgeltlich zur Verfügung stellen:
- Regulierende Leistungen: Sauberes Wasser, reine Luft, natürliche Schädlingsbekämpfung, Klimaregulation durch Kohlenstoffspeicherung (Wälder, Moore).
- Versorgungsleistungen: Nahrungsmittel, genetische Ressourcen (für Medizin und Züchtung), Bau- und Brennstoffe.
- Kulturelle Leistungen: Erholung, ästhetischer Wert, wissenschaftliche Forschung.
Der Verlust von Arten (Artenschwund) führt zur Instabilität von Ökosystemen, macht sie anfälliger für externe Schocks (z.B. Krankheiten oder Klimawandel) und gefährdet somit direkt die menschliche Lebensgrundlage und die Wirtschaft.
2. Artenschutz als rechtliches und planerisches Erfordernis
Die Erfordernisse für den Schutz der biologischen Vielfalt sind national im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) verankert. Das Gesetz verfolgt einen zweigleisigen Ansatz:
Allgemeine Schutzvorschriften (Eingriffsregelung)
Die Eingriffsregelung (§§ 13 ff. BNatSchG) verpflichtet Planer und Vorhabenträger, bei Eingriffen in Natur und Landschaft die Beeinträchtigungen zu vermeiden, zu mindern und unvermeidbare Schäden durch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu kompensieren. Dies zielt auf den generellen Erhalt der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts und des Landschaftsbildes ab.
Spezieller Artenschutz (§ 44 BNatSchG)
Der spezielle Artenschutz schützt unmittelbar die besonders gefährdeten Tier- und Pflanzenarten (z.B. nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie). Das strenge Zugriffsverbot untersagt es, geschützte Arten zu töten oder ihre Fortpflanzungs- und Ruhestätten zu beschädigen oder zu zerstören.
Dies hat immense Auswirkungen auf die Bauleitplanung und Genehmigungsverfahren. Im Rahmen der Artenschutzprüfung (ASP) muss nachgewiesen werden, dass keine Verbotstatbestände erfüllt werden, was in vielen Fällen zu kostspieligen Vermeidungsmaßnahmen (z.B. zeitliche Verlegung von Bauarbeiten) oder vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen (CEF-Maßnahmen) führt.
3. Globale und nationale Perspektiven
Die Perspektiven des Artenschutzes erfordern einen Wechsel von punktuellen Schutzmaßnahmen hin zu integralen, flächendeckenden Strategien.
Globale Ziele und Restoration Law
International wurde mit dem Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework (Post-2020-Ziele) der dringende Handlungsbedarf bekräftigt. Ein zentrales Ziel ist das sogenannte 30×30-Ziel, das die Schutzgebietsausweisung auf 30 Prozent der Land- und Meeresfläche bis 2030 vorsieht.
Die Europäische Union setzt diese Ambition durch Initiativen wie die EU-Biodiversitätsstrategie 2030 und das geplante Restoration Law um. Letzteres legt verbindliche Ziele zur Renaturierung geschädigter Ökosysteme fest, insbesondere von Mooren, Wäldern und Flüssen, und verschiebt den Fokus von der reinen Bewahrung hin zur aktiven Wiederherstellung.
Integraler Naturschutz und Klimaanpassung
Die zukünftige Herausforderung liegt darin, den Naturschutz über die Grenzen ausgewiesener Schutzgebiete hinaus in die Nutzlandschaft zu tragen. Konzepte des integralen Naturschutzes fordern:
- Agrarwende: Schaffung von Biodiversitäts-Korridoren und Förderung von naturverträglichen Bewirtschaftungsformen (z.B. gegen das Insektensterben).
- Klimaanpassung: Erhöhung der Vielfalt in Wäldern und Ökosystemen, um deren Resilienz gegenüber Dürre und Extremwetter zu stärken.
Fazit
Die biologische Vielfalt ist die Grundlage für menschliches Wohlergehen und wirtschaftliche Stabilität. Der Artenschutz ist das entscheidende Werkzeug, um diese Grundlage zu sichern. Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass sich die Erfordernisse verschärfen: Es bedarf einer strengeren Anwendung des speziellen Artenschutzes in der Planung sowie eines globalen und europäischen Wechsels hin zur Renaturierung und einem integralen Naturschutz. Nur durch systemische und konsequente Maßnahmen kann die Krise aufgehalten und die Lebensversicherung des Planeten erhalten werden.
Das dazu gehörige Fachseminar ist in der Seminarwelt des IWU Magdeburg auffindbar.
