Bioabfälle in Entsorgungsverträgen

Spätestens 2015 besteht nach dem neuen Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) das Gebot, Bioabfälle getrennt zu sammeln. Die Umsetzung dieses Gebotes hat Auswirkungen auf die Ausgestaltung von neuen Entsorgungsverträgen und auf bestehende Entsorgungsverträge. Fraglich ist vor allem, ob letztere außerhalb des Vergaberechts angepasst werden können oder müssen.
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Abfallrechtliche Vorgaben

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Nach dem noch derzeit geltenden Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes besteht für Abfälle lediglich ein allgemeines Getrennthaltungsgebot. Danach sind Abfälle zur Verwertung getrennt zu halten und zu verwerten, soweit dies zur Erfüllung der gesetzlichen Grundsätze und Grundpflichten der Kreislaufwirtschaft erforderlich ist. Das neue KrWG übernimmt nahezu unverändert das allgemeine Getrennthaltungsgebot. Zusätzlich wird jedoch ein besonderes Getrennthaltungsgebot aufgestellt, wonach u.a. überlassungspflichtige Bioabfälle und somit im Wesentlichen Bioabfälle aus privaten Haushaltungen ab dem 01.01.2015 getrennt zu halten sind, soweit dies zur Erfüllung der Grundpflichten der Kreislaufwirtschaft und des Rangfolge- und Hochwertigkeitsgebotes erforderlich ist. Zwar wird die Bundesregierung ermächtigt, zur Förderung der Verwertung und somit auch zur Getrennthaltung von Bioabfällen eine Rechtsverordnung zu erlassen. Eine solche Rechtsverordnung wird aber nur Regelungen zur Konkretisierung des Getrennthaltungsgebotes enthalten; das Getrennthaltungsgebot von Bioabfällen ergibt sich unmittelbar aus dem neuen KrWG.

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Eine Pflicht zur Getrennthaltung von Bioabfällen besteht jedoch nur dann, wenn dies zur Erfüllung der Grundpflichten der Kreislaufwirtschaft erforderlich ist. Nach der Gesetzesbegründung zum KrWG bestimmt sich die Erforderlichkeit nach den vom Gesetz vorgegebenen Anforderungen an die Verwertungspflicht unter Berücksichtigung der technischen und wirtschaftlichen Zumutbarkeit. Eine generelle Pflicht zur Getrennthaltung von Bioabfällen besteht demnach nicht. Diskutiert wird hierbei derzeit, ob eine Getrennthaltungspflicht aufgrund wirtschaftlicher Unzumutbarkeit auch dann nicht besteht, wenn die Kosten zur Einführung einer Biotonne wesentlich die Kosten für eine Entsorgung ohne Getrennthaltung übersteigen. Dies dürfte jedoch bedenklich sein, weil nach dem Kostendeckungsprinzip die Kommune diese Kosten im Rahmen von Gebühren umlegen kann. Eine Getrennthaltungspflicht dürfte jedoch dann entfallen, wenn die Bioabfälle nachträglich aussortiert werden; in diesem Fall werden gleichermaßen die Anforderungen an eine Verwertung erfüllt. Auch dürfte eine Getrennthaltungspflicht infolge technischer Unmöglichkeit dann nicht bestehen, wenn vor allem in städtischen Gebieten oder Ballungsräumen zusätzliche Stellflächen für Abfallbehälter fehlen.

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Auswirkungen auf Entsorgungsverträge

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Besteht eine Pflicht zur Getrennthaltung von Bioabfällen, hat dies Auswirkungen auf die vergaberechtliche Gestaltung von neuen Entsorgungsverträgen (a) und auf Bestandsverträge (b).


a) Vergabe von neuen Verträgen
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Bei der Vergabe von neuen Verträgen für die Erfassung von Bioabfällen ist die Kommune verpflichtet, das förmliche Vergaberecht zu beachten. Die Kommune wird in der Regel hierbei die Vergabe der Erfassung von Bioabfällen in Losen mit der Erfassung von weiteren Abfällen, wie z.B. der Restmülltonne, Sperrmüll usw., verknüpfen. Unterschiedliche Gestaltungsoptionen können zudem dadurch entstehen, dass die Kommune die Leistung bereits zum heutigen Zeitpunkt ausschreibt, so dass der Leistungsbeginn vor der Umsetzungsfrist zur Einführung der Biotonne liegt. Aus diesem Grund kann die Kommune die Bioabfallsammlung gemeinsam mit der Erfassung von anderen Abfällen ausschreiben mit einem parallelen Leistungsbeginn vor 2015. In diesem Fall würde die Kommune bei bestehender Getrennthaltungspflicht den gesetzlichen Vorgaben weit vor Ablauf der Umsetzungsfrist nachkommen.

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Sofern dies nicht gewünscht ist, kann auch der Leistungsbeginn getrennt nach Abfällen unterschiedlich festgelegt werden. In diesem Fall bietet es sich an, die Bioabfallsammlung in einem getrennten Los auszuschreiben mit Leistungsbeginn zum 01.01.2015. Unzulässig ist es jedoch, die Bioabfallsammlung lediglich als Option auszuschreiben. In diesem Fall würde dem Bieter ein sogenanntes ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden, weil dieser große Teile des Auftrages kalkulieren müsste, ohne dass er weiß, ob und wann diese Teile tatsächlich zur Durchführung kommen.

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Schließlich verbleibt der Kommune, die Sammlung von anderen Abfällen als Bioabfällen mit Leistungsbeginn vor 2015 auszuschreiben, jedoch mit der Ankündigung, dass die Sammlung von Bioabfällen ab 2015 im Verhandlungsverfahren an den Auftragnehmer vergeben wird. In diesem Fall ist die Kommune berechtigt, ohne erneute Durchführung eines Vergabeverfahrens den Auftragnehmer zusätzlich mit der Bioabfallsammlung zu beauftragen. Der Nachteil dieser Alternative ist jedoch, dass über die Preise für die Bioabfallsammlung ohne Wettbewerb mit dem Auftragnehmer verhandelt wird.


b) Auswirkungen auf Bestandsverträge

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Bei Bestandverträgen wird sich bei Bestehen einer Getrennthaltungspflicht die Frage stellen, ob der Auftragnehmer zusätzlich mit der Bioabfallsammlung beauftragt werden kann und ob dem Auftragnehmer bei Entsorgungsverträgen Anpassungsansprüche zukommen.

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Die Änderung bzw. Anpassung von Bestandsverträgen im Hinblick auf die getrennte Sammlung von Bioabfällen stellt sich als ausschreibungspflichtiger Vorgang dar, wenn es sich um eine wesentliche, inhaltliche Änderung handelt. Keine vertragliche Änderung liegt dann vor, wenn Änderungsrechte ausgeübt werden, die bereits im ursprünglichen Vertrag angelegt sind. Diese dürfen jedoch auch nicht über Regelungen in einer Abfallsatzung zur Disposition der Parteien stehen. In der Regel werden Altverträge keine Regelungen enthalten, die konkrete Anpassungsrechte bei Bestehen einer Getrennthaltungspflicht für Bioabfälle vorsehen.

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Eine vertragliche Änderung liegt auch dann nicht vor, wenn einer Partei ein gesetzlicher Anspruch auf Anpassung zusteht. Nach der VOL/B kommt der Kommune ein sogenanntes einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zu. Dieses berechtigt jedoch nur zur Anpassung der Beschaffenheit der Leistung in geringem Umfang (< 10 %). Fraglich ist schon, ob es sich bei zusätzlicher Beauftragung mit der Bioabfallsammlung um eine Beschaffenheit der Leistung handelt. Letztendlich wird jedoch der Bioabfallsammlung bezogen auf den Gesamtauftrag nicht nur ein geringer Umfang zukommen.

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Ein gesetzlicher Anspruch auf Anpassung des Altvertrages kann sich auch aus der sogenannten Störung der Geschäftsgrundlage ergeben. Dieser Anspruch berechtigt zu Anpassungen für Änderungen, die für die Parteien mit unzumutbaren Folgen verbunden sind. Voraussetzung ist jedoch, dass die Änderung für die Parteien nicht vorhersehbar war. Eine Vorhersehbarkeit des Getrennthaltungsgebotes wird nicht bereits aus der Abfallrahmenrichtlinie zu folgern sein. Danach hatte der Mitgliedsstaat durch geeignete Maßnahmen die getrennte Sammlung von Bioabfällen lediglich zu fördern. Aus dem Gesetzgebungsverfahren zum neuen KrWG war jedoch das Getrennthaltungsgebot mit Umsetzungsfrist bereits vorhersehbar, so dass Anpassungsansprüche für Verträge, die erst im laufenden Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen wurden, bereits deshalb auszuschließen sind. Desweitern gilt es auch die Reichweite eines solchen Anspruchs zu beachten. Ein solcher Anspruch wird zwar zur Preisanpassung berechtigen, wenn durch die geringere Menge an Restabfällen dem Entsorger nachweislich Mehrkosten bei der Sammlung von Restabfällen entstehen. Mehrkosten können auch bei der Entsorgung von Restabfällen entstehen, wenn sich die vertraglich vereinbarte Abfalleigenschaft nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ ändert. Die Anpassung wird aber nicht zur zusätzlichen Beauftragung mit der Bioabfallsammlung berechtigen, weil diese von der Sammlung der Restabfälle trennbar ist.

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Die Vertragsänderung durch zusätzliche Beauftragung mit der Bioabfallsammlung dürfte sich auch als wesentlich darstellen, so dass sie auch deshalb ausschreibungspflichtig ist. Denn insofern würde durch die Bioabfallsammlung der Sammelauftrag auf ursprünglich nicht vorgesehene Dienstleistungen erweitert werden. Zudem würde sich die zusätzliche Beauftragung mit der Bioabfallsammlung auch auf das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrages zugunsten des Auftragnehmers auswirken.

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Auch sofern bei zusätzlicher Beauftragung mit der Bioabfallsammlung das Vergaberecht Anwendung findet, kann im Einzelfall ein Verhandlungsverfahren durchgeführt werden, wonach gleichermaßen der bisherige Auftragnehmer mit der Bioabfallsammlung als zusätzliche Leistung beauftragt werden kann. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich um zusätzliche Leistungen handelt, mit denen der bisherige Auftragnehmer beauftragt werden soll. Weiterhin ist erforderlich, dass die zusätzliche Leistung wegen eines unvorhergesehenen Ereignisses erforderlich ist. Dies wird zumindest für solche Altverträge gelten, die vor dem Gesetzgebungsverfahren zum neuen KrWG abgeschlossen wurden. Anderenfalls dürfte die Einführung des Getrennthaltungsgebotes vorhersehbar gewesen sein. Zudem ist erforderlich, dass die zusätzliche Dienstleistung in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht sich nicht ohne wesentlichen Nachteil für den Auftraggeber vom Hauptantrag trennen lässt. Das Oberlandesgericht München hat in einer Entscheidung jedoch bereits im Jahre 1996 festgestellt, dass die zusätzliche Beauftragung mit der Bioabfallsammlung im Verhandlungsverfahren zulässig ist. Grund hierfür sei, dass die Ausgliederung der Bioabfallsammlung aus dem bestehenden Vertrag das Kostengefüge wesentlich verändern würde. Schließlich darf der Umfang der Bioabfallsammlung nicht 50 % des Hauptauftrages überschreiten.

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Zusammenfassung

 

Festzustellen ist demnach, dass aus dem neuen KrWG keine generelle Pflicht zur Getrennthaltung von Bioabfällen zu folgern ist. Besteht jedoch im Einzelfall eine Getrennthaltungspflicht von Bioabfällen, ist diese bei der Ausschreibung von neuen Entsorgungsverträgen zu berücksichtigen. Hierzu bestehen verschiedene Handlungsoptionen.

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Außerhalb des Vergaberechts darf der bisherige Entsorger nicht mit der Bioabfallsammlung zusätzlich beauftragt werden. Es handelt sich vielmehr um eine ausschreibungspflichtige Änderung von Altverträgen. Zulässig dürfte es jedoch im Einzelfall sein, den bisherigen Sammler im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit der Bioabfallsammlung zu beauftragen.

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Kommt es durch Umsetzung des Getrennthaltungsgebotes von Bioabfällen zu Veränderung von Abfallmengen in quantitativer und/oder qualitativer Hinsicht, stehen Entsorgern grundsätzlich (Preis-)Anpassungsansprüche zu.

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Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

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