Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Altpapierstreit

Am 18.06.2009 hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden, dass private Haushaltungen ihren Hausmüll einschließlich seiner verwertbaren Bestandteile (insbesondere des Altpapiers) grundsätzlich den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern, also den kommunalen Betrieben, zu überlassen haben und nicht befugt sind, mit der Verwertung solcher Bestandteile „Dritte“ zu beauftragen (Az.: 7 C 16.08). Die Urteilsgründe liegen noch nicht vor. Eine abschließende Analyse der Entscheidung ist daher derzeit nicht möglich. Eine erste Bewertung kann auf der Grundlage der diesbezüglichen Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts Nr. 36/2009 vom 18.06.2009 erfolgen. Danach dürfte das Bundesverwaltungsgericht mit seiner Entscheidung vom 18.06.2009 den „Kampf ums Altpapier“ grundsätzlich zu Gunsten der Kommunen entschieden haben. In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit ging es im Wesentlichen um die Auslegung von § 13 Abs. 1 Satz 1 a.E. KrW-/AbfG sowie § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG.

1. Gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 a.E. KrW-/AbfG sind die Erzeuger oder Besitzer von Abfällen aus privaten Haushaltungen nicht zur Überlassung an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger verpflichtet, soweit sie zu einer Verwertung in der Lage sind oder diese beabsichtigen. Das Bundesverwaltungsgericht legt diese Bestimmung so aus, dass die Überlassungspflicht nur für die Teile des Hausmülls entfällt, zu deren Verwertung die Abfallbesitzer oder Erzeuger persönlich – also ohne Beauftragung eines Dritten – beispielsweise im Falle der Eigenkompostierung in der Lage sind. Die Vorinstanz hatte sich insoweit noch auf den Standpunkt gestellt, dass die Besitzer des Hausmülls zur Verwertung im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 a.E. KrW-/AbfG bereits in der Lage seien, wenn ein beauftragter Dritter für diese die Verwertung ausführe. Legt man die Pressemitteilung Nr. 36/2009 zugrunde, hat das Bundesverwaltungsgericht diese enge Auffassung aus der Systematik des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes und aus dessen Zweck, die ordnungsgemäße und schadlose Verwertung von Abfällen sicher zu stellen, abgeleitet. Bei privaten Haushalten – so die Pressemitteilung – rechtfertige diese Zielsetzung anders als bei verwertbarem Müll aus anderen Herkunftsbereichen die grundsätzliche Zuweisung an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger. Wäre eine – auch die Entstehungsgeschichte des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes nicht zu entnehmende – Abkehr von diesem tradierten Entsorgungssystem beabsichtigt gewesen, hätte es einer deutlichen gesetzlichen Regelung bedurft, so die Leipziger Richter in ihrer Pressemitteilung.

2. Während die Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts zu diesem Punkt nicht wirklich überrascht, so erstaunen doch die Ausführungen zu § 13 Abs. 3 Nr. 3 KrW-/AbfG. Nach dieser Vorschrift besteht die Überlassungspflicht gegenüber den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern nicht für Abfälle, die durch gewerbliche Sammlung einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung zugeführt werden, soweit dies den öffentlichrechtlichen Entsorgungsträgern nachgewiesen wird und nicht über wiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Die diesbezüglichen Voraussetzungen hat das Bundesverwaltungsgericht – ausweislich der Pressemitteilung – erheblich enger gefasst als die Vorinstanz sowie die überwiegende Mehrheit der dazu bislang ergangenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen. In der Pressemitteilung heißt es dazu: „Der Sammlungsbegriff des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes schließt Tätigkeiten aus, die auf der Grundlage vertraglicher Bindungen zwischen dem sammelnden Unternehmen und den privaten Haushalten nach Art eines Entsorgungsträgers in dauerhaften festen Strukturen gegen Entgelt abgewickelt werden. Ferner stehen überwiegende öffentliche Interessen einer gewerblichen Sammlung nicht erst bei einer Existenzgefährdung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungssystems, sondern auch schon dann entgegen, wenn die Sammlungstätigkeit nach ihrer konkreten Ausgestaltung mehr als nur geringfügige Auswirkungen auf die Organisation und die Planungssicherheit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers nach sich zieht.“ Zur Prüfung, ob diese Voraussetzungen in dem streitgegenständlichen Fall vorliegen, hat das Bundesverwaltungsgericht die Sache an das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein als Vorinstanz zur weiteren tatsächlichen Feststellung zurückverwiesen.

3. Eine abschließende Bewertung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.06.2009 ist erst möglich, wenn die Urteilsgründe vorliegen. Damit ist in den nächsten Wochen zu rechnen. Ausgehend von der Pressemitteilung dürfte allerdings absehbar sein, dass eine Vielzahl der in den vergangenen Monaten angezeigten Sammlungen heute nicht mehr zulässig wären bzw. sind und den Kommunen insoweit neue Handlungsspielräume eröffnet werden. Nach sorgfältiger Analyse der Urteilsgründe wird zu prüfen sein, ob die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bzw. dessen Auslegung des § 13 KrW-/AbfG die durch das Europäische Recht gesetzten Grenzen einhält. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die gemeinschaftsrechtlichen Prinzipien der Autarkie und Nähe, die die nationalen Überlassungspflichten tragen, nur für Abfälle zur Beseitigung und für gemischte Siedlungsabfälle (AVV-ASN 20 03 01) aus privaten Haushaltungen zur Verwertung gelten. Sollten die Urteilsgründe die Pressemitteilung bestätigen, dürfte das Bundesverwaltungsgericht daher mit seiner Auslegung die Grenzen des EG-Rechts überschritten haben. In diesem Fall wäre die Grundfreiheit des freien Warenverkehrs verletzt, weil die weite Auslegung der Überlassungspflichten durch das Bundesverwaltungsgericht nicht mehr von den diesbezüglichen – in der EG-Abfallverbringungsverordnung und der EG-Abfallrahmenrichtlinie sowie Art. 86 Abs. 2 EG enthaltenen – Einschränkungen dieser Grundfreiheit gedeckt wäre. In diesem Fall könnte das aufgrund der Rückverweisung wieder zuständige Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein den Europäischen Gerichtshof gem. Art. 234 EG um Vorabentscheidung und entsprechende Klarstellung ersuchen. Daneben ist eine Beschwerde bei der EG-Kommission denkbar. Vielleicht fasst sich aber auch der nationale Gesetzgeber ein Herz und korrigiert die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bei der anstehenden Novelle des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes in einer Weise, die die Interessen der kommunalen und der gewerblichen Unternehmen unter Berücksichtigung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben angemessen zum Ausgleich bringt.

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte