85.000 Tonnen Abfall falsch in K+S-Bergwerk eingelagert

Nach der Einlagerung von 85.000 Tonnen Abfall außerhalb zugelassener Bereiche in der K+S-Grube Hattorf Wintershall ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen vier Personen.

Hersfeld-Rotenburg – Die Abfall-Einlagerung außerhalb dafür zugelassener Bereiche in der Kaligrube Hattorf-Wintershall des K+S-Werks Werra beschäftigt inzwischen auch die Staatsanwaltschaft Fulda.

Das Regierungspräsidium Kassel (RP) als zuständige Bergbehörde hat Strafanzeige unter anderem wegen des Verdachts des illegalen Betreibens einer Abfallentsorgungsanlage beziehungsweise unerlaubten Umgangs mit Abfällen erstattet. Derzeit vier Beschuldigten wird zur Last gelegt, etwa 85.000 Tonnen Abfälle in unzulässiger Weise außerhalb zugelassener Bereiche der Untertageverwertung Wintershall abgelagert zu haben, teilt Franziska Kraus, stellvertretende Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft Fulda, auf Anfrage mit. Die Ermittlungen stünden noch ganz am Anfang, mit einem Abschluss sei in diesem Jahr wohl nicht zu rechnen. Nähere Angaben zu den Beschuldigten, etwa, ob und in welcher Funktion diese bei K+S tätig sind oder waren, machte die Staatsanwältin auf Nachfrage nicht.

Dass wegen des Vorfalls nach Informationen unserer Zeitung mehrere leitende Mitarbeiter der Untertageverwertung gekündigt beziehungsweise freigestellt wurden, wollte K+S-Sprecher Johannes Rützel nicht bestätigen, sprach jedoch von „arbeitsrechtlichen Maßnahmen“, zu denen sich das Unternehmen im laufenden Verfahren nicht äußere.

Auf die in diesem Bereich nicht zulässige Einlagerung von Abfällen wie Rückständen aus der Hausmüllverbrennung im sogenannten Versatzfeld Steinberg war die Bergbehörde durch einen offenbar anonymen Hinweis aufmerksam geworden, der sich bei einer Vor-Ort-Kontrolle als zutreffend erwies. Per Pressemitteilung hatte K+S den Vorfall am 7. Juni schließlich selbst öffentlich gemacht (wir berichteten). In einer ersten Schätzung bezifferte das RP die betroffene Abfall-Menge seinerzeit auf rund 80.000 Tonnen. Nach einer detaillierteren Bestandsaufnahme wurde sie inzwischen um 5000 Tonnen nach oben korrigiert. Weitere nicht zugelassene Ablagerungen seien nach Bekanntwerden jedoch nicht hinzugekommen, erklärt RP-Sprecher Thomas Schwabauer.

Die nicht ordnungsgemäß abgelagerten Abfälle sollen nun aufgenommen und in behördlich zugelassene Bereiche der Untertageverwertung umgelagert werden. Dazu müsse K+S zunächst einen Betriebsplan erstellen und der Bergbehörde zur Genehmigung vorlegen, heißt es vom RP. Die Untertage-Verwertung betreibt K+S seit 1992. Gefahrstoffe, wie weniger stark belastete Filterstäube aus der Müllverbrennung, werden in Big-Bags in die 500 bis 800 Meter unter der Erdoberfläche durch den Kali-Abbau entstandenen Hohlräume gestapelt, um die alten Abbaufelder zu stabilisieren. Stark belastete, umweltgefährdende Abfälle werden hingegen in der Untertagedeponie Herfa-Neurode eingelagert, um sie möglichst von der Biosphäre zu isolieren. Dort waren im Jahr 2019 und im Jahr 2016 Brände ausgebrochen.

Die nicht ordnungsgemäß in der der K+S-Kaligrube Hattorf-Wintershall abgelagerten 85.000 Tonnen Abfälle sollen nun aufgenommen und in behördlich zugelassene Bereiche der Untertageverwertung umgelagert werden. Dazu habe sich die Betreiberin nach Abstimmung mit der Bergbehörde entschieden, teilt das Regierungspräsidium (RP) Kassel auf Nachfrage mit.

Bei der Untertageverwertung werden Abfälle wie Filterstäube aus der Müllverbrennung in rund 90 mal 90 mal 120 Zentimeter große Kunststoffsäcke, sogenannte Big-Bags, abgefüllt. Diese werden durch Vibration verdichtet und per Teleskoplader in die Abbau-Hohlräume gestapelt. Im letzten Arbeitsschritt schleudert ein Spezialfahrzeug feuchtes Salz in die verbliebenen Hohlräume, welches anschließend aushärtet. „So wird in der Untertageverwertung die Anbindung der Big-Bags an die Salzpfeiler des Grubengebäudes erreicht“, erklärt K+S-Unternehmenssprecher Johannes Rützel. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe hieß es von K+S, die betroffenen Abfälle seien für die Untertageverwertung grundsätzlich zugelassen, geprüft und korrekt den Regeln der Technik entsprechend eingelagert worden – allerdings nicht in den dafür vorgesehenen, sondern angrenzenden Bereichen.

Wie es dazu kommen konnte, dazu äußert sich das Regierungspräsidium Kassel trotz Abschluss der fachlichen und rechtlichen Prüfung durch die Bergbehörde mit Hinweis auf die laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht. Auch über eine mögliche Ahndung der Verstöße durch die Bergbehörde, etwa in Form eines Bußgeldverfahrens, könne erst nach Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen entschieden werden, heißt es weiter. Flucht- und Rettungswege oder sonstige brandschutz- und sicherheitsrelevante Einrichtungen oder Vorgaben in der Kaligrube waren durch die fehlerhafte Einlagerung laut RP nicht tangiert.

Sollte sich bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Fulda der Verdacht des illegalen Betreibens einer Abfallentsorgungsanlage beziehungsweise des unerlaubten Umgangs mit Abfällen bestätigen, drohen den vier Beschuldigten bei einer Verurteilung laut Strafgesetzbuch Freiheitsstrafen von bis zu drei beziehungsweise fünf Jahren oder Geldstrafen.

Informationen unserer Zeitung, nach denen es Überlegungen geben soll, die nachträgliche Genehmigung der Einlagerung zu beantragen, weil die mit Rückständen aus der Müllverbrennung gefüllten Big-Bags dem Vernehmen nach beim Auslagern reißen, bestätigten weder RP noch K+S – dementierten sie aber auch nicht eindeutig. Laut RP-Sprecher Thomas Schwabauer sei „gegenwärtig eine Umlagerung der Abfälle“ vorgesehen. Dafür habe die Bergbehörde die Vorlage eines Betriebsplans verlangt, der eine bergbehördliche Zulassung erfordere, bevor mit den Arbeiten begonnen werde. „Die technische Umsetzbarkeit wird derzeit durch die Betreiberin insbesondere unter Arbeitsschutzaspekten geprüft. Das weitere Vorgehen der Betreiberin wird durch fortlaufende Abstimmungen mit der Bergbehörde und anlassbezogene Befahrungen flankiert“, heißt es dazu aus der Pressestelle des Regierungspräsidiums in Kassel weiter.

Noch vager formuliert es K+S-Sprecher Johannes Rützel: „Für die Herstellung des ordnungsgemäßen Zustands in der Untertageverwertung in der Grube Hattorf-Wintershall stehen wir im Austausch mit den zuständigen Behörden. K+S wird weiterhin transparent mit den Behörden zusammenarbeiten. Die Untersuchungen dauern an. Daher können wir zum jetzigen Zeitpunkt keine Aussagen über mögliche Details treffen.“ Auch zu „technischen Details einer Bergung der in nicht dafür vorgesehene Bereiche eingelagerten Big-Bags“ äußere sich das Unternehmen noch nicht, so Rützel. (Jan-Christoph Eisenberg)

Kürzlich hatte K+S die Verlegung seines Logistikzentrums von Philippsthal nach Hönebach angekündigt und das Logistik-Konzept für die Abdeckung der Abraumhalden vorgestellt. Als Abdeckmaterial sollen Bauschutt und Hausmüll-Schlacke zum Einsatz kommen. Die Kali-Förderung im Standort Unterbreizbach des Werks Werra soll 2027 enden.

Quelle:  „Hessische Niedersächsische Allgemeine“ (HNA)

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