Zur Zulässigkeit sog. „bring-or-pay“-Regelungen

Urteil des Landgerichts Bochum vom 31.03.2011, 14 O 147/10

 

Mit dem Landgericht Bochum hat sich erstmalig ein ordentliches Gericht in einem Urteil zu der umstrittenen Frage der Zulässigkeit und Grenzen von bring-or-pay-Klauseln in Entsorgungsverträgen geäußert.

 

Das Landgericht Bochum hat mit seinem Urteil vom 31.03.2011 (Az.: 14 O 147/10) eine bemerkenswerte Entscheidung zur rechtlichen Einordnung von bring-or-pay-Klauseln in Entsorgungsverträgen getroffen.

 

Nach Ansicht des Landgerichts Bochum sind bring-or-pay-Klauseln einer Kontrolle am Maßstab der besonderen Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) im Bürgerlichen Gesetzbuch grundsätzlich entzogen. Denn nach Ansicht des Landgerichts Bochum handelt es sich bei solchen Klauseln um Konkretisierungen der Hauptleistungspflichten eines Entsorgungsvertrags, weil sie – so das Gericht – mit der Liefer- und Zahlungsverpflichtung in unmittelbarem Zusammenhang stehen und letztere konkretisierten.

 

Lediglich hilfsweise führt das Landgericht Bochum in seinem Urteil aus, dass eine bring-or-pay-Klausel einer AGB-rechtlichen Prüfung standhalten würde, wenn man – anders als das Landgericht – den Standpunkt vertreten würde, dass eine bring-or-pay-Klausel doch der AGB-Kontrolle unterliegt. Nach Ansicht des Landgerichts Bochum stellt eine solche Regelung weder einen pauschalierten Schadensersatz noch eine Vertragsstrafe dar. Vielmehr handele es sich bei einer solchen Vertragsbestimmung um eine Regelung betreffend den vertraglichen Erfüllungsanspruch, die vertragsgerechtes Verhalten ausgestalte und nicht eine Strafe an vertragswidriges Verhalten knüpfe oder dazu diene, einen entstandenen Schaden auszugleichen. Zudem läge auch keine Unangemessenheit im AGB-rechtlichen Sinne vor. Bei der für diese Beurteilung vorzunehmenden Abwägung aller Umstände sei – so das Landgericht Bochum– zu berücksichtigen, dass auf der Seite des Auftraggebers neben dem Kostenentwicklungsrisiko bei Preisverfall auch das Risiko zu tragen sei, für einen längeren Zeitraum genügend Material anzuliefern. Dem jedoch stünde ein Preisrisiko des Auftragnehmers im Hinblick auf steigende Preise ebenso gegenüber, wie die Verpflichtung zur Abnahme der Vertragsmenge. Hierin sei nach Ansicht des Landgerichts Bochum ein ausreichend ausgeglichenes Verhältnis zu sehen.

 

Zur Frage der AGB-rechtlichen Wirksamkeit von bring-or-pay-Klauseln existieren unterschiedliche Auffassungen. Welchen Standpunkt die Rechtsprechung insoweit einnehmen wird, ist noch nicht absehbar. Das Landgericht Bochum ist – soweit ersichtlich – das erste Gericht, das sich im Rahmen eines Urteils mit dieser Frage befasst hat. Das Urteil ist zudem noch nicht rechtskräftig. Der Rechtsstreit ist gegenwärtig in 2. Instanz beim Oberlandesgericht Hamm anhängig. Festzustellen ist zudem, dass sich das Landgericht Bochum nur mit einer bestimmten Ausgestaltungsvariante einer bring-or-pay-Klausel befasst hat. Im Markt werden jedoch verschiedenste Ausgestaltungen von bring-or-pay-Klauseln verwandt, deren Wirksamkeit juristisch unterschiedlich zu beurteilen sein kann. Selbst wenn der aktuelle Rechtsstreit dahin entschieden würde, dass die in dem konkreten Entsorgungsvertrag enthaltene bring-or-pay-Klausel mit dem AGB-Recht vereinbart ist, bliebe daher gleichwohl ungeklärt, ob dies auch für andere Varianten von bring-orpay-Klauseln gilt. Zu berücksichtigen ist zudem, dass sich das Landgericht Bochum in seinem Urteil nur mit einigen der Fragestellungen befasst hat, die sich im Rahmen der Prüfung der AGB-rechtlichen Wirksamkeit von bring-orpay-Klauseln stellen. Das Landgericht musste sich zu der Frage, ob die konkrete bring-or-pay-Klausel einer AGB-rechtlichen Prüfung standhält nicht abschließend äußern, weil es davon ausgegangen ist, dass es sich bei der in dem streitgegenständlichen Entsorgungsvertrag enthaltenen bring-orpay-Regelung nicht um eine – von dem Vertragspartner einseitig gestellte – Allgemeine Geschäftsbedingung, sondern im konkreten Fall um eine von den Parteien individuell ausgehandelte Vertragsbestimmung gehandelt hat. Die Ausführungen zur AGB-rechtlichen Wirksamkeit erfolgten daher lediglich ergänzend zu der Hauptbegründung des Landgerichts Bochum.

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