Die Entscheidung des EuGH vom 18.12.2014 – Rs. C-551/13 – ist auf das Vorabentscheidungsersuchen eines italienischen Gerichts ergangen. Der Rechtsstreit zwischen einer italienischen Hotelgesellschaft als Eigentümerin einer Hotelanlage (SETAR) und der örtlich zuständigen Gemeinde betraf die Weigerung dieser Gesellschaft, die kommunale Abfallbeseitigungsabgabe (TARSU) zu entrichten, weil sie die Beseitigung dieser Abfälle selbst durchführt. Das vorlegende Gericht bat unter anderem um Beantwortung der Frage, ob Art. 15 Abs. 1 EG-Abfall-Rahmenrichtlinie 2008/98/EG (AbfRRL) in Verbindung mit Art. 4 und 13 AbfRRL dahin auszulegen ist, dass er nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht, die keine Möglichkeit für einen Abfallerzeuger oder einen -besitzer vorsehen, die Beseitigung dieser Abfälle selbst so durchzuführen, dass er von der Zahlung einer kommunalen Beseitigungsabgabe befreit ist.
In dem Vorabentscheidungsverfahren hat das Gericht zunächst festgestellt, dass sich aus dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 AbfRRL eindeutig keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten ergibt, eine solche Möglichkeit vorzusehen. Nach Art. 15 Abs. 1 AbfRRL haben die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass der Abfallerzeuger oder -besitzer die Abfallbehandlung selbst durchführt oder sie durch einen Händler oder eine Einrichtung oder ein Unternehmen, der/die/das auf dem Gebiet der Abfallbehandlung tätig ist, oder durch einen privaten oder öffentlichen Abfallsammler im Einklang mit Art. 4 und 13 AbfRRL durchführen lässt. Danach hätten die Mitgliedstaaten die Wahl zwischen mehreren Optionen.
Des Weiteren hat das Gericht unter Bezugnahme auf Art. 4 und 13 AbfRRL festgestellt, dass entgegen dem Vorbringen von SETAR diese Vorschriften nicht dahin ausgelegt werden können, das den Mitgliedstaaten eingeräumte Ermessen müsse in der Weise eingeschränkt werden, dem Abfallerzeuger oder Abfallbesitzer, der die Abfallbehandlung selbst durchführt, das Recht zuzuerkennen, von der Verpflichtung zur Finanzierung des von den öffentlichen Stellen eingerichteten Abfallwirtschaftssystems befreit zu sein. Denn Art. 4 AbfRRL, der die Abfallhierarchie festlegt, sei nicht zu entnehmen, dass einem System, das es Abfallerzeugern ermöglicht, die Abfallbeseitigung selbst durchzuführen, Vorrang einzuräumen wäre. Die Abfallbeseitigung stehe nämlich in der Abfallhierarchie an letzter Stelle.
Zudem stehe allein die Auslegung von Art. 15 Abs. 1 AbfRRL, wonach den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen eingeräumt sei und diese nicht verpflichtet seien, einem Abfallerzeuger oder -besitzer zu erlauben, die Abfallbeseitigung selbst durchzuführen, mit den im 41. Erwägungsgrund der AbfRRL dargelegten Umständen im Einklang, dass die Mitgliedstaaten unterschiedliche Ansätze für die Einsammlung der Abfälle haben und diese sich auch tatsächlich erheblich unterscheiden.
Für diese Auslegung spreche auch Art. 14 AbfRRL über die Aufteilung der Kosten der Abfallbewirtschaftung. Danach sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, vorzusehen, dass die Kosten der Abfallbewirtschaftung von den Abfallerzeugern und den Abfallbesitzern zu tragen sind. Die von SETAR vertretene Auffassung würde hingegen dieser Bestimmung ihre Wirkung nehmen, da im Ergebnis damit den Abfallerzeugern oder -besitzern ermöglicht würde, sich der Finanzierung des Abfallwirtschaftssystems zu entziehen.
Ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass in Ermangelung einer unionsrechtlichen Regelung, nach der den Mitgliedstaaten eine konkrete Methode zur Finanzierung der Kosten der Abfallbewirtschaftung vorgeschrieben ist, diese Finanzierung nach Wahl des betreffenden Mitgliedstaats sichergestellt werden kann. Gleichgültig, ob diese Finanzierung durch eine Abgabe oder eine Gebühr erfolgt, verstoße letztlich eine Abgabe, die auf der Grundlage der Menge anfallender Abfälle und nicht auf der Grundlage der Menge der tatsächlich erzeugten und zur Sammlung gegebenen Abfälle berechnet werde, nicht gegen unionsrechtliche Grundsätze. Dabei dürfe die im Rahmen des ausgeübten weiten Ermessens festgelegte Abgabe aber nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist.
In diesem Zusammenhang habe das vorlegende Gericht anhand der tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte zu prüfen, ob die TARSU dazu führe, dass einem Abfallerzeuger oder -besitzer wie SETAR, der die Abfallbeseitigung selbst durchführe, gemessen an der Menge oder der Art der von ihnen erzeugten Abfälle offensichtlich unverhältnismäßig hohe Kosten auferlegt würden.
Insoweit sei Art. 15 Abs. 1 AbfRRL in Verbindung mit Art. 4 und 13 dieser Richtlinie so auszulegen, dass er nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, die keine Möglichkeit für einen Abfallerzeuger oder Abfallbesitzer vorsehen, die Beseitigung dieser Abfälle selbst so durchzuführen, dass er von der Zahlung einer kommunalen Abfallbeseitigungsabgabe befreit ist, sofern diese die Anforderungen der Verhältnismäßigkeit erfüllt.
Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte