Der 7. Senat des BVerwG hat sich in einem Beschluss vom 11.03.2010 (7 B 36/09, veröffentlicht in juris und NJW 2010, S. 1686) zur Rechtsbehelfsbelehrung beim Verwaltungsakt mit Drittwirkung geäußert. Dieser Beschluss ist für die Anfechtung eines drittbelastenden Verwaltungsakts von erheblicher praktischer Bedeutung. Er enthält Interpretationen des Verfahrensrechts, die für Drittbetroffene (z.B. für Nachbarn im Bau- oder Umweltrecht) auf eine formellrechtliche Erschwerung des Rechtsschutzes hinauslaufen. Deshalb verdient er bei Widersprüchen und Klagen Drittbetroffener gegen einen Verwaltungsakt sorgfältige Beachtung.
Der Leitsatz des Beschlusses vom 11.03.2010 lautet: „Wird bei einem Verwaltungsakt mit Drittwirkung in einer ihm beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung abstrakt darüber belehrt, dass gegen den Bescheid Widerspruch eingelegt werden kann, bezieht sich die Rechtsbehelfsbelehrung ohne Weiteres auch auf einen potenziell Drittbetroffenen und setzt – wenn ihm der Verwaltungsakt bekanntgegeben wird – ihm gegenüber die Widerspruchsfrist in Lauf.“
Diese Aussagen beziehen sich auf die Monatsfrist nach § 70 i.V.m. § 58 Abs. 1 VwGO. In dem zugrunde liegenden Fall war der Widerspruch nach § 68 VwGO statthaft, so dass es um die Zulässigkeit des erhobenen Widerspruchs und die Berechnung der einmonatigen Widerspruchsfrist ging. Soweit indessen nach Landesrecht kein Widerspruch, sondern nur noch die unmittelbare verwaltungsgerichtliche Anfechtungsklage statthaft ist (so aufgrund des § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO z.B. grundsätzlich § 6 AGVwGO NRW), gelten die Aussagen im Beschluss des BVerwG vom 11.03.2010 über die Rechtsbehelfsbelehrung eines drittbelastenden Verwaltungsaktes auch für die unmittelbare Anfechtungsklage und die Klagefrist nach § 74 VwGO. Der Leitsatz des Beschlusses ist dann entsprechend umzuformulieren, so dass er lautet: „Wird bei einem Verwaltungsakt mit Drittwirkung in einer ihm beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung abstrakt darüber belehrt, dass gegen den Bescheid Klage erhoben werden kann, bezieht sich die Rechtsbehelfsbelehrung ohne Weiteres auch auf einen potenziell Drittbetroffenen und setzt – wenn ihm der Verwaltungsakt bekanntgegeben wird – ihm gegenüber die Klagefrist in Lauf.“
Nach dem Beschluss des BVerwG kommt es darauf an, ob die Rechtsbehelfsbelehrung „abstrakt“ (d.h. neutral) formuliert und nicht etwa individuell an den Adressaten gerichtet ist. Eine derart abstrakt (neutral) formulierte Rechtsbehelfsbelehrung kann z.B. lauten: „Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch (Klage) bei … erhoben werden.“ Dann wendet die Belehrung sich – wie das BVerwG in den Gründen des Beschlusses anmerkt – „einschränkungslos an jeden, der glaubt, durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein“. Eine solche abstrakte (passive) Fassung der Rechtsbehelfsbelehrung ist – so das BVerwG – in jedem Falle auch mit Blick auf mögliche Drittbetroffene richtig. Sie löst den Lauf der Rechtsbehelfsfrist (Widerspruchs- oder Klagefrist) auch gegenüber potenziell Drittbetroffenen aus. Anders ausgedrückt: Sie erfüllt gegenüber Drittbetroffenen die gesetzlich intendierte Anstoßfunktion. Der Dritte ist daher gehalten, innerhalb eines Monats nach der Bekanntgabe des Verwaltungsaktes den statthaften Widerspruch oder die unmittelbar statthafte Klage zu erheben, damit er dieses Rechtsbehelfs nicht verlustig geht.
Zu beachten sind auch die Ausführungen des BVerwG über die Art und Weise der Bekanntgabe des betreffenden Verwaltungsakts gegenüber dem Drittbetroffenen. Danach bedarf es nicht notwendigerweise einer Zustellung oder einer direkten Adressierung des Verwaltungsaktes gegenüber potenziell Drittbetroffenen. Es genügt die Bekanntgabe gegenüber dem Drittbetroffenen mittels eines Begleitschreibens. Dieses darf allerdings nicht so formuliert sein, dass die für sich eindeutige (abstrakte) Rechtsbehelfsbelehrung „im Lichte des Begleitschreibens unklar wird, für den Adressaten des Begleitschreibens also zweifelhaft wird, ob sich die Rechtsmittelbelehrung auch auf ihn beziehen soll“.
Der Beschluss des BVerwG vom 11.03.2010 stellt zu Lasten des Drittbetroffenen eine Verschärfung der bisherigen Rechtsprechung dar. Diese hat dem Drittbetroffenen bislang in der Regel die Jahresfrist gem. § 58 Abs. 2 VwGO zuerkannt, wenn die Behörde ihm den Verwaltungsakt weder zugestellt noch in sonstiger Weise durch amtliche Adressierung bekanntgegeben hatte (so z.B. BVerwGE 44, 294; 78, 85). Die Praxis wird sich daher umstellen und an der neuen Rechtsprechung des 7. Senates des BVerwG orientieren müssen. Somit empfiehlt es sich, Drittwidersprüche und Drittanfechtungsklagen künftig unter den vom 7. Senat des BVerwG formulierten Voraussetzungen – bei abstrakt formulierter Rechtsbehelfsbelehrung – innerhalb eines Monats seit der behördlicherseits veranlassten Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben.
Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte