Klärschlammentsorgung und Phosphorrückgewinnung: Grundlagen, Aussichten und EU-Neuregelungen

Die Entsorgung von Klärschlamm – dem bei der Abwasserreinigung anfallenden Rückstand – hat sich von einer reinen Entsorgungsfrage zu einem zentralen Thema der Kreislaufwirtschaft und Ressourcensicherung entwickelt. Klärschlamm enthält nicht nur potenzielle Schadstoffe, sondern auch den lebenswichtigen Nährstoff Phosphor (P). Da Deutschland und die gesamte EU nahezu 100% ihres Phosphorbedarfs importieren müssen und Phosphor als endliche, „kritische“ Ressource eingestuft wird, ist die Rückgewinnung aus dem Abfallstrom von höchster strategischer Bedeutung.


Grundlagen der Klärschlammentsorgung im Wandel

Traditionell waren die Hauptentsorgungswege für Klärschlamm:

  1. Landwirtschaftliche Verwertung (bodenbezogene Verwertung): Der Klärschlamm wurde direkt als Dünger und Bodenverbesserer auf landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht.
  2. Thermische Verwertung: Verbrennung des Klärschlamms, entweder in speziellen Klärschlamm-Monoverbrennungsanlagen oder in Kohlekraftwerken (Mitverbrennung).
  3. Deponierung: Nur für bestimmte Klärschlämme, wird aber zunehmend unbedeutend.

Die Kritik an der landwirtschaftlichen Verwertung wuchs aufgrund des Eintrags von Schadstoffen (z. B. Schwermetalle, organische Spurenstoffe, Mikroplastik) in den Boden und damit potenziell in die Nahrungskette.


Die Deutsche Verpflichtung: Klärschlammverordnung (AbfKlärV)

Die Verordnung zur Neuordnung der Klärschlammverwertung (AbfKlärV), die 2017 in Kraft trat, markiert den grundlegenden Wandel in Deutschland. Sie priorisiert die thermische Behandlung und die anschließende Phosphorrückgewinnung.

Kernpflichten der AbfKlärV:

  • Ausstieg aus der bodenbezogenen Verwertung: Für größere Kläranlagen (ab 50.000 Einwohnerwerte – EW) oder Anlagen, deren Klärschlamm einen hohen Phosphorgehalt () aufweist, ist die direkte landwirtschaftliche Verwertung untersagt.
  • Phosphorrückgewinnungspflicht: Klärschlammerzeuger sind verpflichtet, Phosphor aus Klärschlamm oder dessen Asche zurückzugewinnen, wenn die Anlage hat oder der Phosphorgehalt hoch ist.
    • Verfahrensziele: Der Phosphorgehalt muss entweder im Klärschlamm um mindestens 50% reduziert oder aus der Klärschlammasche mindestens 80% des enthaltenen Phosphors zurückgewonnen werden.
  • Berichtspflicht: Klärschlammerzeuger mussten bis Ende 2023 der zuständigen Behörde über ihre geplanten Maßnahmen zur zukünftigen Entsorgung und Phosphorrückgewinnung berichten.

Übergangsfristen für die Umsetzung der P-Rückgewinnung:

Die eigentliche Pflicht zur Phosphorrückgewinnung tritt gestaffelt in Kraft:

  • Für Kläranlagen : 01. Januar 2029
  • Für Kläranlagen : 01. Januar 2032

Aussichten und Verfahren zur Phosphorrückgewinnung

Die P-Rückgewinnung wird künftig vorwiegend an die thermische Verwertung (Monoverbrennung) gekoppelt sein, da diese die Schadstoffe zerstört und den Phosphor in der Asche konzentriert. Man unterscheidet grundsätzlich zwei Verfahrenswege:

  1. Rückgewinnung aus Klärschlamm (Nassverfahren): Hierbei wird Phosphor (oft als Magnesium-Ammonium-Phosphat, Struvit) vor oder nach der Klärschlammfaulung chemisch aus der flüssigen Phase gefällt.
  2. Rückgewinnung aus Klärschlammasche (Trockenverfahren): Die Asche wird chemisch behandelt, um den Phosphor herauszulösen und zu reinigen (z. B. mit Mineralsäuren).

Die Entwicklung zielt auf regionale Verwertungskonzepte ab, bei denen mehrere Kläranlagen Klärschlamm oder Asche zu einer zentralen P-Rückgewinnungsanlage liefern, um Skaleneffekte zu nutzen.

Die Rolle der EU und Neuregelungen

Auf europäischer Ebene ist die Verordnung (EU) 2019/1009 über die Bereitstellung von EU-Düngeprodukten auf dem Markt (EU-Düngemittelverordnung) von zentraler Bedeutung. Sie legt EU-weite Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen fest, damit Recyclingphosphate als EU-Düngeprodukte in Verkehr gebracht werden können und ihren Abfallstatus verlieren.

  • Abfallende: Die EU-Düngemittelverordnung bietet einen Rahmen, nach dem Material aus Klärschlamm, das bestimmte Anforderungen an die Produktfunktionskategorie und Komponentenmaterialkategorie (Anhang I und II) erfüllt, als Produkt und nicht mehr als Abfall gilt.
  • Schadstoffgrenzwerte: Die Verordnung enthält u. a. einen einheitlichen Cadmium-Grenzwert für Phosphatdünger, der die Akzeptanz und Sicherheit von Phosphor-Rezyklaten erhöhen soll.

Die EU-Verordnung fördert somit aktiv die Marktfähigkeit von aus Klärschlamm gewonnenen Phosphorprodukten, indem sie rechtliche Hürden im Binnenmarkt abbaut und einen klaren Weg vom Abfall zum Produkt definiert. Die nationale Politik (z. B. die Umweltministerkonferenz – UMK) arbeitet aktiv daran, das nationale Düngemittelrecht entsprechend anzupassen, um den Einsatz von Phosphorrezyklaten zu fördern.