Kein Zweckverband ohne Personal – zum Erlass von Gebührenbescheiden durch einen privatwirtschaftlich organisierten Geschäftsbesorger

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteilen vom 23.08.2011 mehrere Entscheidungen des Thüringer Oberverwaltungsgerichts (Urteile vom 14.12.2009 – 4 KO 482/09, 4 KO 486/09 und 4 KO 488/09) bestätigt, nach denen ein Wasser- und Abwasserzweckverband den Erlass von Gebührenbescheiden nicht durch vertragliche Vereinbarung auf eine privatrechtlich organisierte Gesellschaft mit beschränkter Haftung übertragen darf.

 

Die Kläger wurden mit Bescheiden unter dem Briefkopf des beklagten Zweckverbands zur Zahlung von Wasser- und Abwassergebühren herangezogen. Die Berechnung der Wasser- und Abwassergebühren sowie Erstellung und Versand der Gebührenbescheide hatte eine private GmbH erledigt, mit welcher der Zweckverband einen Geschäftsbesorgungsvertrag abgeschlossen hatte. Der Zweckverband verfügte – bis auf den Verbandsvorsteher – im Zeitpunkt des Bescheiderlasses nicht über eigenes Personal. Er hatte zudem in dem Geschäftsbesorgungsvertrag alle maßgeblichen Tätigkeiten wie die Erstellung der wasser- und abwassertechnischen Zielplanung, die Instandhaltung, Herstellung und Erneuerung der Verbandsanlagen, die Erstellung der Gebühren- und Beitragskalkulationen, die Erstellung der Satzungen und Satzungsänderungen, die Vorbereitung und Durchführung der Verbandssitzungen, die Aufstellung der Wirtschaftspläne und Haushaltssatzungen, die Bilanzführung und Buchhaltung, die Veröffentlichung von Satzungen, die Durchführung von Bürgerinformationsveranstaltungen, die Erfassung von gebühren- und beitragsrelevanten Daten, die Prüfung der Anschließbarkeit sowie der Eigentumsverhältnisse an Grundstücken sowie die Ausfertigung und Versendung der Gebühren- und Beitragsbescheide einschließlich Einziehung der Forderungen und Vollstreckung an den privatrechtlich organisierten Geschäftsbesorger übertragen. Damit hatte sich der betroffene Zweckverband nach Auffassung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts (OVG) seiner Handlungsfähigkeit so weit entkleidet, dass ein bloßer Hoheitstorso verblieb.

 

Behörden sind aber grundsätzlich zur Erfüllung ihrer Aufgaben in Selbstorganschaft verpflichtet und nicht befugt, externen Stellen die Befugnis zum Erlass von Verwaltungsakten zu erteilen. Somit sind die kommunalen Aufgabenträger dazu verpflichtet, das fachlich geeignete Verwaltungspersonal anzustellen, das erforderlich ist, um den ordnungsgemäßen Gang der Geschäfte zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang weist das OVG darauf hin, dass Organe von Gemeinden und Zweckverbänden eine eigene demokratische Legitimation besitzen, die einer privatwirtschaftlich organisierten GmbH nicht zukommt. Ferner ist zu berücksichtigen, dass Gemeinden und Zweckverbände unmittelbar der kommunalaufsichtlichen Kontrolle unterliegen und dass diese Aufsicht bei Einschaltung privater Dritter zwar nicht unmöglich, aber tendenziell erschwert ist, weil ein unmittelbarer Zugriff der Kommunalaufsicht auf die privatrechtliche Geschäftsbesorgerin nicht möglich ist.

 

Für zulässige Formen der Übertragung von öffentlichen Aufgaben auf Private wie die Delegation oder die Beleihung fehlt es nach Auffassung des OVG an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage des Landesrechts.

 

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat die Entscheidungen des Thüringer OVG bestätigt. Die Annahme der Vorinstanzen, es lägen zwar formal Abgabenbescheide vor, diese seien jedoch rechtswidrig, weil sie inhaltlich nicht von dem zuständigen Hoheitsträger verantwortet seien, verstoße nicht gegen Bundesrecht. Die Urteile des BVerwG sind bislang nicht abgesetzt. Nähere Erkenntnisse zur Reichweite der Zulässigkeit einer Übertragung von Tätigkeiten bei der Erstellung von Abgabenbescheiden sind nach Vorliegen der Entscheidungsgründe zu erwarten.

 

Aus weiteren vorliegenden Entscheidungen der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist jedoch die Tendenz zu erkennen, dass ein Erlass von Gebühren- oder Beitragsbescheiden durch privatrechtlich organisierte Dritte eher als rechtswidrig angesehen wird (vgl. etwa VG Cottbus, Beschluss vom 17.12.2010 – VG 6 L 55/10, Rn. 71: Wenn der Geschäftsbesorger nahezu lückenlos alle Aufgabenbereiche des Zweckverbandes übernommen hat und sie eigenständig bearbeitet, während sich das eigene Handeln des Zweckverbandes auf wenige Aktionen wie etwa den Satzungserlass beschränkt; VG Köln, Urteil vom 24.05.2011 – 14 K 1092/10: Ablehnend für privatwirtschaftlich organisierte örtliche Energieversorger, die eine Gebührenerhebung für eine Kommune „mit“ übernehmen).

 

Es ist damit zu rechnen, dass sich die Urteile des BVerwG vom 23.08.2011 auf die Tätigkeit von allen privatrechtlich organisierten Geschäftsbesorgern auswirken werden, die von Zweckverbänden mit der Erstellung von Gebühren- und Beitragsbescheiden beauftragt sind.

 

Da die schriftlichen Entscheidungsgründe zu den Urteilen des BVerwG vom 23.08.2011 noch nicht vorliegen, ist gegenwärtig noch unklar, ob sich die Entscheidungen auf alle Geschäftsbesorger beziehen, sofern diese nur privatrechtlich, d.h. etwa als GmbH oder AG organisiert sind, oder ob in diesem Zusammenhang auch kommunalrechtlich zulässige Eigengesellschaften von Zweckverbänden betroffen sind. Der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist außerdem bisher kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, wie viele Personen als fachlich geeignetes Verwaltungspersonal eingestellt werden müssen, um den ordnungsgemäßen Gang der Geschäfte zu gewährleisten.

 

Die vorliegenden Entscheidungen aus den Ländern Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Brandenburg sowie die Bestätigung der Rechtsprechung des OVG durch das BVerwG werden aller Voraussicht nach dazu führen, dass bisherige Vereinbarungen über die Geschäftsbesorgung oder Betriebsführung für Zweckverbände kritisch geprüft werden müssen. Im Einzelfall kann diese Prüfung zu dem Ergebnis führen, dass der Einsatz von Geschäftsbesorgern grundsätzlich neu gestaltet werden muss.

 

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

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