Höchstrichterliche Entscheidungen zu gewerblichen Sammlungen

Das Bundesverwaltungsgericht hat sich am 30.06.2016 in zwei Urteilen zu praxisrelevanten Streitfragen der gewerblichen Sammlung geäußert: Zunächst hat es entschieden, dass eine gewerbliche Alttextilsammlung nicht allein deshalb untersagt werden kann, weil der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger ein hochwertiges Erfassungssystem für Alttextilien zur Verfügung stellt. § 17 Abs. 3 Satz 3 KrWG stelle insoweit nur eine Vermutung für die Gefährdung der Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers auf, die im Einzelfall widerlegt werden könne. In einem zweiten Urteil vom gleichen Tage hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Pflicht eines gewerblichen Sammlers von Altmetall zur Darlegung der Verwertungswege regelmäßig dadurch erfüllt wird, dass er nachvollziehbar einen Verwertungsweg schildert, das Entsorgungsunternehmen, an das er die gesammelten Abfälle liefern will, namentlich benennt und geeignet belegt, dass dieses Unternehmen willens und in der Lage ist, die Abfälle anzunehmen. Die von vielen Behörden und einigen Verwaltungsgerichten geforderte „lückenlose“ Offenlegung der gesamten Verwertungskette ist danach nicht erforderlich.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat mit seinen Urteilen vom 30.06.2016 zu zwei zentralen Streitfragen betreffend gewerbliche Sammlungen erstmals Stellung genommen:

 

1. Die erste Entscheidung (7 C 4.15) betrifft eine Grundsatzfrage zur Auslegung des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG. Nach dem Wortlaut dieser Regelung ist eine – zur Untersagung der gewerblichen Sammlung führende – wesentliche Beeinträchtigung der Planungssicherheit und Organisationsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers anzunehmen, wenn durch die gewerbliche Sammlung Abfälle erfasst werden, für die der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger oder der von diesem beauftragte Dritte eine haushaltsnahe oder sonstige hochwertige getrennte Erfassung und Verwertung der Abfälle durchführt. Nach Ansicht vieler Behörden ist diese Regelung so zu verstehen, dass bereits die Existenz eines hochwertigen Erfassungssystems der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zur Unzulässigkeit konkurrierender gewerblicher Sammlungen führt, sofern der betroffene gewerbliche Sammler nicht ausnahmsweise den Nachweis erbringen kann, seine Sammlung sei wesentlich leistungsfähiger im Sinne des § 17 Abs. 3 Satz 4 KrWG. Da an die Hochwertigkeit des Erfassungssystems keine hohen Anforderungen zu stellen sind, hätte § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG bei dieser Auslegung nahezu einen absoluten Schutz der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger vor Konkurrenz durch gewerbliche Sammlungen bewirkt.

Wie bereits eine Vielzahl von Oberverwaltungsgerichten ist dem nunmehr auch das BVerwG im Fall eines gewerblichen Alttextilsammlers entgegengetreten. Die Funktionsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers sei – so das BVerwG – nicht immer schon dann gefährdet und dessen Planungssicherheit und Organisationsverantwortung wesentlich beeinträchtigt, wenn die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 KrWG erfüllt seien. Das Gesetz normiere insoweit lediglich eine widerlegliche Vermutung; dies folge insbesondere aus dem Unionsrecht. Eine Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit durch eine Überlassungspflicht zugunsten des öffentlichrechtlichen Entsorgungsträgers sei auch zum Schutz von Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge nur bei Beachtung des Erforderlichkeitsgrundsatzes zulässig. Ob eine Ausnahmesituation vorliege, richte sich in erster Linie nach dem Anteil der Sammelmenge, die dem öffentlichrechtlichen Entsorgungsträger durch eine neu hinzutretende gewerbliche Sammlung unter Berücksichtigung auch anderer Sammlungen entzogen werde. Da der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in der Vorinstanz den für die Ermittlung der maßgeblichen Sammelmengen anzulegenden Kriterien nicht entsprochen hatte, wurde die Sache vom BVerwG an den VGH zurückverwiesen.

Das Urteil des BVerwG ist zu begrüßen. Es folgt im Ansatz der von vielen gewerblichen Sammlern zu dieser Frage vertretenen Argumentationslinie. Eine abschließende Bewertung der Entscheidung und ihrer Auswirkungen wird allerdings erst möglich sein, wenn die vollständigen Urteilsgründe vorliegen. Erst dann lässt sich insbesondere beurteilen, welche Kriterien nach Ansicht des BVerwG bei der Feststellung des „Entzuges“ einer nicht mehr hinzunehmenden Menge der betroffenen Abfallfraktion anzulegen sind und wie streng die diesbezügliche Prüfung ist.

 

2. Uneingeschränkt zu begrüßen ist das zweite Urteil des BVerwG (7 C 5.15), das die Anforderungen an die Darlegung der Verwertungswege im Anzeigeverfahren nach § 18 KrWG betrifft. Namentlich die bayerischen Verwaltungsgerichte hatten insoweit bisher eine lückenlose Darlegung der Verwertungskette bis zum letzten Bestimmungsort der Abfälle unter namentlicher Benennung aller beteiligten Unternehmen gefordert. Das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht ließ zuletzt die Tendenz erkennen, dieser Rechtsprechung folgen zu wollen. Diese Rechtsprechungslinie führt zu einer weitgehenden Eliminierung gewerblicher Sammlungen, weil die danach einzuhaltenden Anforderungen praktisch nicht zu erfüllen sind. Denn z.B. Alttextilien, Altmetalle oder Altpapier werden wie „normale“ Waren am Markt gehandelt, sodass dem Sammler regelmäßig nicht bekannt ist, wohin diese Abfälle letztlich gelangen.

Das BVerwG ist dieser Fehlentwicklung nunmehr erfreulich deutlich entgegengetreten. Der Umfang der Darlegungspflicht könne – so das BVerwG – nicht generalisierend, sondern nur im Hinblick auf die konkreten Entsorgungsstrukturen bestimmt werden. Von Bedeutung könne etwa sein, ob für eine Abfallfraktion etablierte Verwertungswege beständen und ob der Marktpreis ein bestehendes wirtschaftliches Interesse an der Verwertung indiziere. Erfolge die Verwertung in mehreren Stufen, müssten auch die insoweit beschränkten Möglichkeiten der Kleinsammler berücksichtigt werden. Danach erfülle ein Sammler von Altmetall seine Pflicht zur Darlegung der Verwertungswege regelmäßig dadurch, dass er nachvollziehbar einen Verwertungsweg schildere, das Entsorgungsunternehmen, an das er die gesammelten Abfälle zu liefern beabsichtige, namentlich benenne und geeignet belege, dass dieses Unternehmen willens und in der Lage ist, die Abfälle abzunehmen.

Nichts anderes kann für die Darlegung der Verwertungswege bei Alttextilien oder Altpapier gelten, bei denen ebenfalls etablierte Verwertungswege bestehen und der positive Marktpreis ein wirtschaftliches Interesse an der Verwertung indiziert.

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte