Urteil vom:
Auch das VG Aachen hatte im hier besprochenen Beschluss die Frage der Einordnung der streitgegenständlichen Sachen als Abfall zu beantworten – mit unmittelbaren Folgen für die antragstellende Grundstückeigentümerin. Diese wehrte sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine Ordnungsverfügung. Mit dieser wurde ihr durch die zuständige Behörde aufgegeben, zwei auf ihrem Grundstück befindliche LKW zu beseitigen. Die LKW gehörten dem Mieter des Grundstücks, welcher jedoch nach Belgien verzogen war. Beide LKW befanden sich in äußerst desolatem Zustand. Die Fahrzeuge waren nicht zugelassen, hatten keinen TÜV und waren fahruntüchtig.
Im Ergebnis sah das Gericht aufgrund einer summarischen Prüfung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren keine Gründe, um an der Rechtmäßigkeit der behördlichen Ordnungsverfügung zu zweifeln. Gestützt war die Ordnungsverfügung unter anderem auf § 28 Abs. 1 Satz 1 KrWG. Nach dieser Norm dürfen Abfälle zum Zwecke der Beseitigung nur in zugelassenen Abfallbeseitigungsanlagen behandelt, gelagert oder abgelagert werden. Als Folgefrage war somit zu klären, ob die beiden LKW unter den Begriff des Abfalls nach dem KrWG zu fassen waren. Darunter fallen gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG alle Stoffe oder Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Dabei ist gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KrWG der Wille zur Entledigung anzunehmen, wenn die ursprüngliche Zweckbestimmung wegfällt, ohne dass eine neue unmittelbar an ihre Stelle tritt. Nicht jede denkbare Zweckbestimmung ist dabei heranzuziehen, vielmehr ist hierbei die Verkehrsanschauung zu berücksichtigen, § 3 Abs. 3 Satz 2 KrWG.
Das Gericht sah den Entledigungstatbestand mit Blick auf beide abgestellten LKW als gegeben an. Es führte zum einen den schlechten Zustand der Fahrzeuge an, welche nicht nur fahruntauglich waren, sondern zum Beispiel bereits Moos angesetzt hatten. Zum anderen argumentierte das Gericht, dass auch eine hier gegebenenfalls angestrebte Ersatzteilebeschaffung aus den Fahrzeugen als Verwertungsvorgang anzusehen sei und damit nicht gegen eine Einstufung als Abfall sprechen könne. Darüber hinaus hätte der Wille zur Reparatur der LKW – welcher von der Antragstellerin vorgetragen worden war – konkret ins Auge gefasst worden sein müssen. Insofern müsse ein einheitlicher, nie unterbrochener Wille des Besitzers vorliegen, wie mit der Sache zu verfahren sei. Ein ununterbrochener Wille sei jedoch nicht erkennbar, wenn ein Fahrzeug über einen langen Zeitraum nicht zum Straßenverkehr zugelassen und nicht mehr bewegt worden sei. In diesem Fall habe das Fahrzeug seine ursprüngliche Zweckbestimmung verloren und ein neuer Verwendungszweck sei nicht unmittelbar an die Stelle des alten getreten, sondern allenfalls nach erheblichem Zeitablauf. All dies sei bei den abgestellten LKW so festzustellen, sodass diese als Abfall einzustufen seien.
Das Gericht hatte sich in der Folge auch mit der Frage auseinander zu setzen, ob ein Vorgehen gegen die Grundstückseigentümerin rechtens war. Denn immerhin standen die LKW im Eigentum des nach Belgien verzogenen Mieters. Dabei stelle das Gericht unter Verweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung heraus, dass Abfallbesitzer neben dem Mieter oder Pächter eines Grundstücks auch der Eigentümer sein könne (und dies in den meisten Fällen auch sei). Auf einen Besitzwillen komme es dabei nicht an. Es sei zudem auch nicht rechtsfehlerhaft, vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Effektivität der Gefahrenabwehr die Grundstückseigentümerin und nicht den Eigentümer der LKW in Anspruch zu nehmen. Denn nur bei der Grundstückseigentümerin könne man davon ausgehen, dass einer rechtswidrigen Abfallentsorgung wirksam begegnet würde.
Anmerkung: Die Entscheidung zeigt, dass die Frage, ob ein Gegenstand Abfall ist oder nicht, stets anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu treffen ist. Die Abgrenzung zwischen Abfall und Nicht-Abfall kann dabei häufig schwierig sein. Wäre der Wille, den LKW alsbald zu reparieren, im vorliegenden Fall stärker in den Vordergrund getreten, hätte das Ergebnis durchaus anders ausfallen können. Der Fall zeigt noch einmal deutlich, dass das – durchaus verbreitete – Abstellen von Gegenständen mit der inneren Aussage „vielleicht brauchen wir es ja später noch einmal“ schnell den Weg ins Abfallrecht ebnen kann. Dabei handelt es sich um einen Sachverhalt, der sich auch in Industrie- und Gewerbebetrieben durchaus finden lässt. Zudem unterstreicht die Entscheidung die gefestigte Rechtsprechung, wonach auch der Grundstückseigentümer als Abfallbesitzer stets ordnungsrechtlich herangezogen werden kann. Auch dies ist bei grundstücksbezogenen Miet- oder Pachtverhältnisses im gewerblichen Bereich also stets zu beachten.
Quelle: Kopp-Assenmacher & Nusser Rechtsanwälte PartGmbB
Das dazu gehörige Fachseminar ist in der Seminarwelt des IWU Magdeburg auffindbar.