Erneut: Keine Verpflichtung eines Unternehmens der chemischen Industrie zur Beseitigung kontaminierten Löschwassers

Hinweise zum Urteil des VG Arnsberg vom 19.04.2010 (14 K 2368/09)

Das Urteil des VG Arnsberg befasst sich mit der Frage, ob für die abfallrechtliche Verpflichtung eines Unternehmens zur Beseitigung belasteten Löschwassers, das auf dessen Gelände durch den Einsatz der Feuerwehr wegen eines ausgebrochenen Brandes angefallen ist, nach § 3 Abs. 5 KrW-/AbfG erweiternd auf die mittelbare Verursachung abgestellt werden kann. Die Belastung des Löschwassers ist darauf zurückzuführen, dass auch PFT haltiger Schaum als Löschmittel von der Feuerwehr eingesetzt worden ist. Wegen der eindeutigen Begriffsbestimmung, die eine Ausdehnung auf den Verursacher nicht zulasse, ist eine Pflichtigkeit des Unternehmens als Abfallerzeuger auch nach der zwischenzeitlich ergangenen, abweichenden Entscheidung des OVG NRW vom 18.01.2010 (20 B 1414/09) im einstweiligen Rechtsschutzverfahren verneint worden.

Auf dem Gelände des Unternehmens, das mit der chemisch-physikalischen Behandlung von organischen Lösemitteln durch Destillieren befasst ist (Weka Destillation GmbH in Iserlohn, im Folgenden: Weka), sowie auf dem Gelände der benachbarten Galvanik kam es in der Nacht zum 22.07.2009 zu einem Großbrand.

Bei der Bekämpfung des Feuers gelangte unter anderem aus perfluorierten Tensiden (PFT) hergestellter Feuerlöschschaum zum Einsatz. Der Schaum und verbliebenes Löschwasser wurden, soweit möglich, aufgefangen und zwischengelagert. Es stellte sich heraus, dass diese Stoffe neben PFT auch Nickel enthielten.

Durch Ordnungsverfügung der Bezirksregierung Arnsberg vom 11.08.2009 wurde Weka als Erzeugerin des Abfalls aufgefordert, das Löschwasser mit einer Menge von 4.549 m³ innerhalb einer Monatsfrist ordnungsgemäß zu beseitigen. Es wurde zugleich die Ersatzvornahme angedroht und die sofortige Vollziehung angeordnet. Bei dem Löschwasser handele es sich um Abfall zur Beseitigung, der aufgrund der Belastung mit PFT und Nickel geeignet sei, das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die Umwelt, zu gefährden. Weka, die Klägerin, sei Erzeugerin dieses Abfalls im Sinne von § 3 Abs. 5 KrW-/AbfG. Denn das Wasser sei im Rahmen der Brandbekämpfung eines von der Anlage der Klägerin ausgegangenen Brandes durch die Tätigkeit der Feuerwehr zur Abwehr unmittelbarer Gefahren als Abfall entstanden. Mit Sinn und Zweck der Regelung in § 3 Abs. 5 KrW-/AbfG als Manifestation des Verursacherprinzips sei es nicht in Einklang zu bringen, die Feuerwehr als Erzeuger anzusehen und dieser daher die Beseitigungspflichten aufzubürden.

Ergänzend wurde auf § 14 Abs. 1 des Ordnungsbehördengesetzes (OBG) abgestellt, die Klägerin sei Störerin im Sinne von § 17 OBG, weil der Brand und die damit einhergehende Betätigung der Feuerwehr die erste Ursache für die erfolgte Zwischenlagerung des Löschwassers gesetzt habe.

In den Entscheidungsgründen wird zunächst klargestellt, dass es für die Rechtmäßigkeit der abfallrechtlichen Maßnahme allein auf die fehlerfreie Anwendung der Vorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes ankomme. Die Klägerin sei nicht abfallbeseitigungspflichtig, sie sei weder Erzeugerin noch Besitzerin des Löschwassers. Nach der Rechtsprechung des BVerwG sei der Kreis der zur Abfallentsorgung Verpflichteten abschließend bestimmt, wenn und soweit wie im entschiedenen Fall Anknüpfungspunkt des behördlichen Handelns gerade der abfallrechtswidrige Zustand sei. Auch nach der Entscheidung des OVG NRW im einstweiligen Rechtsschutzverfahren hatte die Klägerin zu keinem Zeitpunkt die tatsächliche Sachherrschaft über das Löschwasser ausgeübt.

Nach der Einschätzung der erkennenden Kammer des VG Arnsberg, auch unter Beachtung der Hinweise des OVG NRW im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, war die Klägerin auch nicht Erzeugerin des Abfalls.

Damit im Sinne von § 3 Abs. 5 KrW- /AbfG jemand als Abfallerzeuger angesehen werden kann, muss durch seine Tätigkeit der Abfall angefallen sein. Insoweit komme es auf den Zeitpunkt an, in dem die Begriffsmerkmale des „Abfalls“ erstmals erfüllt sind. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht erfüllt. In diesem Sinne war die letzte Tätigkeit der Klägerin der Betrieb des Rührwerks. Zu der zwangsweisen Einstellung des Betriebs des Rührwerks infolge Explosion war der Abfall jedoch noch nicht angefallen.

Die Klägerin ist auch nicht deshalb Abfallerzeuger, weil sie durch den Betrieb des Rührwerks eine nicht hinweg denkbare Ursache gesetzt habe. Denn für ein dermaßen erweitertes Verständnis von § 3 Abs. 5 KrW-/AbfG enthalte der Wortlaut der Vorschrift keinen Anknüpfungspunkt. Dies folge schon aus der Legaldefinition, nach der nur Personen in den Blick genommen werden, die eine Tätigkeit entfalten. Dieser systematische Zusammenhang lasse sich auch im Verhältnis zu § 3 Abs. 6 KrW-/AbfG herleiten, weil der Abfallerzeuger in dem Zeitpunkt, in dem die Sache vom Nicht-Abfall zum Abfall werde, die tatsächliche Sachherrschaft innehabe, während der Abfallbesitzer nicht zugleich Abfallerzeuger sei.

Auch die Entstehungsgeschichte liefert nach Einschätzung des Gerichts keine Anhaltspunkte. Denn danach sollte gerade mit den Legaldefinitionen im Verwaltungsvollzug der Streit um Verursachungen und deren mittelbare oder unmittelbare Zurechnungen im Sinne des allgemeinen Ordnungsrechts vermieden werden. Eine Gleichstellung des Abfallverursachers mit dem Abfallerzeuger komme auch nicht aus dem Gesichtspunkt in Betracht, weil in den Materialien zum Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 15.09.1993 wiederholt vom „Verursacherprinzip“ die Rede sei. Die Entscheidungsgründe setzen sich im Einzelnen mit den Stellen der Gesetzesbegründung auseinander. Im Ergebnis kommt das Gericht zu dem Schluss, dass danach der Gesetzgeber bestimmt habe, welche Personen in die abfallrechtliche Pflicht genommen werden sollen, und damit gleichermaßen auch, welche Personen nicht in der Verantwortung stehen. Insoweit werden auch keine Widersprüche zu den Begriffsbestimmungen in der Abfallrahmenrichtlinie erkannt.

In der weiteren Begründung geht das Gericht auch auf verschiedene Entscheidungen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs ein, soweit diese für die abweichende Einschätzung des OVG NRW bei seiner Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren von Bedeutung gewesen sind. Die Begründung setzt sich mit diesen Hinweisen auseinander, findet darin jedoch keine Anhaltspunkte für die Annahme, der Begriff des Abfallerzeugers erfasse auch den bloßen Abfallverursacher im weiteren Sinne.

Da die Berufung gegen die Entscheidung des VG Arnsberg wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen worden ist, bleibt abzuwarten, wie die Rechtsfrage von der höheren Instanz beantwortet wird.

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

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