BVerwG zu gewerblichen Sammlungen 1: Darlegungsanforderungen dürfen nicht überspannt werden

Bereits in einem der letzten Newsletter wurde über das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 30.06.2016 (7 C 5.15) berichtet, mit dem höchstrichterlich zu den Anforderungen an die Darlegung von Verwertungswegen sowie einer ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung bei der Anzeige gewerblicher Sammlungen Stellung genommen wurde. Nunmehr liegen die schriftlichen Entscheidungsgründe vor.

 

Der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) liegt, soweit hier von Interesse, folgender Sachverhalt zugrunde:

 

Nach Inkrafttreten des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) zeigte die Klägerin bei der zuständigen Behörde eine gewerbliche Sammlung für Altmetalle aus privaten Haushaltungen mit einem Umfang von 4 Tonnen pro Woche an. Als Verwertungsweg gab sie an, dass die gesammelten Abfälle ausschließlich an Entsorgungsfachbetriebe geliefert würden; eines dieser Unternehmen bestätigte die Anlieferung von Abfällen und deren ordnungsgemäße und schadlose Verwertung. Auf diese Anzeige hin erging gegen die Klägerin eine auf § 18 Abs. 5 Satz 2 KrWG gestützte Untersagungsverfügung der Behörde, welche die Klägerin mit einer Anfechtungsklage vor dem VG Ansbach angriff. Während die Klage erstinstanzlich Erfolg hatte, wurde sie zweitinstanzlich vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) abgewiesen, weil die Darstellung des Verwertungsweges nach Ansicht des VGH nicht den Erfordernissen des § 18 Abs. 2 Nr. 4 KrWG entsprach. Geboten sei – so der VGH – die Darlegung einer lückenlosen Kette des Verwertungsweges vom Einsammeln bis zum Abschluss der Verwertung. Dazu gehöre auch die Schilderung der Verwertungsverfahren, in welchen Anlagen die Verwertung durchgeführt werde und welche Wege dabei durchlaufen würden. Dem sei die Klägerin weder durch die Angaben in ihrer Anzeige noch durch die nachträgliche Erklärung des als Abnehmer bezeichneten Unternehmens nachgekommen, die Abfälle würden an Stahlwerke geliefert, die allerdings nicht namentlich benannt werden könnten.

 

Die von der Klägerin dagegen eingelegte Revision hatte vor dem BVerwG Erfolg, weil der VGH nach Ansicht des BVerwG die Anforderungen an die Darlegung der vorgesehenen Verwertungswege und der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung überspannt hat. Das vom VGH aufgestellte Verlangen nach der Darlegung einer lückenlose Kette des Verwertungsweges vom Einsammeln bis zum Abschluss der Verwertung, der Benennung der Verwertungsverfahren und der Schilderung, in welchen Anlagen die Verwertung durchgeführt wird und welche Wege dabei durchlaufen werden, ist nach Auffassung des obersten deutschen Verwaltungsgerichts von § 18 Abs. 2 Nr. 4 und 5 KrWG nicht gedeckt:

 

Die Argumentation des BVerwG befasst sich zunächst mit dem Gesetzeswortlaut. Dieser sei für die nähere Bestimmung der geforderten Angaben im Anzeigeverfahren wenig ergiebig. In der Rechtssprache erfordere eine Darlegung, wie sie in § 18 Abs. 2 KrWG verlangt wird, dass die tatsächlichen Umstände vorgetragen werden, aus denen sich die gesetzlichen Voraussetzungen für eine bestimmte Rechtsfolge ergeben. Insoweit öffne sich der Wortlaut dem Zweck und der Aufgabe der Norm. Soweit das Gesetz von „Verwertungswegen“ spreche, werde dadurch der Umstand berücksichtigt, dass die Verwertung von Abfällen in der Regel ein mehrstufiges Verfahren durchläuft. Dass es dabei um „vorgesehene“ Verwertungswege gehe, trage der Tatsache Rechnung, dass keine retrospektive Dokumentation im Sinne eines Nachweises, sondern eine mit Unsicherheiten behaftete zukunftsbezogene Angabe gefordert werde. Welche Schlüsse daraus für den Umfang der gebotenen Darlegung zu ziehen seien, lasse sich dem Wortlaut indes nicht entnehmen.

 

Angesichts dieses Befundes wendet sich das BVerwG sodann Systematik, Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck der Regelung zu:

 

In systematischer Hinsicht zieht es einen Vergleich zum Nachweisrecht (für gefährliche Abfälle) heran. Danach erstrecke sich die Nachweispflicht des Abfallbesitzers in der Regel nicht auf den endgültigen Bestimmungsort der Abfälle, sondern nur auf den jeweiligen Teilschritt, der in einer Abfallentsorgungsanlage ende. Nur für den Fall, dass sich der erste Entsorgungsschritt auf eine bloße Lagerung beschränke, müsse auch die weitere Entsorgung durch entsprechende Entsorgungsnachweise festgelegt sein; auch insofern sei allerdings kein Nachweis bis zum letzten Bestimmungsort verlangt. Habe der Gesetzgeber für die gewerbliche Sammlung von ungefährlichen Abfällen eine solche Nachweispflicht nicht geregelt, folge daraus, dass das Darlegungserfordernis nach § 18 Abs. 2 KrWG regelmäßig hinter den in der Nachweisverordnung normierten Anforderungen zurückbleiben werde.

 

Im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte führt das BVerwG aus, dass die vom einem gewerblichen Sammler im Rahmen der Anzeige zu übermittelnden Informationen nach dem Willen des Gesetzgebers „nur unwesentlich“ über die Anforderungen nach dem früheren § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Kreislaufwirtschafts-/Abfallgesetz hinausgehen sollten. An diesen Nachweis habe die Rechtsprechung jedoch keine hohen Anforderungen gestellt und es nicht für erforderlich erachtet, den Verwertungsweg im Einzelnen aufzuzeigen; stattdessen habe sie die Vorlage eines Vertrages über den Weiterverkauf der Abfälle genügen lassen. Auch die Formulierung in der Gesetzesbegründung, dass „lediglich“ eine Darlegung gefordert werde, lasse auf eher geringe Anforderungen schließen.

 

Schließlich rechtfertigen nach Ansicht des BVerwG auch Sinn und Zweck der Regelung keine generalisierenden hohen Anforderungen, wie sie vom VGH aufgestellt wurden. Die Anzeige gewerblicher Sammlungen habe die Funktion, eine angemessene Kontrollmöglichkeit zu eröffnen, die zunächst eine allgemeine Prüfung und gegebenenfalls eine anschließende detaillierte Überwachung auch auf den nachfolgenden Verwertungsstufen beinhaltet. Den Besonderheiten verschiedener Abfallmärkte und insbesondere den spezifischen Möglichkeiten typischer Sammlergruppen müsse zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen werden, soweit dies die Überwachungsbedürfnisse nicht leerlaufen lasse. Folglich sei bei der Bestimmung des Umfangs der Darlegungspflicht nicht generalisierend, sondern im Hinblick auf die konkreten Entsorgungsstrukturen differenzierend vorzugehen. Als dabei bedeutsame Kriterien benennt das BVerwG unter anderem das Bestehen etablierter Verwertungswege für eine Abfallfraktion, den aktuellen Marktpreis, der ein ökonomisches Interesse an der Verwertung indizieren könne, und die Frage, ob die Abfälle im Rahmen einer langjährigen Geschäftsbeziehung an bekannte und bewährte Entsorgungsunternehmen weiterveräußert würden.

 

Durchlaufe die Verwertung mehrere Stufen, müsse bei der Festlegung der Darlegungsanforderungen die Situation der Kleinsammler Berücksichtigung finden. In einem Bereich wie dem Altmetallrecycling erfülle der Sammler seine Anzeigepflicht regelmäßig dadurch, dass er nachvollziehbar einen pauschalen Verwertungsweg schildert, das oder die Entsorgungsunternehmen namentlich benennt, an die er die gesammelten Abfälle zu liefern beabsichtigt, und mit geeigneten Mitteln belegt, dass diese willens und in der Lage sind, die Abfälle der Sammlung anzunehmen. Hierfür genüge eine schriftliche Erklärung des abnehmenden Unternehmens, aus der sich ergibt, dass die Annahme der Abfälle sowohl hinsichtlich ihres Umfangs als auch des Zeitraums der Sammlung gewährleistet ist. Eine detaillierte Beschreibung des weiteren Entsorgungswegs sei einem Kleinsammler nicht möglich (und daher von ihm nicht zu verlangen), denn der am Anfang der Entsorgungskette stehende Kleinsammler sei zum einen auf Angaben der Unternehmen in der Verwertungskette angewiesen und diese könne sich zum anderen in ihrer Zusammensetzung durch Marktentwicklungen ändern. Des Weiteren stelle sich das Problem, dass sich der Weg der Abfälle des jeweiligen Kleinsammlers jedenfalls nach Vermischung mit den Abfällen anderer Sammler auf den weiteren Verwertungsstufen nicht mehr nachvollziehen lasse. In dieser Situation erscheine es angezeigt, die gegebenenfalls gebotenen Überwachungsmaßnahmen auf den verschiedenen Stufen der Entsorgungskette vorzunehmen.

 

Im Ergebnis hat das BVerwG das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an den VGH zurückverwiesen, damit dieser über das Vorliegen anderer Untersagungsgründe (Unzuverlässigkeit, Entgegenstehen überwiegender öffentlicher Interessen im Sinne des § 17 Abs. 3 KrWG) entscheiden kann.

 

Die Entscheidung des BVerwG zu den Darlegungsanforderungen ist uneingeschränkt zu begrüßen. Besonders erfreulich ist, dass das BVerwG ausdrücklich klarstellt, dass Darlegungsanforderungen des § 18 Abs. 2 KrWG nicht dazu genutzt werden dürfen, vermeintliche Lücken bei der Abwehr gewerblicher Sammlungen zu schließen. Diese höchstrichterliche Mahnung erscheint angesichts offenkundig gegenteiliger Tendenzen bei einigen Behörden und Gerichten durchaus angebracht.

 

Der richtungsweisende Charakter und die grundsätzliche Bedeutung der Entscheidung werden nicht dadurch geschmälert, dass die Ausführungen des BVerwG teilweise nur auf Kleinsammler gemünzt sind. Das BVerwG nennt als Leitlinien für die Bestimmung der Darlegungsanforderungen nebeneinander die Besonderheiten verschiedener Abfallmärkte und die spezifischen Möglichkeiten typischer Sammlergruppen. Ganz überwiegend beruhen die Erwägungen des BVerwG im vorliegenden Urteil dabei nicht auf dem Gesichtspunkt von Informationsdefiziten, die bei Kleinsammlern (im Gegensatz zu großen Entsorgungsunternehmen) bestehen, sondern auf davon unabhängigen Faktoren der Abfallwirtschaft, also auf den Besonderheiten des Abfallmarkts und nicht auf den spezifischen Möglichkeiten von Kleinsammlern.

 

Dies gilt namentlich für die Aussagen zu den hohen Recyclingquoten im Altmetallbereich, zum Vorhandensein etablierter Verwertungswege und zum positiven Marktwert, der ein wirtschaftliches Interesse der beteiligten Unternehmen an der Durchführung einer Verwertung indiziert. Aber auch die vom BVerwG in den Kontext von Kleinsammlungen gestellten Erwägungen zur Vermischung von Abfällen verschiedener Sammler und zu möglichen Veränderungen in der Verwertungskette aufgrund sich ändernder Marktgegebenheiten beruhen in Wirklichkeit nicht auf einem geringen Umfang der in Rede stehenden Sammlung oder eingeschränkten Möglichkeiten solche Sammlungen durchführender Unternehmen, sondern auf dem Vorhandensein eines Marktes für Altmetall, der die gleichen Strukturen wie ein Markt für Primärrohstoffe aufweist; auch sie betreffen daher kleine wie große Sammelunternehmen gleichermaßen.

 

Für die Darlegung der Verwertungswege durch größere Sammelunternehmen werden daher keine grundsätzlich anderen Anforderungen gelten, als sie durch das vorliegende Urteil des BVerwG herausgearbeitet wurden. Zudem lassen sich die Erwägungen des BVerwG auf andere Abfallfraktionen wie z.B. Altpapier und Alttextilien übertragen, für die vergleichbare Marktbedingungen vorliegen.

 

 

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

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