Blaue Tonne reloaded 2

– Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.02.2011, 5 Bs 196/10

 

In seinem vielbeachteten Urteil vom 18.06.2009 hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass private Haushaltungen ihren Hausmüll einschließlich seiner verwertbaren Bestandteile (insbesondere des Altpapiers) grundsätzlich den öffentlich- rechtlichen Entsorgungsträgern, also den kommunalen Betrieben, zu überlassen haben und nicht befugt sind, mit der Verwertung solcher Bestandteile „Dritte“ zu beauftragen (Az.: 7C16.08, siehe hierzu Newsletter 2/09). In der Folge sind viele Gerichte und Kommunen dieser Auslegung gefolgt. In seinem Beschluss vom 18.02.2011 hat sich nun das Hamburgische Oberverwaltungsgericht kritisch mit den Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts auseinander gesetzt und dabei auch die angedachten Regelungen im Referentenentwurf zum neuen Kreislaufwirtschaftsgesetzes in Bezug genommen.

 

Sachverhalt

 

Ausgangspunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Hamburg war eine Untersagungsverfügung der Stadt Hamburg aus dem Jahr 2008, mit der einem privaten Entsorgungsunternehmen die gewerbliche Sammlung von Altpapier mittels blauer Tonne untersagt wurde. Die Untersagungsverfügung griff das private Entsorgungsunternehmen zunächst erfolgreich unter anderem im Rahmen eines Eilverfahrens an. Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Jahr 2009 änderte das Verwaltungsgericht Hamburg seinen Beschluss nach entsprechendem Antrag durch die Stadt Hamburg jedoch auf der Grundlage von § 80 Abs. 7 VwGO ab und ordnete die Sofortvollziehung der Untersagungsverfügung wieder an.

 

Nachdem die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in der Fachöffentlichkeit intensiv diskutiert wurde und in den Referentenentwurf des Kreislaufwirtschaftsgesetzes – entgegen der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts – ein weiter Sammlungsbegriff aufgenommen wurde, gab das Oberverwaltungsgericht Hamburg der Beschwerde des privaten Entsorgungsunternehmens statt und lehnte die Abänderungsanträge der Stadt Hamburg ab.

 

Zur Begründung führte das Hamburgische Oberverwaltungsgericht aus, dass das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu einer solchen Klärung der Rechtslage geführt habe, dass die dortigen Ausführungen im Hauptsacheverfahren ohne Weiteres zugrunde gelegt werden könnten. Es bezieht hierbei in seine Betrachtung auch den Referentenentwurf des Kreislaufwirtschaftsgesetztes ein und wertete die darin enthaltene Definition der gewerblichen Sammlung als eine Reaktion auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Ferner weist es darauf hin, dass die Ausführungen im Referentenentwurf sogar dafür sprechen könnten, dass bereits der geltende § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG im Hinblick auf EU-rechtliche Vorgaben so zu verstehen sei, wie es die im Referentenentwurf vorgesehene Begriffsbestimmung zur gewerblichen Sammlung vorsehe.

 

Stellungnahme

 

Der Bezug des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts auf den Referentenentwurf zum neuen Kreislaufwirtschaftsgesetz ist bemerkenswert, denn das neue Kreislaufwirtschaftsgesetz ist noch nicht in Kraft und bloße Gesetzentwürfe sind nicht verbindlich. Das Gericht überschreitet damit die Auslegungsregeln jedoch nicht.

 

Zum einen ist insoweit von Bedeutung, dass der Beschluss des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts im Rahmen eines Eilverfahrens gefallen ist, bei dem es auch auf die Erfolgsaussichten im späteren Hauptsacheverfahren ankommt. Insofern ist die aktuelle Diskussion um die Reichweite der gewerblichen Sammlung auch in laufenden Eilverfahren zu Untersagungsverfügungen der gewerblichen Sammlung beachtlich, weil diese eine Dauerwirkung entfalten.

 

Zum anderen legt das Hamburgische Oberverwaltungsgericht die Ausführungen im Referentenentwurf lediglich als Anhaltspunkt für eine kritische Betrachtung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde. Dies deswegen, weil dort die europarechtlichen Vorgaben zur Warenverkehrs- und Wettbewerbsfreiheit zur Begründung eines weiten Sammlungsbegriffs angeführt werden. Diese Herangehensweise ist deswegen zulässig, weil eine europarechtskonforme Auslegung des geltenden Rechts auch für die Gerichte verbindlich ist.

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