BGH bestätigt die Zulässigkeit der Bemessung von Wasser-Grundpreisen für Mehrfamilienhäuser anhand der Anzahl der Wohneinheiten

Wasserpreissysteme dürfen Wohnungsgröße und Ausmaß der tatsächlichen Benutzung außer Acht lassen

 

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in drei aktuellen Urteilen vom 20.05.2015 (BGH, Urteile v. 20.05.2015, Az. VIII ZR 136/14, VIII ZR 164/14 und VIII ZR 338/14) entschieden, dass ein Wasserversorgungsunternehmen, dem in seinem Verbandsgebiet die Pflicht zur öffentlichen Wasserversorgung übertragen ist und das dabei die einem Benutzungszwang unterliegenden Anschlussnehmer auf privatrechtlicher Grundlage versorgt, für die Lieferung von Trinkwasser neben verbrauchsabhängigen Entgelten zugleich verbrauchsunabhängige Grundpreise in Ansatz bringen kann. Dabei sei es nicht unbillig im Sinne von § 315 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wenn die für Wohngrundstücke vorgesehenen Grundpreise ohne weitere Differenzierung lediglich auf die Anzahl der Wohneinheiten abstellen und Wohnungsleerstände unberücksichtigt lassen.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH müssen Tarife von Unternehmen, welche mittels eines privatrechtlich ausgestalteten Nutzungsverhältnisses Leistungen der Daseinsvorsorge anbieten, auf deren Inanspruchnahme der andere Vertragsteil im Bedarfsfalle angewiesen ist, nach billigem Ermessen festgesetzt werden. Sie sind dementsprechend einer Billigkeitskontrolle unterworfen (§ 315 Abs. 3 BGB). Dies wird zum Teil aus der Monopolstellung der Versorgungsunternehmen hergeleitet, gilt aber auch für den Fall des Anschluss- und Benutzungszwangs.

 

In den den Urteilen vom 20.05.2015 zugrunde liegenden Fällen hatte der Wasserversorger den neben dem Mengenpreis für die gelieferte Wassermenge zu zahlenden Grundpreis für Wohngrundstücke allein anhand der Anzahl der Wohneinheiten festgesetzt, wobei der Grundpreis für jede Wohneinheit die gleiche Höhe vorsah. Die beklagten Grundstückseigentümer hatten die Zahlung eines Teils des Grundpreises verweigert, da sie die Auffassung vertraten, Leerstände der Wohnungen seien bei der Gebührenbemessung zu berücksichtigen. Die Wasserversorgungsunternehmen hätten nach Ansicht der Grundstückeigentümer den massiven Leerstand in einem Teil der Wohneinheiten jedenfalls vor dem Hintergrund auch im Rahmen von Versorgungsverhältnissen bestehender Schutz- und Rücksichtnahmepflichten aus Treu und Glauben bei ihrer Preisbemessung berücksichtigen müssen.

 

Der BGH bestätigt in seiner Entscheidung die Auffassung der Vorinstanz, die Bemessung der Grundgebühr nach Wohneinheiten trage dem unterschiedlichen tatsächlichen Nutzungsmaßstab bei Einfamilienhäusern einerseits und großflächigen mehrgeschossigen Mietwohnungsobjekten andererseits hinreichend Rechnung, da die Vorhalteleistung durch die Wasserversorgungsunternehmen unabhängig von der Größe der einzelnen Wohneinheiten oder ihrer Belegungsdichte erbracht werde. Eine Grundgebühr für die Bereitstellung und das Bereithalten einer jederzeit möglichen Wasserversorgung als Vorhalteleistung sei darauf angelegt, eine Leistung abzugelten, welche auch für Wohneinheiten erbracht wird, die leer stehen und in denen kein Wasser verbraucht wird.

 

Der BGH führt in der Begründung seiner Urteile weiter aus, die Eigentümer leer stehender Wohnungen würden nicht nur in gleichem Maße wie diejenigen bewohnter Räume an der Vorhalteleistung der Wasserversorgungsunternehmen partizipieren. Insbesondere habe auch der Leerstand der Wohnungen keine Auswirkungen auf die durch den Anschluss verursachten Vorhaltekosten. Denn die aus der Lieferbereitschaft auch für die leer stehenden Wohnungen folgende abrufbare Arbeitsleistung verringere sich nicht bei einem Leerstand. Dies gelte zumindest solange, wie die Möglichkeit besteht, dass die Wohnungsnutzung jederzeit wieder aufgenommen wird und der Anschlussnehmer damit zugleich die sofortige Belieferung mit der benötigten Trinkwassermenge beanspruchen kann. Zwar werde bisweilen erwogen, Leerstände, die im gesamten Versorgungsgebiet ein solches Ausmaß annehmen, dass sie zur Wahrung einer Typengerechtigkeit der Gebührentatbestände als eigenständiger Versorgungstyp schlechthin nicht mehr unberücksichtigt bleiben können, gegebenenfalls über einen eigenständigen Gebührentatbestand zu erfassen. Ob dem zu folgen wäre, könne in den zu entscheidenden Fällen jedoch dahin stehen, da den getroffenen Feststellungen nicht zu entnehmen sei, dass die Leerstände auf das gesamte Versorgungsgebiet bezogen ein solches Ausmaß angenommen hätten.

 

Eine weitergehende Differenzierung nach der Zahl der Bewohner oder Größe der Wohnung sei den Wasserversorgungsunternehmen grundsätzlich nicht zuzumuten, da die Versorger weder im Hinblick auf die sich häufig wechselnde Personenzahl noch auf die jeweilige Größe der Wohneinheiten auf eigene Wahrnehmungen zurückgreifen könnten und daher auf für sie nicht nachprüfbare Angaben der jeweiligen Abnehmer angewiesen seien.

 

In der Praxis haben in der vergangenen Zeit bereits einige Trinkwasserversorger ihr Preissystem umgestellt, so dass nicht mehr die Größe des Trinkwasserzählers, sondern allein die Zahl der Wohneinheiten für maßgeblich erachtet wird. Die Urteile des BGH bringen nun Rechtssicherheit für Tarifumstellungen mit einem Wohneinheitenmaßstab, so dass weitere Trinkwasserversorger folgen werden und sich Grundstückseigentümer auf entsprechende Änderungen bei den Tarifen einstellen müssen.

 

 

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert