Beschaffung von Laborgeräten mittels Herstellerlisten vergaberechtswidrig?

Öffentlich-rechtliche Universitätskliniken oder Forschungsinstitute etc. sind in ihrer Funktion als öffentliche Auftraggeber beim Einkauf von Labormaterialien und –geräten an das Vergaberecht gebunden. Dabei entspricht es einer üblichen Praxis, diese regelmäßig auf der Grundlage von Produktlisten ausgewählter Hersteller zu beschaffen. Von den liefernden Unternehmen lassen sich die Auftraggeber dann lediglich Rabatte auf die Herstellerpreise anbieten. Erhebliche Zweifel bestehen insoweit, ob diese Vorgehensweise dem vergaberechtlichen Grundsatz einer produktneutralen Ausschreibung entspricht. Die Erste Vergabekammer Bund (1. VK Bund) hat hierzu nunmehr in einer aktuellen Entscheidung Stellung genommen (Beschluss vom 29.08.2011 – VK 1 – 105/11).

 

Problem/Sachverhalt

 

Der Auftraggeber hatte in einem offenen Verfahren die Vergabe von Rahmenverträgen betreffend die Lieferung von Laborgeräten in einzelnen Losgruppen europaweit ausgeschrieben. Zur Beschreibung der Laborgeräte wurden dabei im Leistungsverzeichnis allein Fabrikate von konkreten Herstellern und deren Produktgruppen genannt. Weitere Ausführungen zu etwaigen Eigenschaften der zu beschaffenden Geräte waren der Leistungsbeschreibung indes nicht zu entnehmen. Nach einem allgemeinen Hinweis in den Vergabeunterlagen konnten an Stelle der genannten Fabrikate auch Produkte gleichwertiger Art angeboten werden. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis, wobei dieser von den Bietern als prozentualer Nachlass (Rabatt) auf den aktuellen Listenpreis des jeweiligen Geräteherstellers anzugeben war.

 

Der Auftraggeber hat nach Abgabe der Angebote das Vergabeverfahren für einzelne Losgruppen aufgehoben. Als Grund gab er unter anderem an, dass er die ausgeschriebenen Rahmenverträge nicht mehr bzw. nicht mehr in dieser Form und in dieser Zusammensetzung der Produkte beauftragen wolle. Vielmehr wolle er die zu beschaffenden Produkte nunmehr herstellerneutral ausschreiben.

 

Die Aufhebung des Vergabeverfahrens beanstandete die Antragstellerin wegen des Fehlens eines hinreichenden Aufhebungsgrundes und begehrte u.a. die Feststellung der Unzulässigkeit der Aufhebung des Verfahrens.

 

Entscheidung

 

Zum Teil mit Erfolg! Die 1. VK Bund stellte insofern fest, dass die Antragstellerin durch die teilweise Aufhebung des Vergabeverfahrens in ihren Rechten verletzt ist, da kein Aufhebungsgrund nach § 20 Abs. 1 VOL/A-EG vorliegt. Die hierin geregelten Aufhebungsgründe erfassen insofern prinzipiell nur solche Umstände, die erst nach Beginn der Ausschreibung eingetreten sind oder die dem Auftraggeber vorher nicht bekannt sein konnten. Entsprechende Erwägungen hatte der Auftraggeber hier nicht dargetan. Vielmehr lagen die von ihm vorgetragenen Gründe bereits zu Beginn des Vergabeverfahrens vor.

 

Die 1. VK Bund erkannte in der Absicht des Auftraggebers, die Leistungsbeschreibung überarbeiten und herstellerneutral gestalten zu wollen, allerdings einen sachlich gerechtfertigten Grund für die Aufhebung es Vergabeverfahrens. Die bisherige Leistungsbeschreibung, die ausschließlich aus der Nennung von konkreten Herstellerfabrikaten bestand, lies nach Auffassung der 1. VK Bund starke Zweifel an der Vergaberechtskonformität im Hinblick auf § 8 Abs. 7 VOL/A-EG aufkommen. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der Vorgabe in den Vergabeunterlagen, dass von den Bietern auch gleichwertige Produkte angeboten werden können. Insoweit führte die 1. VK Bund aus, dass aufgrund der derzeit weitgehend fehlenden Produktneutralität der Leistungsbeschreibung (in einem etwaigen neuen Vergabeverfahren) eine produktneutrale Beschreibung des Beschaffungsbedarfs (…) möglich und vergaberechtlich erforderlich ist.

 

Praxishinweis

 

Die 1. VK Bund hat damit nunmehr erstmals ausdrücklich die übliche und bisher nicht infrage gestellte Vergabepraxis betreffend die Beschaffung von Laborgeräten für vergaberechtswidrig erkannt. Die insoweit nahezu ausschließlich nach Herstellerlisten durchgeführten Beschaffungen verstoßen gegen den Grundsatz der Produktneutralität gem. § 8 Abs. 7 VOL/AEG. In diesem Zusammenhang vermag – wie die vorliegende Entscheidung zeigt – auch der Zusatz „oder gleichwertig“ nicht über die Vergaberechtswidrigkeit hinwegzuhelfen, da durch diesen kein Wettbewerb eröffnet wird (so auch: VK Sachsen, Beschluss vom 01.07.2011 – 1/SVK/025-11).

 

Einem Verstoß gegen den Grundsatz der Produktneutralität könnte insoweit nur begegnet werden, wenn auch im Rahmen der Beschaffung von Laborgeräten die Produkte der Hersteller neutral anhand abstrakter Produkteigenschaften beschrieben werden. Wobei auch in diesem Zusammenhang zu beachten ist, dass die Beschreibung nicht auf nur ein einziges Produkt zugeschnitten werden darf (VK Sachsen, a.a.O.).

 

Lediglich in den nach § 8 Abs. 7 VOL/A-EG ohnehin bereits bestehenden Ausnahmetatbeständen ist die Verwendung von konkreten Fabrikatsbezeichnungen zulässig. Die Gründe für eine solche produktspezifische Beschreibung sind dann jedoch von dem Auftraggeber hinreichend zu dokumentieren.

 

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

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