Das Oberverwaltungsgericht Koblenz (OVG Koblenz) hat in seinem Urteil vom 13.04.2016, Az. 8 C 10674/15.OVG, entschieden, dass sich die Bedarfsprognose im Rahmen der Planrechtfertigung einer Deponieerweiterung vorrangig an den bestehenden Verhältnissen und den Aussagen des maßgeblichen Abfallwirtschaftsplanes zu orientieren hat. Weiter führt es aus, dass das Autarkie- und Näheprinzip den zuständigen Behörden zwar die Möglichkeit einräumt, Abfalllieferungen aus dem Ausland oder anderen Bundesländern abzuwehren; eine entsprechende Verpflichtung zur Beschränkung des Entsorgungsbereichs einer Deponie oder der anzuliefernden Abfälle lasse sich hieraus jedoch nicht ableiten.
Der Kläger, ein anerkannter Umweltverband, wendete sich gegen einen Planfeststellungsbeschluss des Beklagten, mit dem die Erweiterung der von dem Beigeladenen betriebenen Deponie R. um einen weiteren Deponieabschnitt genehmigt wurde. Das OVG Koblenz hat die zulässige Klage abgewiesen.
Planrechtfertigung
Die Planrechtfertigung sei als Ausprägung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit ungeschriebenes Erfordernis jeder Fachplanung. Sie liege vor, wenn das Vorhaben gemessen an den Zielen des zugrunde liegenden Fachplanungsgesetzes vernünftigerweise geboten sei. Dies sei dann der Fall, wenn es aus Gründen des Allgemeinwohls, das heißt im Fall der Errichtung oder Erweiterung einer Deponie im öffentlichen Interesse an einer gemeinwohlverträglichen Abfallbeseitigung, objektiv erforderlich sei.
Der Vorhabenträger habe mittels prognostischer Ermittlung darzulegen, dass für die Deponierung der vorgesehenen Abfälle am Standort ein tatsächlicher Bedarf bestehe. Diese Prognose werde vom Gericht nur daraufhin überprüft, ob sie mit den zu ihrer Zeit verfügbaren Erkenntnismitteln unter Beachtung der für sie erheblichen Umstände sachgerecht erarbeitet worden sei. Einer mathematisch schlüssigen Ableitung der Dimensionierung der Deponie bedürfe es nach Ansicht des Gerichts nicht. Anknüpfungspunkt seien vor allem die bestehenden Verhältnisse der Deponie. Weiterhin sei auf die Aussagen des maßgeblichen Abfallwirtschaftsplanes abzustellen, der nach § 30 Abs. 1 Satz 1 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) insbesondere auch überörtliche Gesichtspunkte in eine das gesamte Land Rheinland-Pfalz betreffende Bedarfsplanung mit einbeziehe.
Mögliche Einflüsse, deren Eintreten und deren Auswirkungen noch nicht abschließend beurteilt werden können, vermögen nach der Auffassung des OVG Koblenz die Grundlagen der Bedarfsprognose nicht zu beeinflussen und deren Sachgerechtigkeit nicht in Frage zu stellen. Hierzu würden etwa die Erwartung steigender Verwertungsanteile, aber auch gegenteilige Effekte wie Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen, die eine erhöhte Nachfrage nach der Deponierung von Abfällen entstehen lassen können, zählen. Solche Faktoren stellen nach Ansicht des Gerichts Unwägbarkeiten dar, die mit jeder Prognose verbunden sind. Eine Veränderung der Restlaufzeit der Deponie könne die Planrechtfertigung nur dann in Frage stellen, wenn hierdurch eine im Hinblick auf das Erfordernis einer gemeinwohlverträglichen Abfallbeseitigung erhebliche Änderung eintrete.
Keine Beschränkung des Entsorgungsbereichs der Deponie
Nach Ansicht des OVG Koblenz besteht aus den folgenden Erwägungen keine Verpflichtung der zuständigen Behörden zur Beschränkung des Entsorgungsbereichs der Deponie:
– Die Abfallrahmenrichtlinie (2008/98/ EG) umschreibe in Art. 16 die Grundsätze der Entsorgungsautarkie und Nähe, nach denen die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen treffen, um ein integriertes Netz von Abfallbeseitigungsanlagen und Anlagen zur Verwertung von gemischten Siedlungsabfällen, die von privaten Haushaltungen eingesammelt werden, zu errichten, auch wenn dabei Abfälle anderer Erzeuger eingesammelt werden. Das Netz von Abfallbeseitigungsanlagen und Anlagen zur Verwertung von gemischten Siedlungsabfällen muss es nach der Rechtsprechung des Gerichts gestatten, dass die Abfälle in einer der am nächsten gelegenen geeigneten Anlagen beseitigt bzw. verwertet werden und zwar unter Einsatz von Verfahren, die am besten geeignet sind, ein hohes Niveau des Gesundheits- und Umweltschutzes zu gewährleisten.
Aus diesen Bestimmungen ergibt sich jedoch nach Ansicht des Gerichts nicht, dass der Entsorgungsbereich von Abfallbeseitigungsanlagen zwingend aus Gründen der Entsorgungsautarkie und Nähe einzuschränken ist. Es ergebe sich keine Pflicht, die nächstgelegene Deponie zu nutzen oder die Abfallströme ausdrücklich hierhin zu lenken. Erst recht bestehe keine Pflicht, Abfälle abzuweisen, für die eine ortsnähere Entsorgungsmöglichkeit besteht.
Auch soweit im Abfallwirtschaftsplan Rheinland-Pfalz auf das Autarkieprinzip Bezug genommen wird, sei hierin keine Vorgabe für staatliches Handeln und keine Verbotsnorm für die Anlieferung nicht aus Rheinland-Pfalz stammender Abfälle zu sehen. Ziel ist nach Ansicht des OVG Koblenz, dass Rheinland-Pfalz von Entsorgungsmöglichkeiten in anderen Bundesländern unabhängig wird und es vermieden wird, dass Abfälle im Ausland entsorgt werden müssen. Die Zielvorgabe knüpfe an Abfälle an, die in Rheinland-Pfalz entstehen und treffe keine Aussage zu Abfällen, die aus anderen Bundesländern oder dem Ausland nach Rheinland-Pfalz angeliefert werden.
– Art. 11 Abs. 1 Buchstabe a) der Abfallverbringungsverordnung (Verordnung (EG) Nr. 1013/2006) eröffne den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, unter Berufung auf das Autarkie- und Näheprinzip ihre Abfallmärkte abzuschotten. Dem Bestimmungsstaat werde eine Abwehrmöglichkeit gegen Abfallimporte aus einem anderen Mitgliedstaat eingeräumt. Er könne auch durch Ausfuhrverbote die Auslastung der Entsorgungsanlagen angesichts zurückgehender Abfallmengen sichern. Nicht zulässig sei der Einwand des Bestimmungsstaates, im Herkunftsstaat sei eine näher gelegene Anlage mit noch freien Kapazitäten vorhanden. Eine Verpflichtung, Abfallströme zu lenken, enthalte die Vorschrift gerade nicht.
– § 20 Abs. 1 KrWG statuiere die Pflichten der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, welche die in ihrem Gebiet angefallenen und überlassenen Abfälle aus privaten Haushaltungen und Abfälle zur Beseitigung aus anderen Herkunftsbereichen zu verwerten oder zu beseitigen haben. Sie ermögliche es ihnen, die Entsorgung gebietsfremder Abfälle zu verweigern. Eine Pflicht zur Verweigerung besteht nach der Rechtsprechung des OVG Koblenz jedoch nicht.
– Aus § 12 Abs. 5 Landeskreislaufwirtschaftsgesetz (LKrWG) ergebe sich ebenfalls keine Verpflichtung zur Zurückweisung von Abfällen, die nicht aus Rheinland-Pfalz stammen. Auch diese Vorschrift eröffne der zuständigen Behörde lediglich die Möglichkeit, die Anlieferung von Abfällen aus anderen Bundesländern zum Schutz der Kapazitäten der rheinland-pfälzischen Deponien abzuwehren.
– Eine Beschränkung des Entsorgungsgebietes ergebe sich auch nicht aus § 85 der Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz (GemO RhPf). Denn die Beschränkungen für die Errichtung, Übernahme oder wesentliche Erweiterung eines wirtschaftlichen Unternehmens gälten gemäß § 85 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 GemO RhPf nicht für solche Einrichtungen, die – wie die verfahrensgegenständliche Deponie – überwiegend dem Umweltschutz zu dienen bestimmt sind.
Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte