Verwaltungsgericht Frankfurt, Beschluss vom 21.04.2011, 8 L 858/11.F
Baustellenlärm gibt immer wieder Anlass zu gerichtlichen Auseinandersetzungen. Auch die insoweit maßgeblichen Vorschriften der AVV Baulärm verlangen regelmäßig nur eine sogenannte sektorale Lärmbewertung. Zur Vermeidung von Nachteilen in Form von Einschränkungen des Baustellenbetriebs empfiehlt es sich, diesen insbesondere in potentiell konfliktträchtigen Lagen so zu planen und zu gestalten, dass die rechtlichen Vorgaben zum Lärmschutz eingehalten werden können.
Insbesondere bei (Groß)Baustellen in Innenstadtlagen ist Baustellenlärm immer wieder Gegenstand von Anwohnerbeschwerden, über die äußerstenfalls die Gerichte zu befinden haben. Welche für Baustellenbetreiber nachteilige Konsequenzen entsprechende Gerichtsentscheidungen nach sich ziehen können, verdeutlicht der Beschluss des VG Frankfurt vom 21.04.2011 (8 L 858/11.F – Juris). Das Gericht hatte im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes über den Antrag eines Nachbarn einer Baustelle in der Frankfurter Innenstadt zu entscheiden, der sich durch den Baulärm belästigt fühlte. In dem gegen die Bauaufsichtsbehörde als Antragsgegnerin gerichteten Verfahren gab das Gericht dem Begehren des Antragstellers weitgehend statt.
Unter anderem verpflichtete es die Antragsgegnerin, sofort zu gewährleisten, dass auf das Gebäude des Antragstellers keine Lärmimmissionen einwirken, die die Immissionsrichtwerte der „Allgemeine[n] Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm – Geräuschimmissionen“ vom 19.08.1970 (AVV Baulärm) überschreiten. Als maßgeblichen Immissionswert erkannte das Gericht auf 55 dB(A) tags und 40 dB(A) nachts – je nach Baustellenbetrieb nur schwer oder gar nicht einzuhaltende Werte. Dabei mussten die Immissionswerte nicht nur unter – isolierter – Berücksichtigung des Baustellenlärms, sondern auch des sonstigen Lärms am Ort der Einwirkung eingehalten werden (summative Betrachtungsweise). Neben dem Baustellenlärm war daher bspw. auch der starke Fahrzeugverkehr zu berücksichtigen.
Die Antragsgegnerin wurde verpflichtet, die Einhaltung der Richtwerte zu messen. Bei nachweislicher Überschreitung der Richtwerte wäre sie äußerstenfalls zur sofortigen Stilllegung der Baustelle verpflichtet gewesen.
Indes genügt die Entscheidung insoweit nicht den maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben, als das Gericht eine summative Betrachtungsweise auferlegt. Zwar fordern die auch für den Betrieb von Baustellen geltenden §§ 3, 5 und 22 BImSchG, Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen nicht hervorgerufen werden. Zur Beantwortung der Frage, ab welchem Grad einer Einwirkung der Charakter einer schädlichen Umwelteinwirkung im Sinne des Immissionsschutzrechtes zukommt, ist dabei regelmäßig auf die immissionsseitige Gesamtbelastung abzustellen. Es entspricht indes ständiger Rechtsprechung, dass die rechtliche Bewertung von Lärmimmissionen grundsätzlich sektoral zu erfolgen hat. Das heißt, bestimmte Arten von Lärm werden unter Ausklammerung anderer Lärmarten nach bestimmten rechtlichen Regelwerken (etwa TA Lärm, 16. BImSchV, Freizeitlärmrichtlinie)bewertet. Der Grund dafür, dass nach wie vor eine sogenannte sektorale Betrachtung von Lärmimmissionen praktiziert und von der Rechtsprechung anerkannt wird, liegt darin, dass die Lärmwirkungsforschung bis heute keine handhabbaren, allgemein akzeptierten Maßstäbe für die Bewertung von Lärm aus verschiedenartigen Lärmquellen erarbeitet hat.
Die sektorale Betrachtung von Lärmimmissionen scheidet nach der Rechtsprechung aber dann aus, wenn aufgrund einer summativen Betrachtung der Lärmimmissionen ein Dauerschallpegel von mehr als 70 dB(A) erreicht wird (BVerwG, Urteil vom 16.03.2006 – 4 A 1073.4, Rn. 389 – Juris). Dann ist die Gesamtlärmbelastung maßgeblich.
Mit Blick auf diese Rechtsprechung hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof den Beschluss des VG Frankfurt am 31.05.2011 (9 B 1111/11) insoweit aufgehoben.
Auch aus der lediglich sektoralen Bewertung von Baustellenlärm können sich – insbesondere bei Baustellen in der Nähe von Wohnungen – erhebliche Einschränkungen des Baustellenbetriebs bis hin zur vollständigen Stilllegung ergeben. Für Baustellenbetreiber empfiehlt es sich daher, diesem Umstand schon im Vorfeld des Baustellenbetriebs Rechnung zu tragen, indem durch eine dem Stand der Lärmminderungstechnik entsprechende Planung und Gestaltung des Baustellenbetriebs (Lärmschutzwände etc.) die Einhaltung der maßgeblichen rechtlichen Vorgaben gewährleistet wird.
Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte