Der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) hat in einem Normenkontrollverfahren durch Urteil vom 26.11.2015 – 7 CN 1.14 – über eine Verordnung zur Aufhebung einer Wasserschutzgebietsfestsetzung entschieden. In der Vorinstanz hatte das Sächsische Oberverwaltungsgericht (SächsOVG) den zugrunde liegenden Normenkontrollantrag durch Urteil vom 11.12.2013 – 4 C 1/11 – abgelehnt und die Revision zugelassen. Diese blieb im Ergebnis erfolglos. Das Urteil des BVerwG nimmt grundsätzliche Klarstellungen vor, die sowohl die Zulässigkeit als auch die Begründetheit des Normenkontrollantrags betreffen und über den entschiedenen Einzelfall hinaus Beachtung verdienen.
Der Antragsteller des mit dem Urteil des BVerwG abgeschlossenen Normenkontrollverfahrens war ein kommunaler Zweckverband, der für die örtliche Wasserversorgung zuständig war. Mit seinem Normenkontrollantrag wandte sich der Zweckverband gegen eine Verordnung, durch die der Antragsgegner (nämlich der zuständige Landkreis als untere Wasserbehörde) im November 2010 eine Wasserschutzgebietsfestsetzung aus dem Jahr 1983 aufgehoben hatte. Diese Konstellation wirft ein Schlaglicht auf signifikante Rechtsprobleme der Wasserwirtschaft und der Trinkwasserbereitstellung sowie den hierbei häufig relevanten Tatsachen- und Erkenntniswandel. Zudem hat der entschiedene Fall dem BVerwG Gelegenheit gegeben, Fragen des Rechtsschutzes und der Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren zu klären. In dem Urteil vom 26.11.2015 hat das BVerwG den Normenkontrollantrag des Zweckverbandes für zulässig, aber unbegründet erachtet.
Nach der Erkenntnis des BVerwG ist das SächsOVG in der Vorinstanz zu Recht davon ausgegangen, dass der Normenkontrollantrag des Zweckverbandes zulässig war. Die Antragsbefugnis ist in § 47 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in zweifacher, alternativ zu verstehender Weise geregelt. Den Normenkontrollantrag kann danach zum einen jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die angegriffene Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden (subjektivrechtliche Variante). Zum anderen kann nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO „jede Behörde“ einen Normenkontrollantrag stellen (objektivrechtliche Variante). Beide Varianten sind durch die einjährige Antragsfrist begrenzt. Der Normenkontrollantrag ist nur innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift zulässig.
Im vorliegenden Fall hatte das SächsOVG in der Vorinstanz die Antragsbefugnis des kommunalen Zweckverbandes aufgrund der subjektivrechtlichen Variante bejaht, weil der Verband als Träger der öffentlichen Wasserversorgung und Inhaber eines (nach dem Wassergesetz der DDR verliehenen) Wasserentnahmerechts Begünstigter der zur Sicherung der Trinkwasserversorgung erlassenen Wasserschutzgebietsfestsetzung sei und deshalb geltend machen könne, dass er durch die Aufhebung der Festsetzung in seinen Rechten verletzt werde (SächsOVG, Urteil vom 11.12.2013 – 4 C 1/11 – Rn. 15, 17). Das BVerwG hat demgegenüber die subjektivrechtliche Antragsbefugnis des Zweckverbandes dahinstehen lassen und darauf abgestellt, dass der Verband als „Behörde“ den Normenkontrollantrag gem. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO unabhängig von der subjektiv-rechtlichen Betroffenheit stellen könne.
Zur Bestimmung des gesetzlichen Behördenbegriffs hat das BVerwG die Vorschrift des § 1 Abs. 4 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) und die dazu vorliegende Rechtsprechung (BVerwG, Beschluss vom 15.03.1989 – 4 NB 10.88 – und Beschluss vom 14.08.1995 – 4 NB 43.94) herangezogen. Behörde ist danach jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Dabei ist – so das BVerwG – im Normenkontrollverfahren nicht zwischen dem Rechtsträger (hier dem Zweckverband) und dessen handelndem Organ, d.h. der Behörde im engeren organisationsrechtlichen Sinne, zu unterscheiden. Demzufolge ist Behörde im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO auch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, deren Organe eine öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit ausüben (BVerwG, Urteil vom 26.11.2015 – 7 CN 1.14 – Rn. 16). Diese Voraussetzung erfüllt nach der Erkenntnis des BVerwG auch der Antragsteller als kommunaler Zweckverband.
Allerdings setzt die behördliche Antragsbefugnis voraus, dass die Behörde ein aus ihrer Aufgabenstellung resultierendes Interesse an der Überprüfung der objektiven Rechtslage hat. Wie das BVerwG betont, besteht der Sinn und Zweck der behördlichen Antragsbefugnis in der verbindlichen Klärung der Gültigkeit von untergesetzlichen Normen, die sich auf die Wahrnehmung der öffentlich-rechtlichen Verwaltungstätigkeit der antragstellenden Behörde in besonderer Weise auswirken (so schon BVerwG, Beschluss vom 15.03.1989 – 4 NB 10.88; bestätigt durch BVerwG, Urteil vom 26.11.2015 – 7 CN 1.14 – Rn. 18). Dies bedeutet, dass die angegriffene Norm im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Behörde liegen muss und dass die Behörde bei der Erfüllung ihrer Aufgaben mit der Norm befasst sein muss und diese beachten oder anwenden muss. Die so definierte objektivrechtliche Variante der Antragsbefugnis entspricht der Intention des Gesetzgebers, der daran festhalten wollte, dass in bestimmten Konstellationen „eine Behörde eher als ein betroffener Bürger bereit sein könnte, die im allgemeinen Interesse liegende Klärung von Streitfragen durch ein Normenkontrollverfahren herbeizuführen“ (Bundestags-Drucksache 7/4324, 11). Erforderlich ist somit ein objektives Interesse der Behörde an der Klärung der Normgültigkeit.
Im entschiedenen Fall der Verordnung zur Aufhebung einer Wasserschutzgebietsfestsetzung hat das BVerwG die behördliche, objektivrechtlich ausgerichtete Antragsbefugnis des kommunalen, mit der örtlichen Wasserversorgung betrauten Zweckverbandes bejaht. Dies überzeugt, und zwar unabhängig davon, ob auch die subjektivrechtliche Antragsbefugnis des Zweckverbandes zu bejahen war (wie das SächsOVG angenommen hat).
Dass das BVerwG – in Übereinstimmung mit dem SächsOVG – den Normenkontrollantrag des Zweckverbandes als unbegründet angesehen hat, vermag ebenfalls zu überzeugen. Der Antragsgegner (d.h. der Landkreis als untere Wasserbehörde) war nach der Erkenntnis des BVerwG befugt, über die Aufhebung des Wasserschutzgebiets im Verordnungswege zu entscheiden. Die Aufhebungsbefugnis ist zwar gesetzlich nicht geregelt, vom BVerwG jedoch aus § 51 Abs. 1 Satz 1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) abgeleitet worden. Die in dieser Vorschrift geregelte Ermächtigung, über die Festsetzung von Wasserschutzgebieten nach normativem Ermessen durch Verordnung zu entscheiden, impliziert die Befugnis, eine einmal getroffene Festsetzung durch actus contrarius im Wege erneuter Ermessensausübung wieder aufzuheben. Diese Befugnis verdichtet sich zu einer Pflicht, wenn die Festsetzungsvoraussetzungen des § 51 Abs. 1 Satz 1 WHG entfallen (BVerwG, Urteil vom 26.11.2015 – 7 CN 1.14 – Rn. 20; so auch VGH BW, Urteil vom 21.12.1982 – 5 S 1359/81 – unter Ziffer II. 8.; Urteil vom 21.10.1988 – 5 S 1088/88; Urteil vom 23.06.1997 – 8 S 374/97). Die Grundlage hierfür sieht das BVerwG darin, dass die Ausweisung eines Wasserschutzgebiets wegen der damit einhergehenden Nutzungsbeschränkungen als Eingriff in das Eigentumsgrundrecht der betroffenen Grundstückseigentümer rechtfertigungsbedürftig ist (so schon BVerwG, Urteil vom 02.08.2012 – 7 CN 1.11 – Rn. 21). Der Verordnungsgeber ist hiernach verpflichtet, die bei Erlass der Schutzgebietsverordnung getroffene Entscheidung im Hinblick auf spätere Entwicklungen dahingehend zu überprüfen, ob an der ursprünglichen Entscheidung festgehalten werden kann (BVerwG, Urteil vom 26.11.2015 – 7 CN 1.14 – Rn. 20 unter Bezugnahme auf BVerfG, Urteil vom 16.03.2004 – 1 BvR 1778/01).
Dies gilt nach der Erkenntnis des BVerwG auch, wenn die Gebietsfestsetzung – wie im vorliegenden Fall – auf der Grundlage des Wassergesetzes der DDR ergangen ist (BVerwG, Urteil vom 26.11.2015 – 7 CN 1.14 – Rn. 21).
Die im entschiedenen Fall zur gerichtlichen Kontrolle gestellte Verordnung zur Aufhebung des Trinkwasserschutzgebiets hat das BVerwG für materiell rechtmäßig erachtet, weil – wie schon das SächsOVG angenommen hatte – die Beibehaltung des Trinkwasserschutzgebiets zum Wohl der Allgemeinheit nicht erforderlich war. Der gerichtlich voll überprüfbare Begriff der Erforderlichkeit umschließt die Schutzwürdigkeit, die Schutzbedürftigkeit und die Schutzfähigkeit des betroffenen Gebiets (BVerwG, Urteil vom 26.11.2015 – 7 CN 1.14 – Rn. 25; auch BVerwG, Urteil vom 02.08.2012 – 7 CN 1.11 – Rn. 20).
Darüber hinaus setzt die Erforderlichkeit aufgrund der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs.1 GG) der räumlichen Ausdehnung des Wasserschutzgebiets Grenzen, weil die mit der Ausweisung eines Schutzgebiets einhergehende Beschränkung der Eigentümerbefugnisse im Wege der Inhalts- und Schrankenbestimmung nur zulässig ist, wenn von dem betroffenen Grundstück Einwirkungen auf das zu schützende Grundwasser ausgehen können (BVerwG, Urteil vom 26.11.2015 – 7 CN 1.14 – Rn. 26; auch BVerwG, Urteil vom 02.08.2012 – 7 CN 1.11 – Rn. 21).
An diesen Maßstäben orientiert, ist das BVerwG in dem entschiedenen Fall zu dem Ergebnis gelangt, dass das SächsOVG die Erforderlichkeit der Festsetzung des streitgegenständlichen Trinkwasserschutzgebiets zu Recht verneint hat. Im Hinblick auf die Eignung des Schutzgebiets zur Sicherung der Trinkwasserqualität hatte das SächsOVG festgestellt, dass das aus den gebietszugehörigen Brunnen gewinnbare Wasser zum Teil aus einströmendem Flusswasser bestand, das mit coliformen Keimen belastet war, so dass kein ausreichendes Schutzniveau des Wasservorkommens der Brunnengalerie gewährleistet werden konnte. Diese Feststellungen waren – so das BVerwG – aus revisionsgerichtlicher Sicht nicht zu beanstanden.
Die Festsetzung des Wasserschutzgebiets war daher nicht geeignet, ihren Zweck zu erreichen. Angesichts der nicht unwesentlichen Beeinträchtigung des Wasservorkommens und der Folge, dass eine Trinkwassernutzung ausschied, ließ die Schutzgebietsfestsetzung kein nachvollziehbares Schutzkonzept erkennen.
Der zwingenden Aufhebung der Wasserschutzgebietsfestsetzung stand nach der Erkenntnis des BVerwG nicht der Grundsatz des Vorrangs der ortsnahen Wasserversorgung nach § 50 Abs. 2 WHG entgegen. Liegen die Festsetzungsvoraussetzungen nicht mehr vor, kann dieser Vorranggrundsatz nicht zum Tragen kommen (so BVerwG, Urteil vom 26.11.2015 – 7 CN 1.14 – Rn. 31).
Des Weiteren hat das BVerwG klargestellt, dass der Antragsgegner nicht gehalten war, Maßnahmen zur Herbeiführung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 51 Abs. 1 Satz 1 WHG zu ergreifen. Ihn traf keine Verpflichtung, durch Schutzmaßnahmen die Verunreinigung des nahen Flusses und die Eintragungen in das Schutzgebiet zu verhindern, um die Tatbestandsvoraussetzungen des § 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG dauerhaft zu gewährleisten (BVerwG, Urteil vom 26.11.2015 – 7 CN 1.14 – Rn. 32).
Schließlich hat das BVerwG ausgesprochen, dass das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot nach § 47 Abs.1 Nr. 1 WHG und Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i der Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG (WRRL) der Aufhebung einer Wasserschutzgebietsverordnung, deren Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, nicht entgegensteht (BVerwG, Urteil vom 26.11.2015 – 7 CN 1.14 – Rn. 33). Zwar lag die streitgegenständliche Brunnengalerie im Bereich eines Wasserkörpers, der den Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 WRRL entsprach, da er für die Entnahme von Wasser für den menschlichen Verbrauch genutzt wurde und durchschnittlich mehr als 10 m³ täglich lieferte. Zudem bestimmt Art. 7 Abs. 3 Satz 1 WRRL, dass die Mitgliedstaaten für den erforderlichen Schutz der ermittelten Wasserkörper sorgen, um eine Verschlechterung ihrer Qualität zu verhindern und so den für die Gewinnung von Trinkwasser erforderlichen Umfang der Aufbereitung zu verringern. Nach Art. 7 Abs. 3 Satz 2 WRRL können die Mitgliedstaaten Schutzgebiete für diese Wasserkörper festlegen. Art. 6 Abs. 2 WRRL unterscheidet jedoch zwischen Wasserkörpern und Schutzgebieten. Ist der mit dem Schutzgebiet erstrebte Schutz – wie im vorliegenden Fall – aufgrund der örtlichen Verhältnisse nicht zu erreichen, wird der Schutz des Wasserkörpers nach Art. 7 Abs. 1 WRRL durch die Aufhebung der untauglichen Schutzgebietsfestsetzung der Sache nach nicht gemindert. Dies schließt eine Verschlechterung im Sinne des Art. 7 Abs. 3 Satz 1 WRRL aus (BVerwG, Urteil vom 26.11.2015 – 7 CN 1.14 – Rn. 36).
Für die Rechtspraxis belegt das Urteil des BVerwG vom 26.11.2015 einmal mehr die sachadäquate Flexibilität des deutschen wie des europäischen Gewässerschutzrechts. Wo der Schutzzweck einer Wasserschutzgebietsfestsetzung aufgrund tatsächlicher Entwicklungen und Erkenntnisse nicht mehr erreicht werden kann, ist die Aufhebung der Schutzgebietsfestsetzung im Verordnungswege möglich und geboten. Eine derartige Aufhebungsverordnung vermeidet einen unrealistischen Rigorismus. Sie dient nicht zuletzt der sicheren Trinkwasserbereitstellung.
Entsteht unter den beteiligten Verwaltungsträgern Streit über die Rechtmäßigkeit einer Festsetzungs- oder Aufhebungsverordnung, bietet das Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO die notwendigen Mittel und Wege zur gerichtlichen Klärung.
Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte