Alles auf eine Karte? Zum Umfang der Prüfung von Abgabenbescheiden im vorläufigen Rechtsschutzverfahren – Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg vom 14.03.2011

Nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit prüfen die Verwaltungsgerichte im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen Abgabenbescheide regelmäßig nur summarisch, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Abgabenbescheides bestehen. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit werden nur bejaht, wenn der Bescheid nach überschlägiger Prüfung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtswidrig ist. Aufwändige Ermittlungen und Feststellungen zum Sachverhalt und die Beantwortung schwieriger Rechtsfragen sind dagegen dem Hauptsacheverfahren vorbehalten, in der Regel also im Verfahren über die Anfechtungsklage zu prüfen und zu beantworten.

 

In einem Beschluss vom 14.03.2011 (OVG 9 S 93.10) hat sich das OVG Berlin-Brandenburg mit der Frage befasst, ob ein Antragsteller in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren eine umfassende Überprüfung des Abgabenbescheides verlangen kann, weil die Gefahr besteht, dass das Verwaltungsgericht nach bloß summarischer Prüfung den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit der Folge ablehnt, dass der Antragsteller Säumniszuschläge auf die Abgabe zu zahlen hat, wenn er diese im Vertrauen auf den Erfolg des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens nicht bis zum Fälligkeitszeitpunkt beglichen hat.

 

Aus dem Umstand, dass bei einer nicht rechtzeitigen Zahlung eines angefochtenen Anschlussbeitrags Säumniszuschläge entstehen, ergibt sich nach Auffassung des OVG Berlin- Brandenburg nicht, dass bereits im vorläufigen Rechtsschutzverfahren eine tiefergehende Prüfung des angegriffenen Bescheides erfolgen muss. Das Risiko eines Antragstellers, das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu verlieren und Säumniszuschläge seit Eintritt der Fälligkeit der Abgabenforderung auch dann tragen zu müssen, wenn der Abgabenbescheid auf die Anfechtungsklage hin aufgehoben wird, ist nach Auffassung des OVG hinzunehmen. Dieses Risiko trifft lediglich Antragsteller, die zwar zahlungsfähig sind, aber die geforderte Abgabe bis zur gerichtlichen Entscheidung vorerst nicht zahlen wollen. Antragstellern, die die Abgabe mangels finanzieller Leistungsfähigkeit nicht zahlen können, steht dagegen die Härtefallklausel des § 80 Abs. 4 Satz 3, 2. Halbsatz VwGO zur Seite, nach der die Vollziehung eines Abgabenbescheides unabhängig von dem Bestehen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit auch dann ausgesetzt werden soll, wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Das OVG weist auch darauf hin, dass ein zahlungsfähiger Abgabenschuldner die Entstehung von Säumniszuschlägen durch eine Zahlung der Abgabe verhindern kann. Die Einschätzung, ob überwiegende Erfolgsaussichten bereits bei der überschlägigen Prüfung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren bestehen oder ob es sicherer erscheint, die geforderte Abgabe zunächst zu entrichten und im Falle des Obsiegens im späteren Klageverfahren den gezahlten Betrag zuzüglich Prozesszinsen zurück zu erhalten, muss der Antragsteller in eigener Verantwortung treffen. Entscheidet sich der Antragsteller für die risikoreichere Variante, den Beitrag vorerst nicht zu entrichten, muss er die Konsequenzen selbst tragen.

 

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte