Belebungsanlagen bilden das Herzstück der biologischen Abwasserreinigung. Ihr Ziel ist die Entfernung organischer Stoffe, Stickstoff- und Phosphorverbindungen über einen kontrollierten mikrobiellen Abbauprozess. Angesichts steigender Energiepreise, verschärfter Ablaufanforderungen, Klimawandel-bedingter hydraulischer Schwankungen und zunehmend digitaler Betriebsführung gewinnen Regelungsverfahren für Belebungsanlagen eine zentrale Bedeutung. Moderne Steuerungsstrategien ermöglichen nicht nur eine höhere Reinigungsleistung, sondern auch erhebliche Einsparungen bei Energie und Betriebskosten.
1. Grundlagen: Prozessdynamik in Belebungsanlagen
Die biologische Reinigungsleistung wird durch höchst dynamische Faktoren beeinflusst:
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Schwankende Zulaufkonzentrationen (CSB, BSB₅, NH₄-N, NO₃-N)
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Temperatur- und Sauerstoffabhängigkeiten
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Mikrobiologische Populationen (Nitrifikanten, Denitrifikanten, PAOs usw.)
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Schlammalter und Schlammbelastung
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Belüftungseffizienz und Sauerstoffeintrag
Die Aufgabe moderner Regelungstechnik ist es, diese Variablen kontinuierlich zu erfassen und über adaptive Regler optimale Betriebszustände einzustellen.
2. Klassische Regelungsstrategien
2.1. Sauerstoffregelung (DO-Regelung)
Die Dissolved-Oxygen-Regelung (DO-Regelung) ist das Standardverfahren der Belebungssteuerung.
Sie hält die Sauerstoffkonzentration im Belebungsbecken auf einem Sollwert – typischerweise zwischen 1,8 und 2,5 mg/l.
Vorteile:
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einfache Implementierung
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stabile Grundlastregelung
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energieeffizienter als Festluftbetrieb
Nachteile:
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reagiert nur indirekt auf Belastungsänderungen
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keine Optimierung der Stickstoff-Elimination
3. Stickstofforientierte Regelungskonzepte
3.1. Ammonium-geführte Regelung
Die NH₄-N-Regelung passt die Belüftung dynamisch an die aktuelle Stickstofffracht an.
Dabei dient der Ammoniumgehalt im Ablauf oder im Zonenübergang als Führungsgröße.
Nutzen:
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optimierte Nitrifikation
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erhebliche Energieeinsparungen im Vergleich zur reinen DO-Regelung
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bessere Einhaltung schwankender Ablaufgrenzwerte
3.2. Nitrat-/Nitrit-geführte Regelung
Für biologische Denitrifikation (im Wechselbetrieb oder in getrennten Zonen) wird zunehmend die NO₃-N-Konzentration zur Steuerung der Anox-Phasen eingesetzt.
Ergebnisse:
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höhere Denitrifikationsleistung
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geringerer externen Kohlenstoffbedarf
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niedrigere N₂O-Emissionen
3.3. A/D-Regelung (A/O, A2/O, intermittierende Nitrifikation)
Weit verbreitet sind intermittierende Regelungsverfahren, die den Wechsel zwischen aeroben und anoxischen Phasen in Echtzeit an die gemessene N-Last anpassen.
4. Regelung des Schlammalters (SRT-Regelung)
Das Schlammalter (SRT) ist eine Schlüsselgröße für die Population der Mikroorganismen. Moderne Anlagen steuern den Rücklaufschlamm und Überschussschlamm automatisch, um optimale Bedingungen für:
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Nitrifikanten
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Denitrifikanten
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Phosphorspeicherorganismen
zu gewährleisten.
Effekte:
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höhere Prozessstabilität
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reduzierte Schlammanfallmengen
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stabilere Nitrifikation bei niedrigen Temperaturen
5. Phosphororientierte Regelungsverfahren
Phosphorentfernung erfordert entweder:
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biologische Verfahren (Bio-P),
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chemische Fällung oder
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eine Kombination (Hybridsysteme).
Regler überwachen dabei:
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PO₄-P-Gehalte,
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Fällmitteldosierung,
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Rücklaufschlammqualität.
Chemikalien können gezielt eingespart werden, ohne Ablaufgrenzwerte zu riskieren.
6. Moderne adaptive und modellbasierte Verfahren
6.1. MPC – Model Predictive Control
Modelbasierte Regelung (MPC) nutzt mathematische Prozessmodelle, um:
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Lastspitzen vorherzusagen,
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optimale Belüftungsstrategien zu errechnen,
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Energieeinsparungen bis 30 % zu erzielen.
6.2. Fuzzy-Systeme und neuronale Netze
Mit künstlicher Intelligenz lassen sich Nichtlinearitäten abbilden, die klassische Regler nicht erfassen.
Anwendungen:
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Lastprognosen
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Belüftungsoptimierung
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Störfallfrüherkennung
7. Sensorik und Prozessüberwachung
Moderne Regelstrategien basieren auf robuster Online-Messtechnik:
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NH₄-, NO₃-, NO₂-Sonden
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PO₄-P-Messung
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Schlammspiegelsonden
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Redoxsonden
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Online-COD
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Sauerstoffeintragseffizienz (SOTE)
Kalibrierung, Wartung und Plausibilitätsprüfungen sind entscheidend für stabile Reglergebnisse.
8. Energieoptimierung und Klimaschutz
Da Belüftungssysteme bis zu 70 % des Energieverbrauchs einer Kläranlage ausmachen, ist die Regelung entscheidend für:
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Energie- und Kosteneffizienz
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CO₂-Minderung
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Erhöhung der Betriebssicherheit
Intelligente Regelungen koppeln Belüftung, Rührwerke und Rücklaufschlamm zu ganzheitlichen Energiemanagementsystemen.
Fazit
Regelungsverfahren für Belebungsanlagen entwickeln sich dynamisch weiter:
Von einfachen Sauerstoffreglern hin zu datenbasierten, modellgestützten und prädiktiven Systemen. Moderne Regelungstechnik ermöglicht:
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höhere Ablaufstabilität,
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deutliche Energieeinsparungen,
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geringeren Chemikalieneinsatz,
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robustere Prozesse gegenüber hydraulischen und stofflichen Störungen.
Damit ist die intelligente Regelung ein Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit kommunaler und industrieller Abwasserreinigung – technisch, ökologisch und wirtschaftlich.
Das dazu gehörige Fachseminar ist in der Seminarwelt des IWU Magdeburg auffindbar.
