Unterhaltung und Sanierung von Ufermauern – Wer ist verantwortlich und kostenpflichtig?

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) hat in einem Beschluss vom 28.09.2015 – 20 A 20/13 – bestätigt, dass die Unterhaltung und Sanierung von Ufermauern, die sowohl wasserwirtschaftlichen Zwecken dienen als auch die Nutzbarkeit anliegender Grundstücke fördern, nicht den Eigentümern der Anliegergrundstücke obliegt. Danach dürfen die Kosten der Unterhaltung und Sanierung einer solchen doppelfunktionalen Ufermauer nicht allein den Eigentümern anliegender Grundstücke auferlegt werden. Schon in der Vorinstanz hatte das Verwaltungsgericht (VG) Aachen durch Urteil vom 12.11.2012 – 7 K 1689/10 – die zugrunde liegende behördliche Ordnungsverfügung aufgehoben, soweit diese dem klagenden Eigentümer unter Androhung der Ersatzvornahme aufgegeben hatte, eine zusammengebrochene Ufermauer standsicher wiederherzustellen. Das OVG NRW hat die hiergegen gerichteten Anträge auf Zulassung der Berufung zurückgewiesen. Zugleich hat es die Verantwortlichkeit des Gewässerunterhaltungspflichtigen hervorgehoben. Dennoch hat der klagende Eigentümer im entschiedenen Fall in Bezug auf die Sanierungskosten einen Pyrrhussieg errungen – ein Ergebnis, das besonders aus anwaltlicher Sicht Aufmerksamkeit verdient.

 

Nach den Angaben zum zugrunde liegenden Sachverhalt liegt das im Eigentum des Klägers stehende und seit 1960 mit einem mehrgeschossigen Wohnhaus bebaute Grundstück an einem durch die Stadtmitte führenden Bach. Im August 2010 stürzte dort die im 19. Jahrhundert (unter nicht mehr aufklärbaren Umständen) errichtete, ca. 3,70 m hohe Ufermauer des Baches auf einer Länge von ca. 4 m ein. Durch Ordnungsverfügung vom September 2010 gab die zuständige Behörde dem Kläger zunächst auf, die Ufermauer standsicher wiederherzustellen. Nach einem Ortstermin änderte sie die Ordnungsverfügung dahin ab, dass dem Kläger statt der Sanierung aufgegeben wurde, binnen weniger Tage den Abriss der nicht mehr zu rettenden Ufermauer bis auf eine Höhe von 1,50 m über der Gewässersohle zu veranlassen. Einen Antrag des Klägers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ordnungsverfügung lehnte das VG Aachen durch Beschluss ab. Gegen diesen Beschluss legte der Kläger kein Rechtsmittel ein.

 

Danach betrieb die beklagte Kommune die Verwaltungsvollstreckung, indem sie hinsichtlich der Absicherung der Schadensstelle und des Abrisses der alten Ufermauer die Ersatzvornahme festsetzte und durchführte. Durch einen weiteren Bescheid setzte sie auch hinsichtlich der Wiederherstellung der Ufermauer sowie der gutachterlichen Begleitung und Planung der neuen Ufermauer die Ersatzvornahme fest. Einen gegen diesen Bescheid gerichteten Antrag des Klägers auf Aussetzung der Vollziehung lehnte das VG Aachen abermals durch Beschluss ab. Auch hiergegen legte der Kläger kein Rechtsmittel ein. In der Folgezeit veranlasste er die Wiederrichtung der Ufermauer auf eigene Kosten.

 

Im Dezember 2011 erließ die beklagte Kommune einen Kostenbescheid, mit dem sie dem Kläger die Kosten für die Sicherung der Schadensstelle, den Abriss der Ufermauerreste und die gutachterliche Planung einer neuen Uferbefestigung auferlegte. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger keinen Rechtsbehelf.

 

In dem gegen die Ordnungsverfügung vom September 2010 gerichteten Anfechtungsprozess war streitig, ob entweder der Kläger als Eigentümer einer Anlage in oder an einem oberirdischen Gewässer im Sinne des § 36 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) und des § 94 Wassergesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (WG NRW) oder der gewässerunterhaltungspflichtige, im Prozess beigeladene Verband aufgrund des § 40 WHG und der §§ 91 ff. WG NRW für die Unterhaltung und Sanierung der Ufermauer verantwortlich war. Die beklagte Kommune sah die Ufermauer als Anlage in oder an einem Gewässer an und stützte hierauf die streitgegenständliche Ordnungsverfügung. Dagegen sah der Kläger in der Ufermauer einen Bestandteil des Baches; deshalb verwies er auf die gesetzliche Gewässerunterhaltungspflicht des beigeladenen Verbandes. Damit kam es entscheidend auf die vielfach umstrittene Abgrenzung zwischen Anlagen in oder an einem Gewässer und baulichen Gewässerbestandteilen an.

 

Im vorliegenden Streitfall qualifizierte das OVG NRW – ebenso wie in der Vorinstanz das VG Aachen – die Ufermauer nicht als Anlage in oder an einem Gewässer, sondern als Gewässerbestandteil. Dabei bezog sich das OVG NRW auf seine vorangegangene und gefestigte Rechtsprechung. Hiernach sind unter einer Anlage in oder an einem Gewässer im Sinne des § 94 WG NRW nur Einrichtungen zu verstehen, die in besonderer Gestaltung an das Gewässer „herangetragen“ werden und die von ihrer Funktion her keinen wasserwirtschaftlichen Zielen dienen (OVG NRW, Urteile vom 20.03.2014 – 20 A 293/11, vom 07.06.2004 – 20 A 4757/01 – und vom 29.01.2004 – 20 A 718/02; ebenso der Beschluss vom 28.09.2015 – 20 A 20/13, Rn. 16). Solche Anlagen sind z.B. Gebäude, die einer Wohn- oder Gewerbenutzung dienen, ferner Brücken, Stege, Straßenunterführungen, Hafenanlagen und Anlegestellen sowie Leitungen, die ein Gewässer kreuzen. Hingegen ist – so das OVG NRW – ein Bauwerk, das zumindest auch einem wasserwirtschaftlichen Zweck dient, keine Anlage in oder an einem Gewässer im Sinne des § 94 WG NRW.

 

Diese Abgrenzung stimmt mit der Rechtsprechung anderer Verwaltungsgerichte zu gleichgerichteten Vorschriften des jeweiligen Landesrechts überein (so Niedersächsiches OVG, Urteil vom 10.12.2008 – 13 LC 2/06; Hessischer VGH, Urteil vom 26.02.1997 – 7 UE 2907/94; auch Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17.11.2009 – 7 B 14.09).

 

Den Grund für diese Abgrenzung sieht das OVG NRW darin, dass allein dann, wenn die Zweckbestimmung einer Einrichtung und damit das Interesse an ihrer Erhaltung außerhalb wasserwirtschaftlicher Zielsetzungen liegt, Erhaltungsmaßnahmen des Gewässerunterhaltungspflichtigen von vornherein nicht veranlasst sind (OVG NRW, Beschluss vom 28.09.2015 – 20 A 20/13, Rn. 20; auch Urteile vom 13.07.2010 – 20 A 1896/08 – und vom 29.01.2004 – 20 A 718/02; ebenso Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 28.04.2010 – I-18 U 112/09). Entscheidend sind hiernach die funktionale Ausrichtung der Anlage und die mit ihr verfolgten Interessen (OVG NRW, Beschluss vom 28.09.2015 – 20 A 20/13, Rn. 28; auch OVG NRW, Urteile vom 20.03.2014 – 20 A 293/11 – und vom 13.05.1993 – 20 A 3083/91).

 

Eine Ufermauer kann nach diesen Kriterien (auch) wasserwirtschaftlichen Zielen dienen, da sie das Gewässer seitlich begrenzt, so seine Lage sowie sein Abflussverhalten beeinflusst und Veränderungen des Ufers entgegenwirkt, die durch die Strömung des Wassers, vor allem bei höheren Wasserständen und größerer Fließgeschwindigkeit, ausgelöst werden (OVG NRW, Beschluss vom 28.09.2015 – 20 A 20/13, Rn. 25). Diese wasserwirtschaftlichen Funktionen hat das OVG NRW auch der Ufermauer des vorliegenden Falles zugesprochen.

 

Zugleich stand im vorliegenden Fall nach der Erkenntnis des OVG NRW außer Frage, dass die Ufermauer für das Grundstück des Klägers nützlich ist, weil sie – ihre Standfestigkeit vorausgesetzt – die Ausnutzbarkeit des Grundstücks verbessert. Das reicht – so das OVG – aber nicht aus, um die potentiellen wasserwirtschaftlichen Ziele der Ufermauer auszuschließen. Es sei offensichtlich, dass die Mauer als Uferbefestigung Hochwasserschäden entgegenwirkt und zur Regulierung des Baches beiträgt. Als unerheblich sah das OVG den Vortrag der Beklagten an, dass die Ufermauer zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Wasserabflusses nicht notwendig sei; diese (gegenwärtige) Einschätzung rechtfertige nicht die Annahme, dass die Ufermauer nicht zu dem Zweck errichtet sei, u.a. den Wasserabfluss zu lenken (OVG NRW, Beschluss vom 28.09.2015 – 20 A 20/13, Rn. 32). Es gehöre zur Wahrnehmung wasserwirtschaftlicher Aufgaben, Rücksicht auf benachbarte und potentiell von schädigenden Einwirkungen des Gewässers betroffene Grundstücke zu nehmen. Unerheblich sei auch der behördliche Vortrag, die Ufermauer sei aus heutiger Sicht ökologisch nachteilig. Ein Meinungswechsel hinsichtlich der wasserwirtschaftlichen Sinnhaftigkeit und Zweckmäßigkeit ändere nichts daran, dass die Mauer einem wasserwirtschaftlichen Zweck dient (OVG NRW, Beschluss vom 28.09.2015 – 20 A 20/13, Rn. 33).

 

Daraus resultiert nach der Erkenntnis des OVG NRW wie schon des VG Aachen die Unterhaltungslast des gewässerunterhaltungspflichtigen Verbandes für die Ufermauer sowie für deren Sanierung. Dies gilt aus den dargelegten Entscheidungsgründen auch für eine doppelfunktionale Ufermauer. Schon das VG Aachen hat in seinem erstinstanzlichen Urteil vom 12.11.2012 – 7 K 1689/10 – darauf hingewiesen, dass hierdurch ein angemessener Ausgleich der Interessen ermöglicht wird. Falls die Gewässerunterhaltung durch eine sanierungsbedürftige Ufermauer erschwert wird, kann der Unterhaltungspflichtige von dem Eigentümer des mauergestützten Grundstücks nach § 40 Abs. 1 Satz 2 und 3 WHG in Verbindung mit § 92 WG NRW Ersatz der Mehrkosten verlangen. In solchen Fällen den Eigentümern der Ufermauern die Unterhaltungspflicht allein aufzubürden, würde dagegen den Gewässerunterhaltungspflichtigen ohne zureichenden Grund vollkommen freistellen, obwohl die Ufermauer wasserwirtschaftlichen Belangen dient. Indem die Unterhaltung und Sanierung der Ufermauern der Gewässerunterhaltungspflicht zugerechnet wird, kann – entsprechend der Bedeutung der wasserwirtschaftlichen Zwecke und der Bestandssicherungsinteressen der Eigentümer – über deren (anteilige) Kostenbeteiligung ein angemessener Ausgleich erreicht werden (VG Aachen, Urteil vom 12.11.2012 – 7 K 1689/10).

 

Die angefochtene Ordnungsverfügung des vorliegenden Falles war daher aufzuheben, soweit die beklagte Kommune dem klagenden Eigentümer unter Androhung der Ersatzvornahme aufgegeben hatte, die zusammengebrochene Ufermauer standsicher wiederherzustellen. Das dahingehende Urteil des VG Aachen ist mit der Zurückweisung der Berufungsanträge durch das OVG NRW rechtskräftig geworden.

 

Erfolglos blieb der Kläger indessen insoweit, als er das Ziel verfolgt hatte, von den Kosten der Ersatzvornahme freigestellt zu werden und eine Erstattung dieser Kosten zu erreichen. Da seine Inanspruchnahme durch die Ordnungsverfügung rechtswidrig war und ihn nach der gerichtlichen Erkenntnis in seinem Rechten verletzte, bleibt die Frage, weshalb der Kläger nach den wiedergegebenen Entscheidungen der Gerichte gleichwohl die Kosten der Ersatzvornahme und überdies die Kosten der eigenen Wiedererrichtung der Ufermauer endgültig und vollständig tragen musste. Die Antwort auf diese Frage ergibt sich aus dem Verwaltungsvollstreckungsrecht sowie aus den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts. Hierauf hinzuweisen, ist gerade aus anwaltlicher Sicht geboten.

 

In dem entschiedenen Streitfall erwies sich für den Kläger als verhängnisvoll, dass er gegen den im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung ergangenen Kostenbescheid der Behörde keinen Rechtsbehelf erhoben hatte. Infolgedessen war dieser Bescheid, der dem Kläger die Kosten der Ersatzvornahme auferlegt hatte, bestandskräftig geworden. Mit seinem Inhalt wirkte er als Rechtsgrund für die Kostentragung. Hierdurch war dem Kläger hinsichtlich der Kosten der Ersatzvornahme der Einwand abgeschnitten, dass die zugrunde liegende Ordnungsverfügung rechtswidrig war.

 

Offenbar ging der Kläger von der irrigen Vorstellung aus, dass mit der verwaltungsgerichtlichen Aufhebung der zugrunde liegenden Ordnungsverfügung auch die nachgelagerten Akte der Verwaltungsvollstreckung hinfällig würden oder zwingend aufgehoben werden müssten. Dabei verkannte er die rechtlich selbstständige Bedeutung der zur Vollstreckung ergangenen Verwaltungsakte, insbesondere des Kostenbescheids. Der anwaltlichen Rechtsberatung obliegt es, vor derartigen Fehlvorstellungen hinsichtlich der Verwaltungsvollstreckung zu warnen und auf die Erhebung der angezeigten Rechtsbehelfe hinzuwirken.

 

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

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