Stilles Wasser – Gebührenpflicht trotz Rohrbruchs einer Trinkwasserleitung?

In seinem Beschluss vom 09.11.2011 – VG 8 L 225/11 hat sich das Verwaltungsgericht Potsdam (VG) mit der Frage befasst, wie der Nachweis zu führen ist, dass Trinkwasser wegen eines Rohrbruchs in der Hausinstallation versickert und nicht in die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage gelangt ist.

 

Ein Wasser- und Abwasserzweckverband hatte dem Eigentümer eines Mehrfamilienhauses den Jahresgebührenbescheid zugestellt. Der Jahresgebührenbescheid enthielt eine über den Wasserzähler des Verbandes festgestellte bezogene Trinkwassermenge von 1.107 m³. Die Jahresgebühr für das in die Kanalisation eingeleitete Schmutzwasser wurde ebenfalls auf Grundlage der Trinkwassermenge von 1.107 m³ erhoben. Der Zweckverband hat in seiner Abwassergebührensatzung geregelt, dass die Menge des in die Kanalisation eingeleiteten Abwassers der Menge des über den Wasserzähler des Verbandes erfassten Trinkwassers entspricht. In der Abwassergebührensatzung ist weiter geregelt, dass bezogene Trinkwassermengen, die „nachweislich“ nicht in die Kanalisation gelangt sind, bei der Gebührenbemessung für Schmutzwasser nicht zu berücksichtigen sind.

 

Der Eigentümer berief sich darauf, dass in seinem Gebäude im fraglichen Erhebungszeitraum ein zunächst nicht erkannter Rohrbruch in der Trinkwasserleitung hinter dem Wasserzähler vorgelegen hat. Zum Nachweis legte er die Stellungnahme eines Installateurunternehmens vor, nach der im Keller des Gebäudes aus einer schadhaften Leitung der Trinkwasserhausinstallation über längere Zeit Wasser ausgetreten und über das Mauerwerk im Erdboden versickert ist; die unkontrolliert ausgetretene Trinkwassermenge hatte der Installateur nach dem Schadenbild an der Leitung mit ca. 130 m³ pro Monat geschätzt.

 

Das VG sah in der Stellungnahme des Installateurunternehmens zumindest ein tragfähiges Indiz dafür, dass wegen des Schadens an der Trinkwasserleitung nicht die gesamte über den Wasserzähler erfasste Trinkwassermenge von 1.107 m³ auch als Abwasser in die Kanalisation gelangt ist. Mit dieser Erkenntnis war allerdings noch nichts darüber gesagt, welche Menge des Trinkwassers nicht in die Kanalisation gelangt, sondern versickert ist. Eine genaue Feststellung der nicht in die Kanalisation gelangten Menge war technisch nicht möglich, weil weder der Zeitpunkt des Schadeneintritts an der Trinkwasserleitung noch der tatsächliche Umfang dieses Schadens nachträglich ermittelt werden konnte und eine genaue Ermittlung weiterhin auch vom an der schadhaften Leitung anliegenden Wasserdruck abhängt.

 

Unter diesen Umständen hielt das VG die Schätzung der Abwassermenge für erforderlich. Der Zweckverband hat in der Abwassergebührensatzung die Möglichkeit der Schätzung u.a. für den Fall vorgesehen, dass die bezogene Trinkwassermenge wegen Unbrauchbarkeit des Wasserzählers nicht festgestellt werden kann. Das VG wandte diese Schätzungsregelung vorliegend entsprechend an, da der Trinkwasserzähler zwar technisch in Ordnung war und die bezogene Trinkwassermenge einwandfrei ausgewiesen hatte, aber jedenfalls zur Feststellung der erst hinter dem Wasserzähler versickerten Trinkwassermenge nicht herangezogen werden konnte. Die Kriterien für die Schätzung der tatsächlich in die Kanalisation gelangten Trinkwassermenge als Bemessungsgrundlage für die Abwassergebühr ergeben sich aus § 162 Abgabenverordnung (AO), der im Kommunalabgabenrecht des Landes Brandenburg entsprechend anwendbar ist: Bei der Schätzung sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind (§ 162 (1) Satz 2 AO). Hiernach hat das Gericht vorliegend den durch Wasserzähler in den beiden Vorjahren ermittelten Wasserverbrauch sowie den Umstand berücksichtigt, dass das Mehrfamilienhaus im gesamten der Schätzung zu Grunde gelegten Zeitraum nur von einer Person bewohnt worden ist und die gebührenpflichtige Schmutzwassermenge im Ergebnis auf 50 m³ geschätzt.

 

Dem weiteren Antrag, die Trinkwassergebühr ebenfalls auf die Menge von 50 m³ zu reduzieren, erteilte das VG dagegen eine Absage: Die Trinkwassergebühr sei satzungsgemäß auf Grundlage der durch einen geeichten Wasserzähler festgestellten Bezugsmenge von 1.107 m³ erhoben worden. Auf den Gebrauch des über den Zähler erfassten Trinkwassers komme es nicht an (unter Bezugnahme auf OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.02.2008 – OVG 9 N 57.07). Ob das bezogene Trinkwasser tatsächlich genutzt worden ist oder durch einen Schaden an der privaten Hausinstallation ungenutzt versickert ist, spielte deshalb bei der Festsetzung der Trinkwassergebühr keine Rolle.

 

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

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