Neues zu „Altanschließern“… oder: Wann ist ein Grundstück angeschlossen?

Mit Urteilen vom 11.02.2016 (9 B 43.15 und 9 B 1.16) hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) unter Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung Beitragsbescheide für Grundstücke aufgehoben, die bis zum 31.12.1999 an eine leitungsgebundene öffentliche Einrichtung angeschlossen und aufgrund einer nach dem 01.02.2004 erlassenen und erstmals wirksamen Beitragssatzung zu einem Anschlussbeitrag herangezogen worden. Die Aufhebung wurde damit begründet, dass § 8 Abs. 7 Satz 2 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg (KAGBbg) in der seit 01.02.2004 geltenden Fassung jedenfalls dann eine unzulässige echte Rückwirkung entfaltet, wenn gerechnet seit dem Zeitpunkt des tatsächlichen Anschlusses des betroffenen Grundstücks bei Inkrafttreten der Gesetzesänderung am 01.02.2004 die in § 12 Abs. 1 Nr. 4 b) KAGBbg in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) geregelte Festsetzungsfrist von vier Jahren bereits abgelaufen war. Die Rechtsprechungsänderung hat dazu geführt, dass sich die Aufgabenträger der öffentlichen Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung jetzt ebenso wie die Verwaltungsgerichte in Einzelfällen damit beschäftigen müssen, ob der beitragspflichtige Anschluss bis zum 31.12.1999 oder erst ab 01.01.2000 hergestellt worden ist. Mit den daraus folgenden Fragestellungen befassen sich einige neuere Entscheidungen der brandenburgischen Verwaltungsgerichtsbarkeit.

 

Prozessual stellt sich zunächst die Frage, wer für den genauen Zeitpunkt der betriebsfertigen Herstellung eines Anschlusses an die öffentliche Einrichtung darlegungs- und beweispflichtig ist. Das Verwaltungsgericht (VG) Frankfurt (Oder) sieht in seinem Urteil vom 25.05.2016 (5 K 227/13) die klagende Partei in der materiellen Beweislast. Die dortige Klägerin hatte zwar einen handschriftlichen Vermerk der früheren Verwalterin des Grundstücks vorgelegt, aus dem sich ergeben sollte, dass das Grundstück mindestens seit 1994 zur Abwasserbeseitigung an eine Verrieselungsanlage angeschlossen war. Das VG Frankfurt (Oder) weist aber darauf hin, dass es sich bei diesem Vermerk lediglich um ein internes Dokument der Verwalterin handelte, dessen Inhalt durch die vorliegenden Unterlagen des für die Aufgabe der Abwasserentsorgung zuständigen Hoheitsträgers nicht gestützt wurde. Der beklagte Wasser- und Abwasserzweckverband war dem Vortrag in der Verhandlung substantiiert damit entgegen getreten, dass im Jahr 2002 die wasserrechtliche Stilllegung der bis dahin zur Entwässerung genutzten Verrieselungsanlage und der Anschluss an die nunmehr vorhandene zentrale öffentliche Abwasserentsorgungsanlage betrieben wurden. Außerdem hatte er im August 2002 darauf hingewiesen, dass die Baumaßnahmen zur Herstellung der zentralen Abwasserentsorgungsanlage abgeschlossen seien und ein funktionsfähiger Anschluss herzustellen sei. Dafür, dass das 1994 zum Anschluss an die Verrieselungsanlage genutzte Leitungsnetz durch die Gemeinde oder einen anderen hoheitlichen Aufgabenträger errichtet wurde, konnte die Klägerseite keinen substantiierten Vortrag führen.

 

Das VG Cottbus sieht im Urteil vom 28.04.2016 (6 K 376/14) auch bei einem unbestritten seit Januar 1991 an das Trinkwassernetz angeschlossenen Grundstück keinen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot, wenn die 1991 errichtete Anlage von einer Gemeinde hergestellt worden ist, die dem Zweckverband erst am 01.01.2004 beigetreten ist. Nach Auffassung des VG Cottbus besteht in diesem Fall keine rechtliche Kontinuität zwischen der 1991 hergestellten Anlage der Gemeinde und der Anlage des beklagten Zweckverbandes. Die von der Gemeinde hergestellte und mit dem Beitritt zum 01.01.2004 an den Zweckverband übertragene Wasserversorgungseinrichtung ist rechtlich nicht identisch mit der zuvor vom Zweckverband in seinem bisherigen Zuständigkeitsbereich hergestellten Wasserversorgungseinrichtung. Anknüpfungspunkt für die Beitragserhebung nach dem KAGBbg sind aus Sicht des VG Cottbus nicht Anlagen im technischen, sondern öffentliche Einrichtungen und Anlagen im kommunalrechtlichen Sinne. Dementsprechend sind auch die zuvor von der Gemeinde erschlossenen Grundstücke, die bereits vor dem Verbandsbeitritt an eine zentrale Trinkwasserversorgungseinrichtung der Gemeinde angeschlossen waren bzw. angeschlossen werden konnten, durch die zum 01.01.2004 auf den Verband übertragene Einrichtung beitrags-rechtlich neu und dauerhaft bevorteilt. Durch die Berechtigung, diese neue kommunale öffentliche Einrichtung dauerhaft zu nutzen, entstand auch für sie erstmalig eine (neue) Vorteilslage im Sinne des § 8 Abs. 6 Satz 1 KAGBbg, die eine Beitragserhebung nicht nur rechtfertigt, sondern sie sogar vor dem Hintergrund einer gleichmäßigen und gerechten Beteiligung aller durch die Anschlussmöglichkeit zu der öffentlichen Einrichtung bevorteilten Grundstücke gebietet.

 

Zur Bestimmung des Zeitpunktes des Anschlusses ist nach Auffassung des VG Cottbus nach einem Urteil vom 14.04.2016 (6 K 1160/15) ein Augenmerk auf die technischen Maßgaben des kommunalen Satzungsrechts zu richten. In dem hier entschiedenen Fall sah die Entwässerungssatzung des beklagten Aufgabenträgers vor, dass zur öffentlichen Einrichtung nicht nur der bereits in den 1990er Jahren hergestellte Hauptsammler unter der Straße, sondern auch der im öffentlichen Bereich zu verlegende Abzweig vom Hauptsammler bis zur Grundstücksgrenze gehört. Bei dieser satzungsrechtlichen Regelung entsteht die sachliche Beitragspflicht erst, wenn der Einrichtungsträger auch den Abzweig zwischen dem Hauptsammler und der Grundstücksgrenze hergestellt hat, weil die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung erst möglich ist, wenn das Schmutzwasser über den Abzweig in den Hauptsammler abgeleitet werden kann. Der Abzweig für das betreffende Grundstück wurde erst nach dem 01.01.2000 hergestellt, so dass das Grundstück noch zu einem Anschlussbeitrag herangezogen werden durfte.

 

Die zitierten Entscheidungen lassen erkennen, dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur unzulässigen Rückwirkung von § 8 Abs. 7 Satz 2 KAGBbg nicht zur generellen Unzulässigkeit der Erhebung von Anschlussbeiträgen führt, sondern im Einzelfall differenzierte Betrachtungen zum Zeitpunkt der betriebsfertigen Herstellung der öffentlichen Einrichtungen zur Wasserversorgung oder Abwasserbeseitigung nicht nur zulässt, sondern erfordert.

  

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

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