Nachträgliche Anordnung einer Sicherheitsleistung bei Abfallentsorgungsanlagen

– Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.02-2011 – 8 B 1675/10

 

In einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren hat sich der Betreiber einer Abfallentsorgungsanlage unter anderem zur Behandlung PCB-haltiger Abfälle gegen die nachträgliche Anordnung einer Sicherheitsleistung gewendet, nachdem bereits Umweltbelastungen eingetreten waren, die selbst Gegenstand nachträglicher immissionsschutzrechtlicher Anordnungen waren; im Ergebnis jedoch ohne Erfolg.

 

Die Abfallentsorgungsanlage zur Behandlung PCB-haltiger Abfälle war wegen festgestellter erhöhter PCB-Belastungen im Staubniederschlag im Bereich dieser Anlage vorläufig stillgelegt worden. Sogar Blutuntersuchungen bei Mitarbeitern der Anlage zeigten eine erhöhte PCB-Belastung. In diesem Zusammenhang war nachträglich eine Sicherheitsleistung in Millionenhöhe durch die zuständige Bezirksregierung in Abstimmung mit dem Umweltministerium angeordnet worden.

 

Die Sicherheitsleistung wurde auf § 17 Abs. 4a Satz 1 BImSchG gestützt. Danach „soll“ bei Abfallentsorgungsanlagen im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG zur Erfüllung der Pflichten des Anlagenbetreibers in der Nachsorgephase (§ 5 Abs. 3 BImSchG) eine Sicherheitsleistung angeordnet werden, ohne dass es insoweit noch Zweifel an dessen Liquidität bedarf. Solche Anordnungen sind nach der Rechtsänderung seit März 2010 auch nachträglich vorzusehen, während entsprechende Anforderungen im Zusammenhang mit der Genehmigung einer Anlage im Rahmen von Nebenbestimmungen nach § 12 Abs. 1 Satz 2 BImSchG gestellt werden können. Allein bei atypischen Umständen sei dabei das Ermessen der Behörden eröffnet.

 

Sinn und Zweck einer Sicherheitsleistung sei, die Erfüllung der Nachsorgepflichten insbesondere bei der Annahme und Lagerung von Abfällen sicherzustellen, um damit die Gefahr der erheblichen Sicherungs-, Sanierungs- und Entsorgungskosten für die öffentliche Hand bei Insolvenz des Betreibers abzuwenden.

 

Nachsorgepflichten entständen erst nach Betriebseinstellung zu einem nicht vorhersehbaren künftigen Zeitpunkt, für den die Liquidität des Anlagenbetreibers im Vorhinein nicht bestimmt werden kann.

 

Nach den gesetzlichen Vorgaben könne die Sicherheitsleistung auch dann noch nachträglich aufgegeben werden, wenn bereits eine Umweltbelastung eingetreten ist, auf die hin die Behörde nachträgliche Anordnungen erlassen hat, deren Vollstreckung im Wege der Ersatzvornahme nach landesrechtlichen Vorschriften die Inanspruchnahme des Betroffenen im Voraus gestattet. Denn diese landesrechtlichen Vorschriften zum Verwaltungszwang verdrängten nicht die bundesrechtlichen Vorschriften über die nachträgliche Anordnung einer Sicherheitsleistung. Voraussetzung sei dabei nur, dass weiterhin nach endgültiger Betriebseinstellung das Entstehen von Nachsorgepflichten in dem durch die Sicherheitsleistung vorausgesetzten Umfang in Betracht komme.

 

Da die Sicherheitsleistung allein die voraussichtlichen Kosten der Nachsorgepflichten absichern soll, könne sie auch nicht für Ersatzvornahmekosten in Anspruch genommen werden. Würden allerdings durch Sanierungsmaßnahmen bereits spätere Nachsorgepflichten erfüllt, sei die Sicherheitsleistung entsprechend der Realisierung einzelner Nachsorgepflichten zu reduzieren.

 

Mit Rücksicht auf die Erfüllung der verschiedenen Nachsorgepflichten in § 5 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 BImSchG sei die Sicherheitsleistung hinsichtlich der Höhe an den voraussichtlichen Kosten für die Erfüllung dieser Pflichten zu orientieren. Häufig werde erst nach endgültiger Betriebseinstellung offenkundig, dass die genannten Pflichten nicht oder nicht vollständig erfüllt wurden. Dabei gehörten weder die Wiederherstellung des Zustands vor Genehmigungserteilung noch als Vorsorgemaßnahmen zu qualifizierende Vorkehrungen zu dem Umfang dieser Pflichten. Auch sei die Sanierung nur in dem Umfang erforderlich, wie es gelte, schädliche Umwelteinwirkungen zu beheben.

 

Pauschal werde die Sicherheitsleistung bei Abfallentsorgungsanlagen durch die maximal genehmigte Abfallmenge und die voraussichtlichen durchschnittlichen Entsorgungskosten je Tonne, einschließlich Analyse- und Transportkosten bestimmt. Weder der positive Marktwert von Abfällen noch eine durch den betroffenen Betreiber vorgesehene Abfallbehandlung mit der Folge der Erhöhung des Marktwertes könnten dabei berücksichtigt werden, da der Staat zur Erlangung der Sicherungsmittel nicht in dem erforderlichen Umfang am Markt teilnehmen würde. Auch müsse eine Entsorgung im Betrieb des Betroffenen außer Betracht bleiben, da die Sicherheitsleistung die Betriebseinstellung gerade voraussetze. Wegen der im konkreten Fall veranlassten Sanierungs- und Entsorgungskosten seien diese nicht nach den pauschalen Berechnungsfaktoren zu ermitteln, weil die Nachsorgepflichten weit über das übliche Maß hinausgehen würden. Die dazu für die Bemessung der Sicherheitsleistung zu Grunde gelegte Prognose sei mit Rücksicht auf das Ausmaß der PCB-Belastung im vorliegenden Fall, der in Deutschland beispiellos sei, so dass auf Erfahrungswerte nicht zurückgegriffen werden könnte, an einem zutreffenden Maßstab ausgerichtet und die darin genannten Sanierungs- und Entsorgungskosten insgesamt vertretbar. Dies gelte auch für die Berücksichtigung der Umsatzsteuer, die Analysekosten und einen Sicherheitsvorschlag für Unvorhergesehenes in Höhe von 10%.

 

In Anwendung dieser Grundsätze hat das Gericht im Rahmen der summarischen Prüfung auch die Höhe der festgesetzten Sicherheitsleistung auch und gerade in Anbetracht des eröffneten Insolvenzverfahrens als verhältnismäßig erachtet.

 

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte