Gewerbliche Sammlung von Sperrmüll grundsätzlich zulässig – Sperrmüll kein „gemischter Abfall“ im Sinne von § 17 Abs. 2 Satz 2 KrWG

Abfälle zur Verwertung aus privaten Haushaltungen müssen gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 KrWG grundsätzlich den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern überlassen werden. Ausnahmen von der Überlassungspflicht gelten unter den Voraussetzungen in § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 KrWG für solche Abfälle, die durch eine gemeinnützige oder gewerbliche Sammlung der Entsorgung zugeführt werden. Ob auch Sperrmüll, der in privaten Haushaltungen anfällt, im Wege der gemeinnützigen oder gewerblichen Sammlung erfasst werden darf, war lange umstritten. Das Bundesverwaltungsgericht hat diesen Streit nun in zwei Entscheidungen vom 23.02.2018 zu Gunsten der gemeinnützigen und gewerblichen Sammler entschieden.

Dem Revisionsurteil lag die Klage eines privaten Entsorgungsunternehmens zugrunde, das unter anderem die Entsorgung von bei der Entrümpelung von Wohnraum typischerweise anfallenden (Sperr-)Abfällen anbot. Die zuständige Behörde hatte dies per Bescheid untersagt.

Im Zentrum der Judikate steht die Regelung in § 17 Abs. 2 Satz 2 KrWG. Hiernach ist eine privat-wirtschaftlich organisierte (gemeinnützige oder gewerbliche) Sammlung und Verwertung von „gemischten Abfällen aus privaten Haushaltungen“ – genauso wie von gefährlichen Abfällen – von vornherein ausgeschlossen und ausschließlich der staatlichen Organisationshoheit anvertraut. Das heißt, es bleibt in diesen Fällen per se bei der Überlassungspflicht an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, ohne dass es im Falle gewerblicher Sammlungen noch auf die Frage ankäme, ob überwiegende öffentliche Interessen einer privaten Sammlung entgegengehalten werden können oder nicht.

Der Auffassung, Sperrmüll sei ein „gemischter Abfall“ im Sinne der Bestimmung in § 17 Abs. 2 Satz 2 KrWG, hat das Bundesverwaltungsgericht in den zitierten Urteilen eine Absage erteilt und somit die Möglichkeit der gemeinnützigen oder gewerblichen Sammlung von Sperrmüll prinzipiell eröffnet. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ist der Begriff des „gemischten Abfalls aus privaten Haushaltungen“ in § 17 Abs. 2 Satz 2 KrWG eng auszulegen. Lediglich gemischte Siedlungsabfälle im Sinne der Abfallschlüsselnummer 20 03 01 AVV seien hierunter zu fassen. Zu diesem Ergebnis gelangt das Gericht im Wege einer Gesetzesauslegung unter Betrachtung von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Systematik und Sinn und Zweck der Bestimmung.

Den Wortlaut des Gesetzes hält das Bundesverwaltungsgericht dabei für unergiebig. Sowohl eine enge als auch eine weite Lesart seien vom Wortsinn der gesetzlichen Formulierung gedeckt. Immerhin weist das Gericht im Rahmen der Wortlautbetrachtung aber die Argumentation der Vorinstanz zurück, wonach bereits das praxistypische Fehlen von Sortenreinheit beim Sperrmüll den Schluss auf einen „Mischabfall“ im Sinne von § 17 Abs. 2 Satz 2 KrWG nahelegen sollte.

Für eine enge Auslegung des Begriffs „gemischte Abfälle“ in § 17 Abs. 2 Satz 2 KrWG spricht nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts zunächst der Wille des Gesetzgebers, wie er sich anhand der Gesetzesmaterialien ablesen lässt. Die Autoren des Kreislaufwirtschaftsgesetzes haben nach Auffassung des Gerichts in der Gesetzesbegründung hinreichend deutlich erkennen lassen, dass sie als „gemischte Abfälle“ in § 17 Abs. 2 Satz 2 KrWG ausschließlich „gemischte Siedlungsabfälle“ gemäß Abfallschlüssel 20 03 01 AVV verstanden wissen wollten. Die Gesetzesbegründung verweist in diesem Zusammenhang auf die unionsrechtlichen Wurzeln des Begriffs der „gemischten Abfälle“. Der Ausschluss „gemischter Abfälle“ von der privatwirtschaftlichen Entsorgungsverantwortung diene ausweislich der Gesetzesmaterialien der Umsetzung des Prinzips der Entsorgungsautarkie und Nähe gemäß Art. 16 Abfallrahmenrichtlinie 2008/98/EG.

Diesen Ansatz des Gesetzgebers bestätigt das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen einer gesetzessystematischen Betrachtung der Bestimmung des § 17 Abs. 2 Satz 2 KrWG im Kontext des Unionsrechts. Das in den §§ 17 und 20 KrWG festgelegte System aus Überlassungspflicht und korrespondierender Entsorgungszuständigkeit diene der Umsetzung des Prinzips der Entsorgungsautarkie und Nähe gemäß Art. 16 Abfallrahmenrichtlinie 2008/98/EG. Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2008/98/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten, ein integriertes und angemessenes Netz von Abfallbeseitigungsanlagen und „Anlagen zur Verwertung von gemischten Siedlungsabfällen, die von privaten Haushaltungen eingesammelt worden sind“, zu errichten. Der Begriff der gemischten Siedlungsabfälle in Art. 16 Abs. 1 der Abfallrahmenrichtlinie sei wiederum – in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH – als deckungsgleich mit dem korrespondierenden Begriff in Art. 3 Abs. 5 der EU-Abfallverbringungsverordnung anzusehen. Letzterer umfasse aber ausweislich des dortigen Klammerzusatzes nur den Abfallschlüssel 20 03 01 AVV. Vor diesem unionsrechtlichen Hintergrund betrachtet ziele die Bestimmung in § 17 Abs. 2 Satz 2 KrWG darauf ab, im Sinne des Prinzips der Entsorgungsautarkie und Nähe sicherzustellen, dass neben Abfällen zur Beseitigung insbesondere (zur thermischen Behandlung vorgesehene) „gemischte Siedlungsabfälle“ zur Verwertung gemäß Abfallschlüssel 20 03 01 AVV dem Kernbereich kommunaler Entsorgungspflichten im Rahmen der Daseinsvorsorge zugewiesen blieben. Hinweise dafür, dass – über diesen somit allein bezweckten „Kernbereichsschutz“ hinausgehend – auch Sperrabfälle gemäß Abfallschlüssel 20 03 07 AVV in Art. 16 Abs. 1 Richtlinie 2008/98/EG angesprochen sein sollen, sieht das Bundesverwaltungsgericht nicht.

Abschließend betrachtet das Bundesverwaltungsgericht den Begriff der „gemischten Abfälle“ gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 KrWG im Lichte des EU-Primärrechts, namentlich im Lichte der europäischen Warenverkehrsfreiheit. Ein Verständnis der Bestimmung im Sinne einer ausnahmslosen Überlassungspflicht für Sperrmüll sei hiermit nicht vereinbar. Das Bundesverwaltungsgericht greift hierbei auf seine Grundsatzentscheidung vom 30.06.2016 (7 C 4/15) zurück. Dort hatte es entschieden, dass Überlassungspflichten gemäß § 17 Abs. 1 KrWG die Warenverkehrsfreiheit (Art. 35 AEUV) berühren. Eine solche Beschränkung sei gemäß Art. 106 Abs. 2 AEUV nur dann gerechtfertigt, wenn die Überlassungspflicht auf dasjenige Maß beschränkt werde, das erforderlich sei, um eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung zu verhindern. Dass der Kernbereich der Daseinsvorsorge im Entsorgungsbereich zu wirtschaftlich ausgewogenen Verhältnissen immer gefährdet wäre, wenn der durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger getragenen Sammlung Sperrmüll entzogen würde, sei nicht erkennbar. Eine zwingende, d.h. ausnahmslose Überlassungspflicht sieht das Bundesverwaltungsgericht somit nur innerhalb der Grenzen des Art. 16 Abfallrahmenrichtlinie 2008/98/EG für möglich an (dessen Schutzrichtung aber gerade nicht auf andere Abfälle als Gemische gemäß Abfallschlüssel 20 30 01 AVV zu erstrecken sei, s.o.).

Anmerkung: Die vom Bundesverwaltungsgericht für die Ausklammerung von Sperrmüll aus dem Begriff der „gemischten Abfälle“ in § 17 Abs. 2 Satz 2 KrWG gegebene Begründung fällt knapp, aber überzeugend aus. Zwar lässt das Gericht einzelne Aspekte, die den Streit im Vorfeld kennzeichneten, unangesprochen, insbesondere diejenige nach der „Natur“ von Sperrmüll als eines – so eine Ansicht – lediglich „nicht tonnengängigen Restabfalls“ und die dazu vertretene Gegenposition, die im „typischen“ Sperrmüll ein vom klassischen Restabfall gänzlich verschiedenes Verwertungspotential erblickt. Auch die Frage, wie sich Sperrabfälle in rechtlicher Hinsicht von Restabfällen unterscheiden, wird nicht thematisiert, und ihre Beantwortung bleibt in der Praxis der verantwortlichen Einstufung durch den Erzeuger überlassen. Letztlich konnte das Gericht diese Fragen aber unbeantwortet lassen, ohne dass seine Entscheidung dogmatisch an Überzeugungskraft einbüßt. Stark war insofern die aus der Gesetzeshistorie zu entnehmende Ausgansposition der Argumentation, wonach – erstens – Sperrmüll und gemischter Siedlungsabfall verschiedene Abfälle sind und – zweitens – ein gemischter Abfall im Sinne von § 17 Abs. 2 Satz 2 KrWG immer nur ein gemischter Siedlungsabfall gemäß Abfallschlüssel 20 30 01 AVV sein soll. Die Entscheidung steht insofern paradigmatisch für die zunehmende Bedeutung des „Willens des Gesetzgebers“ bei der Gesetzesauslegung. Dieser bleibt in der Rechtsprechungspraxis bei der Auslegung von Gesetzen selten unbeachtet, insbesondere wenn die Gesetzesmaterialien sich – wie hier – zu einer dem Wortlaut nach nicht eindeutigen gesetzlichen Formulierung eindeutig positionieren. Sodann überzeugt aber auch der dogmatische Anschluss der eng gefassten Gesetzesauslegung an das europäische Recht. Im Geltungsbereich von § 17 Abs. 2 Satz 2 KrWG ist privaten Sammlern der Zugang zum Markt der verwertbaren Abfälle aus privaten Haushaltungen von vornherein und ausnahmslos verschlossen. Erst jenseits dieser „Hürde“ kommt es zu der Prüfung, ob von privaten Sammlern eine relevante Gefahr für das staatlich getragene Erfassungssystem ausgeht. Folglich überzeugt es, den für die Eröffnung der Abwägung zwischen kommunalem Daseinsvorsorgeinteresse und freiem Warenverkehr maßgeblichen Begriff der „gemischten Abfälle“ eng zu definieren, um dem nötigen Ausgleich zwischen Warenverkehrsfreiheit und Daseinsvorsorge hinreichend Rechnung zu tragen.

 Quelle: KOPP-ASSENMACHER & NUSSER

Das dazu gehörige Fachseminar ist in der Seminarwelt des IWU Magdeburg auffindbar.