Vorschläge zur Novellierung der WEEE- und der RoHS-Richtlinie

Ausblick auf mögliche Änderungen im Anwendungsbereich des deutschen Elektro- und Elektronikgerätegesetzes

Zur Zeit befinden sich sowohl die WEEE-Richtlinie als auch die RoHS-Richtlinie im Novellierungsverfahren. Bereits jetzt ist absehbar, dass die Novellen Auswirkungen auf die deutsche Gesetzgebung haben werden.

Seit dem 24.03.2005 ist in Deutschland stufenweise das Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) in Kraft getreten. Hersteller, Importeure und teilweise auch Vertreiber der von dem Gesetz erfassten Geräte haben seither zahlreiche neue Verpflichtungen sowohl im Hinblick auf die Rücknahme und die Verwertung als auch auf die Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe zu erfüllen. Hierzu zählt vor allem die durch die sogenannte „WEEE-Richtlinie“ (Richtlinie 2002/96/EG vom 27.01.2003 über Elektro- und Elektronik-Altgeräte) vorgeschriebene Registrierungspflicht der betroffenen Hersteller, die mit der Pflicht zur Rücknahme entsprechender Mengen von Altgeräten korrespondiert. Darüber hinaus gelten seit Juli 2006 bestimmte Anforderungen an die stoffliche Zusammensetzung der Geräte, welche durch die so genannte „RoHS-Richtlinie“ (Richtlinie 2002/95/EG vom 27.01.2003 zur Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten) vorgegeben werden. Im Zusammenhang mit den neuen Registrierungs- und Rücknahmepflichten der Hersteller besteht seit Inkrafttreten der deutschen Umsetzung der Richtlinien in der Form des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes erhebliche Rechtsunsicherheit im Hinblick auf den Anwendungsbereich des Gesetzes (Stichwort: Gerätebegriff) und den Umfang der Pflichten. So hat sich die von dem Umweltbundesamt beliehene Stelle, die Stiftung EAR, einen teilweise nur schwer nachvollziehbaren und nicht transparenten Regelkatalog erstellt, nach welchem sie das Registrierungsverfahren vornimmt. Abgesehen davon, dass teilweise bereits zweifelhaft ist, ob dieser Regelkatalog von den Vorgaben der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes gedeckt ist, fällt die Zuordnung von Geräten zu den gesetzlich vorgegebenen Kategorien selbst bei Anwendung des Regelkataloges oftmals schwer. Zahlreiche gerichtliche Verfahren sind zur Klärung der hieraus entstehenden rechtlichen Unsicherheiten zwar bereits anhängig, doch stehen richtungsweisende Entscheidungen der zuständigen Gerichte zum jetzigen Zeitpunkt noch nahezu vollständig aus. Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Novellen der Richtlinien befassen sich zumindest teilweise mit dieser Problematik und könnten somit bei ihrer Verabschiedung zu mehr Rechtssicherheit beitragen. Darüber hinaus sehen die Novellen jedoch auch zahlreiche weitere Änderungen vor, die den Pflichtenkatalog der hauptverantwortlichen Hersteller erweitern sollen und die im Folgenden zusammenfassend dargestellt werden.

Vorgesehene Änderungen der WEEE-Richtlinie

Der Richtlinienvorschlag zur Änderung der WEEE-Richtlinie sieht vor, dass für alle in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallenden Geräte bzw. Gerätearten auf EU Ebene festgelegt werden soll, ob sie als sog. b2b- oder als b2c-Geräte gelten. Eine gemeinschaftsweit verbindliche Festlegung würde zur Behebung eines Teils der vorgenannten bisherigen Probleme bei der Einordnung der Geräte erheblich beitragen. So sind nach Anhang 1 zu § 2 Abs. 1 ElektroG bestimmte Geräte von den Registrierungs- und Rücknahmepflichten ausgenommen, soweit sie üblicherweise in privaten Haushalten genutzt werden und damit b2c-Geräte darstellen. Diese Ausnahme gilt namentlich für Leuchten und Glühlampen. Darüber hinaus ist die Unterscheidung zwischen Geräten, die ausschließlich im gewerblichen Bereich genutzt werden und solchen, die (auch) im privaten Bereich genutzt werden, für die Stellung der insolvenzsicheren Garantie nach § 6 Abs. 3 ElektroG von Bedeutung, da die Garantie nur für solche Geräte zu leisten ist, die in privaten Haushalten genutzt werden können. Da die verbindliche Festlegung der Einordnung jedoch in einem technischen Ausschuss der Europäischen Union ausgearbeitet werden soll, ist selbst nach Erlass der Richtlinie noch offen, wann es zu der geplanten Festlegung kommt.

Im Zusammenhang damit, wann ein Gerät bzw. Gerätebestandteil grundsätzlich registrierungspflichtig ist, soll der Geltungsbereich der WEEE-Richtlinie präzisiert werden. Dies gilt namentlich für Geräte, die als Teil eines nicht von der Richtlinie betroffenen Gerätes konzipiert sind und ihre Funktion nur als Teil eines solchen Gerätes erfüllen können. „Geräte, die nicht dazu bestimmt sind, einzeln als funktionelle oder kommerzielle Einheit in den Verkehr gebracht zu werden“, sollen vom Anwendungsbereich ausgenommen werden. Darüber hinaus sollen weitere Begriffsbestimmungen, wie das „Inverkehrbringen“ oder die „Bereitstellung auf dem Markt“ neu aufgenommen bzw. umformuliert werden. Insgesamt sollen die Registrierungs- und Meldepflichten im europäischen Wirtschaftsraum harmonisiert werden. Zukünftig soll es hierdurch möglich sein, dass die betroffenen Unternehmen die Registrierungs- und Meldepflichten vollständig in ihren Heimatstaaten erfüllen können und sich nicht, wie bisher, in mehreren Staaten registrieren müssen. Diesbezüglich hat die Analyse im Rahmen der Überprüfung der WEEE-Richtlinie ergeben, dass die unterschiedlichen Vorschriften für die Registrierung der Hersteller in den Mitgliedstaaten dazu führen können, dass die Wirtschaftsbeteiligten bis zu 27 verschiedene Registrierungsverfahren zu beachten haben. Dieser unnötige Verwaltungsaufwand soll beseitigt werden. Zur Durchsetzungskraft der bisherigen Richtlinie stellt die EU-Kommission fest, dass derzeit nur rund 65% der in Verkehr gebrachten Elektro- und Elektronikgeräte getrennt gesammelt werden und weniger als die Hälfte Gegenstand einer Behandlung und Berichterstattung gemäß der Richtlinie sei. Die restlichen Geräte würden entweder nicht normgerecht behandelt oder illegal in Drittländer, unter anderem Nicht-OECD-Länder, ausgeführt. Da hierdurch das Risiko steige, dass gefährliche Stoffe in die Umwelt gelangen, darunter auch Stoffe mit hohem Ozonabbaupotenzial und hohem Erderwärmungspotenzial, enthält der Vorschlag eine Verschärfung der Anforderungen an die jährliche Inspektion von Elektroschrott-Behandlungsanlagen und an die Überwachung der grenzüberschreitenden Abfallverbringungen, insbesondere in Drittstaaten. Hierzu soll der Richtlinie ein neuer Anhang mit detaillierten Vorgabenhinzugefügt werden, um den derzeit hohen Anteil an Exporten drastisch zu verringern. Darüber hinaus sollen die Zieldefinitionen der Richtlinie überarbeitet werden. Ab dem Jahr 2016 soll eine Sammelquote von 65% vorgegeben werden, die sich an der in den letzten beiden Vorjahren durchschnittlich in Verkehr gebrachten Menge an Neugeräten orientiert. Diese soll das bisherige Ziel, in jedem Mitgliedstaat pro Einwohner und Jahr mindestens 4 kg „Elektroschrott“ einzusammeln, ersetzen, da die Analyse der EU-Kommission ergeben hat, dass diese Quote nicht die Volkswirtschaften der einzelnen Mitgliedsstaaten wiederspiegele. Hierdurch seien für einige Länder zu niedrige, für andere wiederum zu hohe Sammelziele festgelegt worden. Die neue Vorgabe soll einen besseren Anreiz für die Mitgliedstaaten setzen. Darüber hinaus soll geprüft werden, ob für Kühl- und Gefriergeräte ein spezifisches, ggf. noch höheres Sammelziel erforderlich erscheint. Auch die Verwertungsquoten sollen zur besseren Durchsetzung der Vorgaben um jeweils 5 % angehoben werden. Allerdings soll hierbei nunmehr auch die Wiederverwendung von Geräten berücksichtigt werden, was zurzeit noch nicht der Fall ist. Als weitere Neuerung sollen auch für medizinische Geräte vergleichbare Verwertungsquoten eingeführt werden.

Vorgesehene Änderungen der RoHS-Richtlinie

Mit der Überarbeitung der RoHS-Richtline, die zum Schutz der menschlichen Gesundheit und mit dem Ziel einer umweltgerechten Verwertung und Beseitigung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten die Vorgaben für die Stoffverbote des § 5 ElektroG enthält, verfolgt die Kommission vorrangig eine klarere Fassung und leichtere Handhabung der Richtlinie. Die verbesserte Durchsetzung auf nationaler Ebene, die Anpassung an den technischen und wissenschaftlichen Fortschritt sowie die Schaffung von Kohärenz mit anderen Rechtsakten der Gemeinschaft sind weitere Hintergründe der geplanten Novellierung. Der Vorschlag zur Änderung der RoHS-Richtlinie enthält zunächst einige Präzisierungen bzw. neu aufgenommene Begriffsbestimmungen, beispielsweise für die Begriffe „homogener Werkstoff“ und „medizinische Geräte“. Insgesamt sollen die Begrifflichkeiten an die Verwendung der Begriffe in anderen einschlägigen gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften, namentlich in den Bereichen „REACH“ (Verwendung von Stoffen) und „Ökodesign“ (Gestaltung von Elektro- und Elektronikgeräten), angepasst werden. Diese Harmonisierung der Begriffsbestimmungen soll mehr Rechtssicherheit schaffen. Der Geltungsbereich der Richtlinie soll einerseits auf medizinische Geräte sowie Kontroll- und Überwachungsinstrumente ausgedehnt werden, andererseits durch eine verbindliche Produktauflistung klarer gefasst werden. Dies soll durch zwei neue Anhänge geschehen, welche die breiten Produktkategorien sowie die von der Kommission abänderbaren verbindlichen Produktauflistungen enthalten. Von der Aufnahme der neuen Produktkategorien verspricht sich die Kommission eine weitere Verringerung der Mengen an schädlichen Stoffen, die aus den betreffenden Produkten in die Umwelt freigesetzt werden. Zur Vermeidung nachteiliger sozioökonomischer Auswirkungen erfolgt die Einführung der Stoffverwendungsverbote für die neuen Gerätekategorien stufenweise. So sollen die Stoffverwendungsverbote der RoHS-Richtlinie ab dem 01.01.2014 für medizinische Geräte sowie Überwachungs- und Kontrollinstrumente allgemein gelten, ab dem 01.01.2016 für In-Vitro-Diagnostika und ab dem 01.01.2017 für Überwachungs- und Kontrollinstrumente in der Industrie. Im Hinblick auf die von der Richtlinie vorgegebenen Stoffverbote wurde im Vorfeld des Vorschlages sowohl eine Reduzierung als auch eine Erweiterung der verbotenen Stoffe diskutiert. Letztlich enthält der Vorschlag jedoch weder neue Stoffverbote, noch wurde ein bereits bestehendes Verbot (hier wurde ausschließlich über den in Flammschutzmitteln eingesetzten Stoff Deca-BDE diskutiert) aufgehoben. Die von der Richtlinie vorgegebenen Höchstkonzentrationen in homogenen Werkstoffen bleiben für den Anwendungsbereich des deutschen Elektro- und Elektronikgerätegesetzes ebenfalls unverändert. Allerdings stellt der Richtlinienentwurf klar, dass die Erlaubnis zur Verwendung von nicht den Vorgaben der Richtlinie entsprechenden Ersatzteilen auf Geräte ausgedehnt werden soll, die zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens unter eine Ausnahmeregelung fielen, um die vorzeitige Außerbetriebnahme von Geräten zu vermeiden. Für die neuen Gerätekategorien enthält die Richtlinie zusätzlich einen Anhang mit besonderen Ausnahmevorschriften für solche Fälle, in denen eine Substitution der enthaltenen Stoffe zurzeit noch nicht durchführbar ist. Um die Kohärenz mit den Entwicklungen im Rahmen des Chemikalienrechts und entsprechende Synergieeffekte zu gewährleisten, soll außerdem ein Mechanismus zur Einführung neuer Stoffverbote eingefügt werden, der dem REACH-Verfahren entspricht. Grundsätzlich sollen Ausnahmeregelungen zu den Stoffverboten zukünftig auf maximal vier Jahre beschränkt werden, um den Anreiz für die Hersteller zur Ausschöpfung von Substitutionsmöglichkeiten zu erhöhen. Eine weitere Neuerung des Vorschlages ist insbesondere vor dem Hintergrund zivilrechtlicher Gewährleistungs- und Haftungsfragen von Bedeutung. Die Frage, wann ein Hersteller oder Vertreiber von Elektro- und Elektronikgeräten in zivilrechtlicher Hinsicht die übliche Sorgfalt beachtet hat, um einen Verstoß gegen die Stoffverbote der RoHS-Richtlinie durch die von ihm hergestellten bzw. vertriebenen Produkte zu vermeiden, wird durch die bisherigen Vorgaben der RoHS-Richtlinie nicht beantwortet. Hierzu enthält der Vorschlag mit den Artikeln 7 und 8 zwei vollständig neue Regelungen, mit denen umfangreiche Pflichten zur Produktkonformitätsbewertung eingeführt werden sollen. Zu nennen sind hier insbesondere die verpflichtende Ausstellung einer EG-Konformitätserklärung, die Anbringung der CE-Kennzeichnung sowie routinemäßig vorzunehmende analytische Stichproben durch die Hersteller. Der Richtlinienentwurf stellt auch klar, dass technische Unterlagen sowie die EG-Konformitätserklärung über einen Zeitraum von 10 Jahren ab dem Inverkehrbringen der betreffenden Elektro- oder Elektronikgeräte aufzubewahren sind.

Inkrafttreten, Ausblick

Offen ist bisher, wann die neuen Richtlinien nach Beratung in der neuen Legislaturperiode des Europäischen Parlaments letztendlich verabschiedet werden. Eine Umsetzung in nationales Recht hat für beide Richtlinien innerhalb von 18 Monaten nach dem jeweiligen Inkrafttreten zu erfolgen. Wie der Ausblick auf die zur Zeit vorliegenden Vorschläge zeigt, würde es spätestens dann zu einschneidenden Änderungen des deutschen Elektro- und Elektronikgerätegesetzes kommen. Auch wenn beide Vorschläge zumindest teilweise dazu geeignet sind, für mehr Rechtssicherheit zu sorgen und einige aktuelle ungeklärte Fragen verbindlich klarzustellen, wird es bei einer Umsetzung der neuen Vorgaben auch zu einer deutlichen Verschärfung der bisherigen Anforderungen kommen. So wird sich beispielsweise im Hinblick auf die neuen Vorgaben der RoHS-Richtlinie mit deren umfangreichen Pflichten zur Produktkonformitätsbewertung gerade für viele kleinere und mittelständische Unternehmen die Frage stellen, wie sie diese im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten noch erfüllen können. Insofern wäre eine Klarstellung in der Richtlinie wünschenswert, der zufolge sich ein verantwortlicher Hersteller, der sich zur Erfüllung seiner Produktkonformitätsverpflichtungen eines fachkundigen Dritten bedient, auf die ordnungsgemäße Erfüllung dieser Verpflichtungen berufen kann. Zu bemängeln ist auch, dass der Vorschlag zur Änderung der WEEE-Richtlinie nach wie vor keine so genannte Kleinmengenregelung enthält, welche für das Eingreifen der Registrierungs- und Rücknahmepflichten eine Bagatellgrenze aufstellt. Die bisherigen Erfahrungen mit der Praxis haben gezeigt, dass die Kosten der Pflichtenerfüllung für kleinere Hersteller existenzbedrohend sein können und dass ausländische Hersteller mit kleineren Marktanteilen sich zu nehmend aus dem deutschen Markt zurückziehen. Es bleibt abzuwarten, wie die beiden Richtlinien-Vorschläge in der Beratung des Europäischen Parlaments bewertet werden.

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte