Recycling-Baustoffe und die neue EU-Bauproduktenverordnung

Am 1. Juli 2013 ist die sogenannte EU-Bauproduktenverordnung (Verordnung (EU) Nr. 305/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 zur Festlegung harmonisierter Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten und zur Aufhebung der Richtlinie 89/106/EWG = EU-BauPV), die die bisherige Bauproduktenrichtlinie von 1989 ablöst, vollständig in Kraft getreten. Damit gelten ab sofort europaweit einheitliche Regelungen über die Leistungserklärung für und die CE-Kennzeichnung von Bauprodukten. Zeitgleich wurde auf nationaler Ebene das bisherige Bauproduktengesetz durch ein neues Gesetz ersetzt, welches nur noch einzelne Ausführungsbestimmungen und vor allem Ordnungswidrigkeitstatbestände enthält. Den Auswirkungen dieser Neuerungen auf die Recycling-Baustoffbranche widmet sich der folgende Beitrag.

 

Die EU-BauPV legt als unmittelbar in allen Mitgliedstaaten der EU verbindlicher Rechtsakt Anforderungen an das Inverkehrbringen von Bauprodukten fest. Während im Jahr 2011 zunächst nur einige Bestimmungen in Kraft getreten waren, die die Marktteilnehmer nicht unmittelbar betreffen, gilt die EU-BauPV seit dem 01.07.2013 vollständig. Seitdem müssen insbesondere die Hersteller von Bauprodukten die Pflichten aus der Verordnung (vgl. Art. 11 EU-BauPV) beachten.

 

Wie bereits die Vorgängerrichtlinie hat die EU-BauPV die Erleichterung des freien Warenverkehrs im Bereich der Bauprodukte und damit die Vollendung des europäischen Binnenmarktes zum Ziel. Zu ihren wesentlichen Instrumenten gehören die Harmonisierung von technischen Normen, die Abgabe von Leistungserklärungen durch die Hersteller sowie die CE-Kennzeichnung. Die EU-BauPV gehört damit zum Bereich der sog. Harmonisierungsrechtsvorschriften der EU, wobei im Vergleich zu anderen Harmonisierungsrechtsvorschriften allerdings ein zentraler Unterschied besteht: Die EU-BauPV verzichtet auf die Harmonisierung der rechtlichen Anforderungen an Bauprodukte; diese fallen nach wie vor in die Regelungszuständigkeit der Mitgliedstaaten.

 

Hieraus ergibt sich zum einen, dass das Inkrafttreten der EU-BauPV als solches die bisher geltenden materiell-rechtlichen Voraussetzungen für das Inverkehrbringen und die Verwendung von Bauprodukten unberührt gelassen hat. Zum anderen folgt aus dem Fehlen harmonisierter Produktanforderungen, dass die für andere Produkte vorgeschriebene Konformitätserklärung – also eine Erklärung des Herstellers darüber, dass das Produkt den harmonisierten Rechtsvorschriften genügt – im Bereich der Bauprodukte nicht in Betracht kommt; stattdessen verlangt die EU-BauPV von den Herstellern unter gewissen Voraussetzungen die Abgabe einer Leistungserklärung. Eine abweichende Bedeutung kommt damit auch der CE-Kennzeichnung zu: Im Bereich der Bauprodukte besagt sie im Wesentlichen, dass der Hersteller eine der EU-BauPV entsprechende Leistungserklärung für das Produkt abgegeben hat und das Bauprodukt die erklärte Leistung erfüllt.

 

Die EU-BauPV findet grundsätzlich auch auf Recycling-Baustoffe (RC-Baustoffe) Anwendung, ohne dass es darauf ankommt, ob der RC-Baustoff im Sinne des Abfallrechts noch als Abfall anzusehen ist oder das Ende der Abfalleigenschaft (vgl. § 5 KrWG) bereits erreicht hat. Dies ist Folge der weiten Definition des Begriffs „Bauprodukt“ in Art. 2 Nr. 1 EU-BauPV, wonach nur darauf abzustellen ist, ob der Baustoff dazu bestimmt ist, dauerhaft in Bauwerke (des Hoch- oder Tiefbaus) eingebaut zu werden. Dass Recycling-Baustoffe diese Voraussetzung erfüllen, lässt sich nicht bestreiten.

 

Damit ist allerdings noch nicht gesagt, dass für Recycling-Baustoffe in jedem Fall eine Leistungserklärung abgegeben werden muss oder auch nur darf; Gleiches gilt für das Anbringen der CE-Kennzeichnung.

 

Die EU-BauPV macht die Pflicht und das Recht zur Abgabe einer Leistungserklärung und zur Anbringung des CE-Kennzeichens –  abgesehen von der Möglichkeit des Herstellers, sich durch eine sog. Europäische Technische Bewertung freiwillig in den Anwendungsbereich der Verordnung zu begeben –  davon abhängig, dass ein Bauprodukt von einer harmonisierten Norm erfasst ist. Unter harmonisierten Normen sind dabei solche Normen einer europäischen Normungsinstitution zu verstehen, die aufgrund eines Mandats der Kommission entwickelt wurden. Solche harmonisierten Normen wurden bereits unter der Bauproduktenrichtlinie erlassen; diese Normen gelten nach Inkrafttreten der EU-BauPV weiter.

 

Als Beispiele harmonisierter Normen, die sich ausdrücklich auch auf RC-Baustoffe beziehen, lassen sich DIN EN 12620 (Gesteinskörnungen für Beton) und DIN EN 13043 (Gesteinskörnungen für Asphalt und Oberflächenbehandlungen für Straßen, Flugplätze und andere Verkehrsflächen) nennen, sodass für die entsprechenden RC-Baustoffe seit dem 1. Juli 2013 eine Leistungserklärung zu erstellen und das CE-Kennzeichen zu verwenden ist. Nicht von der EU-BauPV erfasst sind nach derzeitiger Rechtslage dagegen z.B. ungebundene Gemische, die der DIN EN 13285 unterliegen, weil die aktuell gültige Fassung dieser Norm nicht auf der Grundlage eines Mandats der Kommission erlassen wurde und sie damit nicht zu den harmonisierten Normen im Sinne der Verordnung zählt. Letzteres wird sich allerdings mit dem Inkrafttreten der derzeit in Entwicklung befindlichen Neufassung der Norm ändern, da hierfür ein Kommissionsmandat vorliegt. Dieser Vorgang lässt erkennen, dass sich der Bereich der von der EU-BauPV erfassten RC-Baustoffe durch die Erteilung weiterer Mandate in Zukunft beständig erweitern wird; die Hersteller sind daher in der Pflicht, die Entwicklung ständig im Blick zu behalten.

 

Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass die Frage, ob und inwieweit einen Hersteller von RC-Baustoffen Pflichten nach der EU-BauPV treffen, vom konkreten Produkt abhängig ist und sich nicht immer leicht beantworten lässt. Dies ist insofern besonders misslich, als die Nichterstellung einer erforderlichen Leistungserklärung und die Erstellung einer unrichtigen Leistungserklärung schon bei bloßer Fahrlässigkeit des Herstellers Ordnungswidrigkeiten nach § 8 Abs. 2 des neuen Bauproduktengesetzes darstellen. Entsprechendes gilt für eine unterbliebene oder falsche CE-Kennzeichnung. Herstellern von RC-Baustoffen kann daher nur empfohlen werden, beim Auftreten von Unklarheiten oder praktischen Umsetzungsschwierigkeiten anwaltlichen Rechtsrat im Einzelfall einzuholen.

 

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

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