Planfeststellung und Plangenehmigung im Wasserrecht – Prozesse, Anforderungen und aktuelle Entwicklungen

Die Zulassung wasserwirtschaftlicher Vorhaben zählt zu den zentralen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung im Schnittfeld von Umweltrecht, Planungsrecht und Infrastrukturentwicklung. Die Instrumente Planfeststellung und Plangenehmigung bilden dabei das rechtliche Fundament für die genehmigungsrechtliche Absicherung von Maßnahmen an Gewässern, wasserwirtschaftlichen Anlagen und Hochwasserschutzinfrastrukturen. Sie gewährleisten Rechtssicherheit, umfassende Abwägung und Beteiligung aller Betroffenen. Der folgende Beitrag beleuchtet Prozesse, Anforderungen und aktuelle Entwicklungen mit besonderem Fokus auf das deutsche Wasserrecht.


1. Rechtliche Grundlage und Anwendungsbereich

Die Zulassungsverfahren für wasserrechtliche Vorhaben sind primär im Wasserhaushaltsgesetz (WHG) verankert, insbesondere in § 68 WHG (Planfeststellung) und § 70 WHG (Plangenehmigung). Ergänzend wirken die Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder, das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG), naturschutz- und immissionsschutzrechtliche Regelungen sowie europäische Vorgaben wie die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL).

Typische Vorhaben, die planfeststellungspflichtig sind:

  • Gewässeraus- und -umbauten

  • Hochwasserschutzmaßnahmen (Deiche, Rückhalteräume, Polder)

  • Talsperren, Wehre, Fischaufstiegsanlagen

  • Gewässerumlegungen und Renaturierungen größeren Umfangs

  • Abwasseranlagen mit erheblicher Außenwirkung


2. Planfeststellung – das umfassendste wasserrechtliche Verfahren

2.1 Charakter und Zweck

Die Planfeststellung ist ein förmliches, vollumfängliches Verwaltungsverfahren, das die Zulässigkeit eines Vorhabens abschließend und mit Konzentrationswirkung feststellt. Es ersetzt sämtliche anderen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen, soweit das Gesetz nichts anderes vorsieht.

2.2 Ablauf des Planfeststellungsverfahrens

Ein vollständiges Verfahren umfasst:

  1. Antragstellung und Einreichen der Planunterlagen
    – technische Planung
    – Umweltunterlagen
    – Variantenuntersuchung
    – wasserwirtschaftliche Nachweise (Abfluss, Retention, hydraulische Leistungsfähigkeit)

  2. Prüfung der Vollständigkeit durch die Behörde

  3. Beteiligung der Öffentlichkeit und Träger öffentlicher Belange
    – Auslegung der Unterlagen
    – Einwendungsfrist
    – Öffentlicher Erörterungstermin

  4. Fachliche Gesamtbewertung
    – wasserwirtschaftliche Beurteilung
    – Umwelt- und Natura-2000-Prüfungen
    – Hochwasserrisikobewertung
    – Vereinbarkeit mit der WRRL (Verschlechterungsverbot)

  5. Abwägung
    – Integration aller Interessen (Nachbarn, Umwelt, Eigentum, Infrastruktur)

  6. Planfeststellungsbeschluss
    – Nebenbestimmungen
    – Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen
    – Rechtsbehelfsbelehrung

2.3 Rechtswirkungen

Der Planfeststellungsbeschluss wirkt:

  • konzentrationsrechtlich (Ersetzen weiterer Genehmigungen)

  • enteignungsrechtlich vorwirkend (Voraussetzung für Enteignungen)

  • bestandskräftig nach Ablauf der Klagefrist

Die Planfeststellung gewährleistet maximale Rechtssicherheit, ist jedoch ressourcenintensiv und zeitaufwendig.


3. Plangenehmigung – das beschleunigte Verfahren

Die Plangenehmigung gemäß § 70 WHG ist ein vereinfachtes Zulassungsinstrument, das keine Öffentlichkeitsbeteiligung und keinen Erörterungstermin vorsieht, sofern Rechte Dritter nicht berührt werden oder diese zustimmen.

3.1 Voraussetzungen

  • Keine oder geringe Umweltauswirkungen

  • Kein zwingender UVP-Pflichttatbestand

  • Keine erheblichen Beeinträchtigungen der Gewässer, Nachbarn oder Schutzgüter

  • Kein Enteignungsbedarf

Typische Anwendungsfälle:

  • Ersatzneubauten ohne wesentliche Änderung

  • Kleine Hochwasserschutzmaßnahmen

  • Instandsetzungen und Modernisierungen

  • Technische Anpassungen an Wasserbauwerken

3.2 Vorteile

  • Kürzere Verfahrensdauer

  • Reduzierter Unterlagenumfang

  • Weniger Verwaltungsaufwand

  • Geringeres Konfliktpotenzial

Die Plangenehmigung ist ein wichtiges Instrument zur Beschleunigung unkritischer Vorhaben – setzt aber voraus, dass Rechte Dritter sicher nicht betroffen sind.


4. Anforderungen an die Planunterlagen

Sowohl bei Planfeststellung als auch Plangenehmigung sind klare und nachvollziehbare Unterlagen entscheidend. Dazu gehören:

  • Geotechnische und hydrologische Grundlagen

  • Hydraulische Berechnung und Bemessungsnachweise

  • Variantenuntersuchung

  • UVP oder UVP-Vorprüfung

  • Natura-2000-Verträglichkeitsuntersuchung

  • Artenschutzprüfung

  • Wasserrahmenrichtlinien-Bewertung

  • Emissions- und Immissionsprognosen (bei Ab-, Niederschlags- oder Rückhalteanlagen)

  • Grunderwerbsunterlagen

  • Bauablauf, Baustellenlogistik und Eingriffsfolgen


5. Konfliktmanagement und Abwägung

Wasserrechtliche Planverfahren sind regelmäßig konfliktträchtig, da sie:

  • Eigentumsrechte berühren

  • ökologisch sensible Räume betreffen

  • Hochwasserschutzinteressen mit Landnutzung konkurrieren

Ein wirksames Konfliktmanagement umfasst:

  • frühzeitige Beteiligung

  • verständliche Darstellung komplexer Sachverhalte

  • transparente Abwägungsprozesse

  • klare Nebenbestimmungen

  • Monitoring- und Nachsorgekonzepte

Die Qualität der Abwägung entscheidet häufig über die gerichtliche Bestandskraft.


6. Aktuelle Entwicklungen

6.1 Verfahrensbeschleunigung

Durch das Planungsbeschleunigungsgesetz und Gesetzesnovellen im WHG werden Verfahrensschritte zunehmend gestrafft. Digitale Auslegungen, elektronische Kommunikation und parallele Prüfprozesse gewinnen an Bedeutung.

6.2 Stärkere Integration der Wasserrahmenrichtlinie

Gerichtsentscheidungen (u. a. EuGH) führen dazu, dass das Verschlechterungsverbot strenger geprüft wird. Der Nachweis der „zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses“ ist aufwendiger geworden.

6.3 Klimaanpassung und Hochwasserrisiko

Neue Planverfahren müssen verstärkt:

  • Klimafolgen berücksichtigen

  • Hochwasser- und Starkregenrisiken einbeziehen

  • Retentionsräume sichern

  • ökologische Verbesserungen integrieren

6.4 Digitalisierung des Verfahrens

Digitale Beteiligungsverfahren, digitale Planunterlagen und automatisierte Abfluss- und Risikomodelle verändern den Verfahrensalltag.


7. Fazit

Planfeststellung und Plangenehmigung sind unverzichtbare Instrumente der wasserrechtlichen Infrastrukturplanung. Während die Planfeststellung Rechtssicherheit für komplexe Vorhaben bietet, ermöglicht die Plangenehmigung eine effiziente Zulassung bei geringer Konfliktwirkung. Aktuelle Entwicklungen – von der Digitalisierung über die Verschärfungen der WRRL-Bewertung bis hin zur Klimaanpassung – erhöhen die Anforderungen an Antragsteller, Gutachter und Behörden. Gleichzeitig eröffnen vereinfachte Verfahren neue Wege für beschleunigte, aber dennoch rechtssichere wasserwirtschaftliche Entscheidungen.


Das dazu gehörige Fachseminar ist in der Seminarwelt des IWU Magdeburg auffindbar.