Klarstellungen zur bauplanungsrechtlichen Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) hat in einem Urteil vom 08.10.2018 − 10 A 1803/18 − zu dem immer wieder aktuellen Standardproblem der bauplanungsrechtlichen Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich Stellung genommen. Das Urteil enthält Klarstelllungen, die über den entschiedenen Einzelfall hinaus Beachtung verdienen. Danach liegt ein für den unbeplanten Innenbereich im Sinne des § 34 Baugesetzbuch (BauGB) erforderlicher Bebauungszusammenhang vor, „wenn die aufeinanderfolgende maßgebliche Bebauung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt“. Besteht der Bebauungszusammenhang aus einer einzeiligen Bebauung entlang einer Straße und schließen sich im rückwärtigen Bereich unbebaute Freiflächen an, so endet der für den Innenbereich vorausgesetzte Zusammenhang „grundsätzlich mit den die jeweiligen Hauptgebäude rückwärtig abschließenden Bauteilen und nicht etwa an den rückwärtigen Grenzen der jeweiligen Grundstücke“. Damit wird der prinzipiell bebaubare Innenbereich restriktiv eingegrenzt.

In dem zugrunde liegenden Fall begehrte die Klägerin die Erteilung eines bauplanungsrechtlichen Vorbescheids für den Neubau eines Lebensmittel Discountmarktes mit einer Verkaufsfläche von 1.334,55 m² auf einer aus mehreren Grundstücken bestehenden Fläche. Im Flächennutzungsplan der Stadt war diese Fläche teils als Wohnbaufläche, teils als Fläche für die Landwirtschaft dargestellt. Die Bauaufsichtsbehörde lehnte die Erteilung eines positiven Vorbescheids für das Bauvorhaben ab. Die hiergegen gerichtete Klage der Vorhabenträgerin wurde vom Verwaltungsgericht abgewiesen. Das OVG NRW hat die weiterhin auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung des begehrten Vorbescheids gerichtete Berufung der Klägerin für zulässig, aber unbegründet erachtet und die Revision nicht zugelassen.

Nach der Erkenntnis des OVG NRW standen dem Vorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften des Bauplanungsrechts entgegen (§ 75 Abs. 1 Satz 1 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen − BauO NRW). Allerdings scheiterte das Vorhaben nicht an den ihm entgegenstehenden Festsetzungen eines zwischenzeitlich von der Stadt aufgestellten Bebauungsplans; denn diesen hat der erkennende Senat des OVG NRW in einem parallel geführten Normenkontrollverfahren mit Urteil vom selbem Tage für unwirksam erklärt (OVG NRW, Urteil vom 08.10.2018 − 10 D 56/18.NE). Auf dieser Basis lag das Vorhaben teilweise im Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB. Als dort nicht privilegiert zulässiges Vorhaben beeinträchtigte es − so das OVG NRW − öffentliche Belange gem. § 35 Abs. 3 BauGB. Entscheidend hierfür war nach der Erkenntnis des OVG, dass der rückwärtige, sich an das dort stehende Wohnhaus anschließende unbebaute Flurstücksteil aufgrund der vorgenannten Abgrenzungskriterien nicht − wie die Klägerin meinte − zu dem Bebauungszusammenhang des bestehenden Ortsteils und somit nicht zum (unbeplanten) Innenbereich im Sinne des § 34 BauGB, sondern zum Außenbereich gemäß § 35 BauGB gehörte.

Im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) hat das OVG NRW darauf abgestellt, dass es bei der Grenzziehung zwischen Innen- und Außenbereich darum geht, inwieweit ein Grundstück zur Bebauung ansteht und sich aus dem tatsächlich Vorhandenen ein hinreichend verlässlicher Maßstab für die Zulassung weiterer Bebauung nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche gewinnen lässt. Die wertende Betrachtung der konkreten tatsächlichen Verhältnisse kann sich angesichts dieser vom Gesetzgeber vorgegebenen Kriterien nur nach optisch wahrnehmbaren Merkmalen richten (so OVG NRW, Urteil vom 08.10.2018 − 10 A 1803/18, Rn. 36 f. unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteile vom 22.03.1972 − 4 C 121.68 − und vom 12.10.1973 − 4 C 3.72 − sowie Beschluss vom 12.03.1999 − 4 B 112.98).

In dem vom OVG NRW entschiedenen Fall grenzte der unbebaute rückwärtige Flurstücksteil zwar seitlich an das in voller Tiefe baulich genutzte Grundstück der Klägerin; im Übrigen war es jedoch von unbebauten Flächen umgeben. Selbst eine ringsum von Bebauung umgebene Freifläche, die so groß ist, dass sich ihre Bebauung nicht mehr als zwanglose Fortsetzung der vorhandenen Bebauung aufdrängt, und die deshalb nicht als Baulücke erscheint, liegt nicht innerhalb eines Bebauungszusammenhangs im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB. Sie ist deshalb bebauungsrechtlich als Außenbereich zu behandeln (OVG NRW, Urteil vom 08.10.2018 − 10 A 1803/18, Rn. 41 unter Bezugnahme auf BVerwG, Beschluss vom 15.09.2005 − 4 BN 37.05, Rn. 3).

Dies traf − so das OVG NRW − nach Auswertung der verfügbaren Luftbilder und Karten auf die zusammenhängenden unbebauten Flächen innerhalb des von Straßen umschlossenen Bereichs des entschiedenen Falles zu. Zu diesem Bereich gehörte auch der rückwärtige Teil des für die beabsichtigte Bebauung vorgesehenen Flurstücks (OVG NRW, Urteil vom 08.10.2018 − 10 A 1803/18, Rn. 43). Die Klägerin habe, wie das OVG NRW hinzufügt, keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die zu einer anderen Bewertung führen könnten. Daher bedürfe es zur Abgrenzung des Innenbereichs vom Außenbereich auch keiner Ortsbesichtigung durch den Berichterstatter; die vorliegenden Erkenntnismittel böten hier eine ausreichende Grundlage für die Überzeugung des erkennenden Senats, dass der rückwärtige Bereich des in Rede stehenden Flurstücks dem Außenbereich zuzuordnen sei (OVG NRW, Urteil vom 08.10.2018 − 10 A 1803/18, Rn. 44).

Daraus folgerte das OVG NRW, dass das Bauvorhaben auf dem im Außenbereich gelegenen Flurstücksteil als unzulässig anzusehen sei. Es beeinträchtige öffentliche Belange, weil es jedenfalls eine Zersiedlung des Außenbereichs im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB befürchten lasse (OVG NRW, Urteil vom 08.10.2018 − 10 A 1803/18, Rn. 46 ff. unter Bezugnahme auf OVG NRW, Urteil vom 26.07.2018 − 10 A 2600/15, Rn. 38).

Das OVG NRW hat in seinem Urteil vom 08.10.2018 − 10 A 1803/18 − die Revision nicht zugelassen, weil es die gesetzlichen Revisionszulassungsgründe (§ 132 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung − VwGO) verneint hat. Dies schließt ein, dass das OVG in der entschiedenen Streitsache keine grundsätzliche und offene, der revisionsgerichtlichen Klärung bedürftige Fragestellung des Bundesrechts gesehen hat. Vielmehr hat es die wiedergegebenen Erkenntnisse als bloße Klarstellungen aufgrund der Gesetzeslage, der anerkannten Kriterien für die Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich sowie der vorangegangenen Rechtsprechung verstanden.

Gleichwohl sind die vom OVG NRW ausgesprochenen Klarstellungen für die künftige Rechtspraxis von allgemeiner Bedeutung, weil ihnen eine restriktive, generell zu betrachtende Eingrenzung des unbeplanten Innenbereichs im Sinne des § 34 BauGB innewohnt. Die korrespondierende Zuordnung von Grundstücksflächen zum Außenbereich zieht die Anwendung der engen Zulassungsvoraussetzungen sowie der weit gefassten Versagungsgründe gem. § 35 BauGB nach sich. Bei künftigen Entscheidungen über Anträge auf Erteilung einer Baugenehmigung oder eines Bauvorbescheids für nicht privilegierte Vorhaben werden dadurch, wie das Urteil des OVG NRW vom 08.10.2018 anschaulich zeigt, insbesondere die zwingenden Versagungsgründe einer Beeinträchtigung öffentlicher Belange gem. § 35 Abs. 3 BauGB anwendbar.

Quelle: Köhler & Klett Rechtsanwälte

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